Der Flugpassagier und das Kabinenpersonal, das eines Tages einfach keine Lust mehr hatte, “lustvoll” zu arbeiten…

 

M.G. berichtet am 20. August 2021 in “20minuten” von seinem Flug von Dubai nach Zürich. Der Sitz sei dreckig gewesen, am Boden seien Abfälle herumgelegen und: “Das Personal hatte nicht besonders Bock zu arbeiten und auch keine grosse Lust, den Müll zu entsorgen.” Aha! Da stellt man immer weniger Personal während immer längerer Arbeitszeiten zu immer kleinerem Lohn an und dann erwarten die Kundinnen und Kunden trotzdem, dass die “mit Lust” ihren Abfall wegräumen. Auch die Gäste im Speiserestaurant erwarten, dass sie “lustvoll” bedient werden, auch wenn die Füsse der Serviceangestellten vom vielen Herumlaufen und Tragen der Tablette noch so brennen. Gewiss erwarten sie auch, dass das Essen “lustvoll” zubereitet wurde – auch wenn das Arbeit in der Küche bei 40 Grad und mit Gesichtsmaske die reine Hölle ist. Auch die Zimmermädchen in den Hotels sollen das Zimmer “lustvoll” herrichten, auch wenn sie unter ständigem Zeitdruck stehen und ekligste Rückstände der Gäste entsorgen müssen. Auch die Krankenpflegerinnen, Friseusen, Verkäuferinnen und die Arbeiter in der Kanalisation, in Baugruben und Tunnels sollen “lustvoll” arbeiten. Manchmal frage ich mich, wie viel es wohl noch braucht, bis sie alle, die unter miesesten Bedingungen schwerste Arbeit verrichten und dennoch stets freundlich, fleissig und “lustvoll” sein sollen, ihre Besen, Schaufeln und Pfannen weit von sich werfen und sagen: Jetzt ist genug. Verhindert wird dies wohl nur dadurch, dass über alledem ein riesiger Trugschluss, eine riesige Lüge liegt, welche sowohl die Arbeitenden wie auch jene, die von dieser Arbeit profitieren, so sehr in sich aufgesogen haben, dass sie sich etwas grundlegend anderes schon gar nicht mehr vorstellen können. Die Lüge nämlich, dass Arbeiterinnen und Arbeiter “froh” und “dankbar” sein müssten, überhaupt eine Arbeitsstelle zu haben, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Und dass sie deswegen auch bereit sein müssten, noch so miese Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen, sich von noch so ekligen Kundinnen und Kunden schikanieren zu lassen und auch dann noch “lustvoll” zu arbeiten, wenn sie übelste, anstrengendste und beschwerlichste Tätigkeiten verrichten müssen. Eigentlich müsste man alles umdrehen: Nicht die “Arbeitnehmenden” müssten dankbar sein dafür, arbeiten zu “dürfen”. Nein, die “Arbeitgebenden”, müssten dankbar sein für die Leistung, welche die “Arbeitnehmenden” ihnen zur Verfügung stellen. So gesehen müsste man konsequenterweise auch die Begriffe des “Arbeitgebers” und des “Arbeitnehmers” umkehren. Die Arbeitenden sind es ja, welche ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen, während die “Arbeitgeber” tatsächlich bloss jene sind, welche diese Arbeitskraft in Anspruch nehmen. Das höchste Gut ist eben nur vermeintlich das Kapital in den Händen des “Arbeitgebers”. Tatsächlich aber ist das höchste Gut die Leistungsbereitschaft, die Intelligenz, die körperlichen Kräfte, das manuelle Geschick, die Phantasie und die Kreativität der so genannt “Arbeitnehmenden”. Wäre all das nicht abrufbar, dann würde sich auch die beste Firma mit  dem grössten Kapital von einer Sekunde zur andern in Luft auflösen und der Passagier, der sich im Flug von Dubai nach Zürich über einen dreckigen Sitz und herumliegende Abfälle ereifert hat, könnte seinen Dreck selber wegräumen…