Die Kriegsgeschäfteinitiative und der Traum von einer Welt ohne Waffen und Armeen

 

Die Kriegsgeschäfteinitiative, über die in der Schweiz am 29. November 2020 abgestimmt wird, verlangt, dass Investitionen der Schweizerischen Nationalbank, von Schweizer Stiftungen, von der AHV/IV und von den Schweizer Pensionskassen in internationale Kriegsmaterialproduzenten, die beispielsweise Atomwaffen, Panzer oder Kleinwaffen herstellen, verboten werden. Keine Frage: Wem die Verwicklung der Schweiz in internationale Rüstungsgeschäfte schon lange ein Dorn im Auge war und wer sich dafür einsetzen möchte, dass die Schweiz ihrem Ruf als neutralem und friedensförderndem Land mehr als bisher gerecht werden will, wird dieser Initiative aus voller Überzeugung zustimmen. Doch auch wenn diese Initiative angenommen wird, wäre dies bloss ein erster winziger Schritt auf einem schier unendlich langen Weg, der noch vor uns liegt. Auf diesem langen Weg würden wieder all jene Fragen auftauchen, die in pazifistischen Bewegungen früherer Jahrhunderte von unzähligen Menschen auf die Strassen, in die Studierstuben bis hin in Parteiprogramme und ganze Regierungen getragen wurden, Fragen, die seltsamerweise in der heutigen Zeit, da die Welt von Waffen mit aller nur erdenklichen Zerstörungsgewalt mehr als je zuvor nur so strotzt, kaum mehr irgendwo zu hören sind. Selbst die GSoA, die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, trägt ihr ursprüngliches Ziel nur noch in ihrem Namen – wenn ihr, wie zum Beispiel im Zusammenhang mit der von ihr lancierten Kriegsgeschäfteinitiative vorgeworfen wird, es ginge ihr doch letztlich bloss um die Abschaffung der Armee, dann beeilen sich ihre Vertreter und Vertreterinnen sogleich mit der Erklärung, nein, darum ginge es nicht und die Kriegsgeschäfteinitiative hätte nichts, aber auch gar nichts mit der Abschaffung der Armee zu tun. Weshalb diese Ängstlichkeit? Natürlich hat das eine mit dem anderen zu tun. Und davon müsste sich die GSoA nicht distanzieren, sondern könnte sogar im Gegenteil sehr stolz darauf sein. Denn was für eine Vision wäre dringender und erstrebenswerter als eine Welt gänzlich ohne Waffen und Armeen! Dass die bisher zur Abstimmung gelangten Armeeabschaffungsinitiativen Schiffbruch erlitten haben, heisst ja nicht, dass die Idee falsch gewesen wäre, ganz im Gegenteil. Auch über das Frauenstimmrecht musste mehrmals abgestimmt werden, bis es endlich eine Mehrheit fand, und heute könnte sich niemand mehr vorstellen, es wieder abzuschaffen. Welches Land, wenn nicht die neutrale Schweiz mit ihrer humanitären Tradition, wäre befugter, mit dem guten Beispiel voranzugehen und seine Armee ins Museum zu verbannen. Man stelle sich vor, was weltweit mit den horrenden Summen, die für Waffen und Armeen verschleudert werden, so viel Nützlicheres angefangen werden könnte. Eine Welt ohne Waffen und Armeen würde aber eine neue globale Ordnung voraussetzen, in der die einzelnen Länder nicht mehr gegenseitige Konkurrenten wären, sondern Partner. Eine Welt, in der alle Güter gerecht verteilt wären. Eine Welt, in der es nicht mehr mächtige und weniger mächtige Staaten gäbe. Eine Welt ohne gegenseitige Ausbeutung zwischen den Ländern, den Menschen und der Natur. Wenn diese Welt in einer hoffentlich nicht allzu fernen Zukunft Wirklichkeit geworden sein wird, dann wird man sich wohl so ungläubig an die Zeit der Waffen und Armeen zurückerinnern, wie wir heutigen Menschen uns an die Zeiten der Hexenverbrennungen und des Sklavenhandels zurückerinnern…