Der Klimaplan des Klimastreiks – und wo bleibt das mediale Echo?

 

Am 8. Januar 2021 präsentierten Aktivisten und Aktivistinnen des Schweizer Klimastreiks der Öffentlichkeit ihren druckfrischen “Klimaplan”, an dem zusammen mit Wissenschaftlern und Expertinnen während eines ganzen Jahres intensiv gearbeitet worden war. Das Papier umfasst 377 Seiten und enthält 138 Massnahmen, unter anderem die Förderung alternativer Energien, neue Wohnformen, ein Verbot von fossilen Brennstoffen, grössere Flächen für Spiel und Freizeit, ein Moratorium für Neubauten und vieles, vieles mehr. Wer nun erwartet hätte, die Vorstellung dieses Klimaplans hätte ein dem geleisteten Aufwand und der Brisanz des Themas entsprechendes mediales Echo ausgelöst, sieht sich doppelt und dreifach getäuscht. Weder in den grösseren Tageszeitungen, noch am Fernsehen war etwas von dem mit so viel Herzblut und Engagement erarbeiteten Massnahmenpapier der Klimajugend zu hören und zu lesen. Offensichtlich war es den Medien zu wenig spektakulär. Unwillkürlich erinnert man sich an den 22. November 2018, als Jugendliche, um gegen die Geldpolitik der Crédit Suisse zu protestieren, in einer Zürcher Filiale der Bank Tennis spielten. Und ebenso erinnert man sich an den 1. Mai 2019, als junge Aktivisten und Aktivistinnen gegen die Fassaden der Crédit Suisse und der UBS in St. Gallen Farbbomben warfen. Und unvergessen bleibt ebenfalls die “widerrechtliche” Besetzung des Berner Bundesplatzes durch mehrere hundert Klimastreikende Ende September 2020. Auf jedes dieser Ereignisse stürzten sich die Medien wie hungrige Wölfe und tagelang konnte man weder eine Zeitung aufschlagen noch sich die Tagesschau am Fernsehen anschauen, ohne sich mit dem einen oder anderen dieser Themen konfrontiert zu sehen. Offensichtlich ist das Interesse der Medien an ein paar Demonstranten und Demonstrantinnen, welche Farbbomben werfen, am falschen Ort Tennis spielen oder an einem Ort, wo sie eigentlich nicht sein dürften, ihre Zelte aufschlagen, ungleich viel grösser als an einem Papier, an dem ein ganzes Jahr lang gearbeitet wurde und das, nähme man es ernst, eine geradezu bahnbrechende Wirkung auf die politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Entwicklung unseres Landes haben könnte. Freilich kann man an dieser Stelle nicht allein den Medien die “Schuld” geben. Sie sind bloss Teil eines gesellschaftlich-wirtschaftlichen Systems, in dem es in einem sich gegenseitig laufend beschleunigenden Konkurrenzkampf darum geht, stets das spektakulärste Bild, die treffendste Schlagzeile zu ergattern, möglichst immer die Nase zuvorderst zu haben und immer ein bisschen schneller zu sein als alle anderen. Dass da ein 377 Seiten umfassendes Werk keine Chance hat auf eine entsprechende Würdigung, ist ja logisch. Welcher Journalist oder welche Journalistin hätte schon die nötige Zeit und Musse, sich damit zu befassen, sich einzulesen, geschweige denn das Ganze zu kommentieren. Zu den 138 vorgeschlagenen Massnahmen des Klimaplans käme somit eine weitere wichtige dazu: Die Medien müssten vom gegenseitigen Konkurrenzdruck und der Jagd auf die möglichst spektakulärsten Schnäppchen befreit und zu ihrer ureigenen demokratischen Aufgabe verpflichtet werden: Information, Bildung, Aufklärung. Journalisten und Journalistinnen müssten ohne Zeitdruck arbeiten können und die verschiedenen Zeitungen und weiteren Medien müssten eine möglichst grosse Vielfalt unterschiedlicher Meinungen und Gesichtspunkte zum Ausdruck bringen – nicht so wie heute, wo sich die Medien immer häufiger Artikel gegenseitig abschreiben. Eine eigenständige und vielfältige Medienlandschaft, die nicht dem Geld, sondern den Menschen verpflichtet wäre, ist eine Grundbedingung für eine funktionierende Demokratie. In einer solchen Medienlandschaft hätte der Klimaplan des Klimastreiks zweifellos eine gebührende Beachtung erfahren, wäre auch ausführlich kommentiert, von verschiedenen Seiten beleuchtet worden und hätte wohl so manches “Schnäppchen” an den Rand verdrängt. Ja, auf dem Weg zu jener “anderen Welt”, welche die Verfasserinnen und Verfasser des Klimaplans fordern, wäre die Demokratisierung der Medien ein wesentlicher, unumgänglicher Schritt…