Die Konzernverantwortungsinitiative: ein erster kleiner Tropfen auf einen riesigen heissen Stein…

 

Die Konzernverantwortungsinitiative, über die in der Schweiz am 29. November 2020 abgestimmt wird, verlangt, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz die Menschenrechte sowie internationale Umweltstandards auch ausserhalb der Schweiz zu respektieren haben. Dazu sollen Konzerne für Menschenrechtsverletzungen und die Missachtung verbindlicher Umweltstandards haftbar gemacht werden, unabhängig davon, wo die entsprechenden Handlungen vonstatten gingen. Das ist eine so plausible und selbstverständliche Forderung, dass man eigentlich gar nicht darüber diskutieren müsste, ebenso wenig, wie man darüber diskutiert, ob ein Hausbewohner, der seinem Nachbar einen Steinbrocken in den Garten wirft und damit eine Fensterscheibe zertrümmert, für diesen Schaden aufkommen sollte oder nicht. Die Konzernverantwortungsinitiative geht nicht, wie ihre Gegner ihr vorwerfen, zu weit, sondern, im Gegenteil, viel zu wenig weit. Denn skandalös ist nicht nur, Flüsse mit lebensgefährlichen Chemikalien zu vergiften oder Kinder mit zwölf Jahren in eine Kobaltmine zu schicken. Skandalös ist das gesamte Wirtschaftssystem, das dahintersteckt, auf den unersättlichen Raubbau an Mensch und Natur ausgerichtet ist und am einen Ende so viel Profit erzeugt, wie am anderen Ende die Menschen an Armut und Elend dafür zu bezahlen haben. Skandalös ist, dass ausgerechnet jene Länder, in deren Erde die wertvollsten Mineralien und Rohstoffe schlummern, am Profit mit diesen Stoffen den geringsten Anteil haben, während Länder wie die Schweiz, in deren Boden kein Tropfen Öl und kein Gramm seltener Erde vorkommen, durch das Kaufen, Verkaufen und durch den Handel mit diesen Stoffen Milliardengewinne erzielen. Skandalös ist, dass Rohstoffe so billig und Industrieprodukte so teuer sind, dass die eh schon reichen Länder laufend noch reicher und die armen laufend noch ärmer werden. Skandalös ist, dass die gesamte Wertschöpfungskette von den Minen, Plantagen und Fabriken des Südens bis in die multinationalen Konzerne des Nordens darauf aufbaut, dass ganz zuunterst nicht nur die anstrengendste und gefährlichste, sondern zugleich auch die am schlechtesten bezahlte Arbeit verrichtet wird, während ganz zuoberst Aktionäre und Aktionärinnen nicht einmal arbeiten müssen und dennoch sagenhaft reich werden. Die weltweite Ausbeutung der Armen durch die Reichen im Dienste endloser Profitmaximierung ist so allumfassend, dass die Konzernverantwortungsinitiative nicht mehr wäre als ein erster, aber umso notwendiger Tropfen auf einen heissen Stein, ein Tropfen, dem schon möglichst bald viele, viele weitere folgen müssten und der erst dann sein Ziel erreicht hätte, wenn die gesamte Weltwirtschaft nicht mehr auf Ausbeutung und Profitmaximierung ausgerichtet wäre, sondern auf das Wohlergehen aller Menschen, auf eine gerechte Verteilung aller Güter und auf den Respekt gegenüber Natur und Erde. Denn auch mit einer Annahme der Konzernverantwortungsinitiative wäre die Welt noch längst nicht in Ordnung. Vor uns liegt noch ein weiter Weg, aber jeder noch so weite Weg beginnt bekanntlich mit einem ersten Schritt. Und genau dieser erste kleine Schritt muss am 29. November Wirklichkeit werden!