Die Schweiz werde in den grossen Konflikten als Friedensvermittlerin keine Rolle mehr spielen – wer hat denn diese “Wahrheit” in die Welt gesetzt und weshalb glauben schon fast alle daran?

Es sei, so Aussenminister Ignazio Cassis, nicht die Rolle der Schweiz, mit der Hamas zu verhandeln. Auch die NZZ am Sonntag vom 26. November 2023 stellt fest: “Die Schweiz spielt in den grossen Konflikten keine Rolle mehr als Vermittlerin” und, noch deutlicher: “Die Welt braucht uns nicht mehr.” Und auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister bläst ins gleiche Horn: “Es braucht einen realistischen Blick und das Eingeständnis, dass wir nicht die grossen Friedensstifter sind, für die wir uns halten.” Was für ein Armutszeugnis. Weshalb soll die Schweiz nicht das schaffen können, was soeben das vier Mal kleinere Katar geschafft hat, indem es im Kontakt mit der israelischen Regierung und der Hamas eine Waffenpause und den gegenseitigen Austausch von Geiseln und Gefangenen ausgehandelt hat? Wer hat denn diese Behauptung, die Schweiz werde zukünftig nicht mehr als Vermittlerin von Friedenslösungen eine Rolle spielen, in die Welt gesetzt? Irgendeine “höhere”, unsichtbare Macht? Irgendein “Zeitgeist”? Irgendeine “Zeitenwende”?

Frieden ist doch keine Frage von Zeitgeist oder Zeitenwende. Wer immer etwas zur Aussöhnung zwischen Völkern und Staaten beitragen kann, hat doch schlicht und einfach die moralische Pflicht, dies zu tun, auch wenn es anfänglich noch so aussichtslos erscheinen mag, selbst wenn es am Ende vielleicht scheitert. Aber man muss es doch wenigstens versuchen. Nur wenige Länder hätten hierfür so optimale Voraussetzungen wie die Schweiz mit ihrer jahrhundertelangen Neutralität und humanitären Tradition. Haben wir vergessen, wie unglaublich viel beispielsweise Mahatma Gandhi oder Martin Luther King mit ihrem unerschütterlichen Glauben an die Gewaltlosigkeit und ihrem radikalen Einstehen für Frieden und Gerechtigkeit erreicht haben? Müssten wir uns nicht vermehrt wieder solche charismatische Persönlichkeiten zum Vorbild nehmen und alles daran setzen, ihren Spuren zu folgen? Denn nicht die Geschichte sollte die Menschen lenken, sondern die Menschen sollten die Geschichte lenken.