Die Justiz am Gängelband des Kapitalismus

Die grüne Basisbewegung «Collective Climate Justice» will den Kapitalismus überwinden, da er einem gerechten Wirtschaftssystem im Weg stehe. Rund 100 Mitglieder der Organisation, ausgerüstet mit Arbeitskleidern und Mundschutz, einige mit Clownnasen und Clownperücken, blockierten am 8. Juli 2019 die Eingänge der Credit Suisse am Zürcher Paradeplatz und der UBS beim Aeschenplatz in Basel. Die Aktivisten protestierten gegen das finanzielle Engagement der Grossbanken zur Förderung von Kohle, Öl und Gas. Sie legen ihnen eine hohe Mitverantwortung für die «weltweite Klimakatastrophe» zur Last. Die Zürcher Staatsanwaltschaft erliess gegen 57 Beteiligte einen Strafbefehl wegen Nötigung und teilweisen Hausfriedensbruch. Sie erhielten bedingte Geldstrafen von je 60 Tagessätzen und müssen 800 Franken Verfahrenskosten tragen. Zwei Frauen aus Deutschland landeten sogar im Gefängnis. Sie kassierten 80 Tage unbedingte Haft und müssen insgesamt 3140 Franken für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten zahlen.

(W&O, 28. Oktober 2019)

Die Justiz als parteilose, unabhängige Instanz im demokratischen Staat? Was für eine Illusion. Wer begeht denn das schlimmere Verbrechen, die Aktivisten und Aktivistinnen von «Collective Climate Justice», die völlig gewaltfrei und friedlich den Zugang zu zwei Grossbanken verbarrikadieren – oder diese beiden Grossbanken, die mit ihrer globalen Investitionspolitik zur Förderung fossiler Energien das Leben ganzer zukünftiger Generationen aufs Spiel setzen? Wann endlich werden nicht mehr die Opfer, sondern die Täter unseres heutigen, auf nackten Profit ausgerichteten Wirtschaftssystems vor den Schranken der Gerichte stehen? Wann endlich wird die herrschende Wirtschaftsordnung als das entlarvt, was sie tatsächlich ist, nämlich nicht eine Demokratie – die nur ein Luxus jener ist, die sich das leisten können -, sondern, ganz im Gegenteil, eine Diktatur des Geldes und der weltweiten Ausbeutung der Armen durch die Reichen.