Die falsche Frage nach dem “richtigen” Weg der Klimabewegung

 

“Die jungen Menschen, die sich jetzt für das Klima engagieren”, sagt der SPD-Politiker Franz Müntefering, “wollen das Richtige. Aber dazu müssen sie jetzt in die Parteien und in die Parlamente, sie müssen sich demokratisch durchsetzen wollen. Oder sie müssen eine neue Partei gründen und so Einfluss suchen.” Zumindest gesteht Müntefering der Klimajugend zu, dass sie “das Richtige wollen”. Indessen greifen seine politischen Ratschläge an eben diese Klimajugend viel zu kurz. Alles, was die Klimajugend an öffentlichem Bewusstsein und ersten klimapolitischen Erfolgen bisher erreicht hat, verdankt sie nicht der Teilhabe am traditionellen politischen Machtapparat, sondern dem bunten, lauten und kreativen Aufmarsch Abertausender auf öffentlichen Strassen und Plätzen, den aufsehenerregenden Aktionen zur Bewahrung von Wäldern und Grünflächen, den unzähligen Diskussionen, welche dies alles in den Schulen, am Arbeitsplatz bis hinein in jede Familie ausgelöst hat. Würde sich die Klimajugend, wie Müntefering vorschlägt, bloss auf die Teilhabe am traditionellen Parlamentsbetrieb beschränken, dann würde dies wohl dazu führen, dass von der riesigen ursprünglichen Energie und den wunderbaren Visionen von einer Welt jenseits von Ausbeutung und Profitgier wohl mit der Zeit nicht mehr viel übrig bliebe – zu gross ist die Gefahr, dass man, als Minderheit in einem Parlament, dazu gezwungen ist, immer wieder Kompromisse einzugehen, sich in zermürbender, endloser Gesetzesarbeit zu erschöpfen und die ursprünglichen Ideale nach und nach zu verlieren. Im schlimmsten Falle wäre das sogar der Tod der Klimabewegung. Aber vielleicht ist ja auch die Frage, welcher Weg der bessere sei, die Tätigkeit innerhalb des Parlaments oder jene ausserhalb davon, gar nicht richtig gestellt. Es zwingt uns ja niemand, uns nur für das eine oder für das andere zu entscheiden. Vielleicht bestünde das beste Rezept gerade darin, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Je grösser der Druck von der Strasse, umso mehr Aufwind hätten dadurch die Vertretungen der Klimajugend, die im Parlament sässen. Und je erfolgreicher diese politisierten, umso stärker würde dies auch wiederum all jene beflügeln, die ihre Aktivitäten auf anderen Wegen und an anderen Orten entfalten. Schliesslich würde ein solches “mehrgleisiges” Vorgehen auch der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit der beteiligten Menschen am besten gerecht: Wer sich zum Parlamentsbetrieb hingezogen fühlt, stellt sich für eine klimapolitische Liste zur Verfügung. Wer das bunte und laute Agieren auf der Strasse bevorzugt, findet dort seinen Platz. Wer sich genug stark fühlt, um bei Rettungsaktionen für bedrohte Wälder oder gegen den Bau überflüssiger Autobahnen mitzumachen, kann wiederum auf ganz andere Weise an anderen Orten seinen Beitrag leisten. Andere wiederum schreiben Texte und Lieder, organisieren öffentliche Diskussionen oder versuchen Freunde und Familienangehörige für ihre Ideen zu begeistern. Je vielgestaltiger die Bewegung, umso erfolgreicher wird sie sein. Falsch wäre nur, sich gegenseitig ausspielen, abgrenzen und spalten zu lassen. Letztlich braucht es alle. Letztlich kann man sich nicht den Luxus leisten, auch nur auf einen Einzigen zu verzichten. Denn, wie es schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: “Was alle angeht, können nur alle lösen.”