Der gegenseitige Konkurrenzkampf wird immer verbissener: Doch am Ende sind wir alle Verlierer

 

Das nördliche Kalifornien ist gegenwärtig von extremer Trockenheit und Wassermangel betroffen. Das Absurde daran sei, so der “Tages-Anzeiger” vom 7. Juli 2021, dass Nordkalifornien an sich genug Wasser hätte, dieses aber grösstenteils nach Südkalifornien abfliesse, welches schon vor über 100 Jahren Pipelines und Kanäle gebaut habe, um sich die Wasserzufuhr zu sichern, die dem Norden jetzt fehle. So habe der Süden diesen Sommer genug Wasser, während die Farmer im Norden immer tiefere Löcher bohren müssten, um Wasser zu fördern. “Der Wettbewerb”, so Lou Preston, ein Pionier des biologischen Weinbaus, “wird immer verbissener. Man bohrt immer tiefer und gräbt den Nachbarn das Wasser ab. Am Schluss sind wir alle Verlierer.” Ein besonders krasses Beispiel für das kapitalistische Konkurrenzprinzip, dem wir in Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitswelt auf Schritt und Tritt begegnen und das wir mittlerweile so sehr verinnerlicht haben, dass wir uns etwas grundsätzlich anderes schon gar nicht mehr vorstellen können. Da sind die Velokuriere, die sich in immer höllischeren Tempo durch die Autokolonnen hindurchkämpfen und in mitgenommene Flaschen pinkeln müssen, weil sie nicht einmal genug Zeit haben, um eine Toilette aufzusuchen, und dies alles nur deshalb, weil im gnadenlosen Verdrängungskampf mit der Konkurrenz jede Sekunde darüber entscheidet, ob man überleben kann oder nicht. Da sind die Möbelhersteller, die im Kampf gegen ihre Konkurrenten alles daran setzen müssen, ihre Produkte mit möglichst billigem Holz, in möglichst hohem Tempo und mit dem Einsatz möglichst wenig verdienender Arbeitskräfte herzustellen. Da sind die Spitzensportler und Spitzensportlerinnen, die sich einen immer gnadenloseren gegenseitigen Wettkampf um Sekundenbruchteile liefern müssen, um an der Spitze mitzuhalten, selbst auf Kosten ihres Wohlbefindens und ihrer Gesundheit. Da sind die Schulen weltweit, die sich immer ähnlicher werden und in denen die Kinder von klein auf dazu gezwungen werden, sich gegenseitig einen unerbittlichen Konkurrenzkampf um Noten, Zeugnisse und Zukunftschancen zu liefern. Aber es geht noch viel weiter: Auch das Verhältnis der Staaten und Volkswirtschaften untereinander ist von einem permanenten Konkurrenzkampf bestimmt bis hin zur letzten “Schlacht” zwischen den USA und China, die darüber entscheiden soll, wer von den beiden aus dieser Auseinandersetzung als die zukünftige Weltmacht Nummer eins hervorgehen wird. Doch was der kalifornische Weinbauer sagte, das gilt für alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Felder, auf denen sich die Menschen im Kampf um ihr Überleben immer gnadenlosere gegenseitige Konkurrenzkämpfe liefern, gleichermassen: Am Schluss gibt es nur Verlierer. Wollen wir das vermeiden, dann werden wir nicht darum herumkommen, das kapitalistische Konkurrenzprinzip durch eine von Grund auf neue Art und Weise gemeinsamer Arbeit, fürsorglichen Wirtschaftens und auf Kooperation ausgerichteter gesellschaftlicher Beziehungen zu ersetzen, in der das Wohl der einen nicht kleiner, sondern umso grösser ist, wenn auch alle anderen davon profitieren. Denn, wie schon Martin Luther King sagte: “Entweder werden wir als Brüder und Schwestern gemeinsam überleben oder als Narren miteinander untergehen.”