Die letzten Zuckungen des Kapitalismus?

«Der Bentley EXP 100 GT widerspiegelt jene Art von Automobil, die wir in der Zukunft herstellen möchten», sagte Stefan Sielaff, Design-Direktor bei Bentley Motors, vor kurzem anlässlich der Enthüllung am 100. Jahrestag der Gründung der Marke. Der Wagen ist allein von seiner Grösse ein klares Statement, dass Luxus auch im Jahr 2035 nichts von Zurückhaltung wissen will. Der EXP 100 GT ist 5,8 Meter lang, beinahe 2,4 Meter breit und wird in Parkhäusern nicht anzutreffen sein. «Das ist unsere Sichtweise», meint Adrian Hallmark, CEO und Präsident von Bentley Motors. Die Geburt des Automobils hätte damals ein inniges Verhältnis geweckt, das Begriffe wie Freiheit, Selbstentfaltung, soziale Anerkennung und persönlichen Freiraum brachte. «Wir glauben, dass diese Werte auch die künftige luxuriöse Mobilität prägen werden.» Exquisite, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Materialien und feinste Verarbeitung – diese traditionellen Kompetenzen verbindet Bentley im EXP 100 GT mit den Megatrends automatisiertes Fahren und künstliche Intelligenz. Der Innenraum profitiert von beiden und lässt sich entsprechend der gewählten Fortbewegung umgestalten. Bentley spricht in diesem Zusammenhang von biometrischem Sitzen. Die künstliche Intelligenz erkennt über die umfassende Wagensensorik Stimmung und Wohlbefinden der Insassen und bietet dem luxusgewohnten Bentley-Fahrer der Zukunft die passende Umgebung. Fährt der Wagen beispielsweise autonom, wird der Fahrersitz in eine rückwärts gerichtete Position gedreht und das Lenkrad in die Armaturen zurückgezogen. Im Stadtverkehr wandelt sich der Wagen zum temporären Rückzugsort. Sich abdunkelndes Glas schottet das Interieur vor neugierigen Blicken ab, und aktives Noise-Selling sorgt für entspannende Ruhe. Auf Landstrassen dann das Gegenteil: Licht, Gerüche und Geräusche werden ins Innere geleitet, das Erlebnis einer Fahrt – zwischen von der Sonne gemalten Flecken auf dem Boden des Waldes hindurch – verstärkt. Käufer von Luxusprodukten erwarten bereits heute, dass Marken nicht bloss Objekte herstellen, sondern dass deren Ethik, Kompetenzen und Ausrichtung makellos sind. Sie suchen Marken, die ihr Leben mit einzigartigen Produkten bereichern. «Wir sind daher für die Herausforderungen der Zukunft optimal aufgestellt», sagt Adrian Hallmark.

(W&O, 3. August 2019)

Eine «Ethik» des Luxus, aufgestellt für die «Herausforderungen der Zukunft». Ein veritables Eigenheim auf vier Rädern – für Menschen, die im übrigen Leben wohl kaum in einer schäbigen Mietwohnung leben oder – wie weltweit über 100 Millionen Menschen – überhaupt kein Dach über dem Kopf haben. Und das in einer Zeit, da immer mehr Wissenschaftler vor einer bald drohenden Selbstvernichtung der Menschheit infolge einer rasant zunehmenden Klimaerwärmung warnen. Die letzten Zuckungen des Kapitalismus?