Die deutschen Grünen: Rückfall in das alte Denken des kalten Kriegs oder eine neue Seite im Geschichtsbuch?

 

Mit der Beteiligung Deutschlands am Nato-Krieg um Kosovo in den Jahren 1999 und 2000, wesentlich mitverantwortet durch den damaligen grünen Aussenminister Joschka Fischer, seien die Grünen, so der “Tages-Anzeiger” vom 30. Juni 2021, “aussenpolitisch erwachsen” geworden. Offensichtlich eifert das heutige grüne Führungsduo, bestehend aus Annalena Baerbock und Robert Habeck, erneut solchen geostrategischen Machtzielen nach: Die Welt, so Baerbock und Habeck, befinde sich heute in einem “harten Wettbewerb der Systeme”, es gehe um den Kampf zwischen “liberalen Demokratien” und “autoritären Staaten wie Russland oder China”, zwischen den beiden Lagern finde eine “Schlacht zwischen Gut und Böse” statt. Wie kann man auf dem eigenen Auge so blind sein? Ja, tatsächlich findet gegenwärtig eine “Schlacht zwischen Gut und Böse” statt. Aber doch nicht zwischen “liberalen Demokratien” und “autoritären Staaten wie Russland und China”. Die tatsächliche Schlacht zwischen “Gut” und “Böse”, die heute ausgefochten wird, ist die Schlacht zwischen dem Kapitalismus und all jener politischen Bewegungen, die sich für eine friedliche, gerechte und menschenwürdige neue Weltordnung jenseits von Kapitalismus und Kommunismus einsetzen. Die “Front” dieser Schlacht verläuft nicht entlang von staatlichen Grenzen, sondern geht mitten durch jedes einzelne Land hindurch: Auf der einen Seite die Reichen und Mächtigen, egal ob es sich dabei um Amerikaner, Brasilianer, Deutsche, Russen oder Chinesen handelt – auf der anderen Seite all jene Menschen, die schwerste Arbeit leisten, in bitterster Armut leben und auf elementarste Lebensgrundlagen wie ausreichende Ernährung, sauberes Trinkwasser und dringend notwendige Medikamente verzichten müssen. Annalena Baerbock und Robert Habeck seien daran erinnert: Dass es weder in Russland noch in China ein so grosses Mass an Hunger und Armut gibt wie in jenen zahlreichen afrikanischen Ländern, die alles andere als “kommunistisch” sind, sondern im Gegenteil mit den westlichen “Demokratien” eifrig Handel treiben und diesen unaufhörlich jenen Reichtum verschaffen, den sie mit ihren eigenen Opfern überhaupt erst möglich machen. Dass die grössten Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht in China und Russland, sondern in den westlichen “Demokratien” wie den USA oder der Schweiz bestehen. Dass weder Russland noch China, sondern die USA weltweit pro Kopf der Bevölkerung am meisten Geld ausgeben für die militärische Aufrüstung – mehr als alle anderen Länder zusammen. Und schliesslich dass der Klimawandel, der unser aller Überleben auf diesem Planeten existenziell in Frage zu stellen droht, ausschliesslich die Folge jener kapitalistischen Wirtschaftsweise ist, die auf endloser Profitmaximierung und einem immanenten Zwang zu immerwährendem Wachstum ist. Höchst bedauerlich, dass die Grünen, die in der deutschen Politik wahre Hoffnungsträger sein könnten, nun auf einmal in das alte Denken des Kalten Kriegs zurückfallen, statt endlich eine neue Seite im Geschichtsbuch aufzuschlagen: eine neue Welt aufzubauen jenseits von gegenseitiger Ausbeutung und Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, eine neue Welt, in der endlich das gute Leben für alle Wirklichkeit werden kann, nicht nur für die, die heute leben, sondern auch für alle zukünftigen Generationen. Gegenseitige Feindbilder zwischen Nationen, Säbelrasseln, Machtspiele, Kampfansagen, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, dies alles sollte endlich der Vergangenheit angehören, denn, wie es schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: “Was alle angeht, können nur alle lösen.”