Das Netz als Schlachtfeld

«Das Netz ist zum Schlachtfeld geworden», schreibt Bernhard Pörksen zum jüngsten Hackerskandal in Deutschland, bei dem in immensem Umfang private Daten von Politikern und Prominenten geklaut um im Netz veröffentlicht wurden. Und die Historikerin Ute Frevert meint: «In den sozialen Netzwerken macht sich ein Vernichtungswille breit.» Was früher am Pranger stattgefunden habe, so Frevert, spiele sich heute in den sozialen Netzwerken ab.

(NZZ, 8. Januar 2018)

Was hat dies alles mit dem Kapitalismus zu tun? Sehr viel. Wir alle wachsen schon als kleine Kinder in eine Welt hinein, die von Konkurrenzkampf und Wettbewerb geprägt ist und in der es nicht so sehr darum geht, sich um andere zu kümmern, sondern vielmehr, der Klügste, Schönste, Beste, Schnellste, Reichste und Erfolgreichste zu sein. Einen ganz wesentlichen Beitrag zu dieser Erziehung zum Individualismus und Egoismus leistet die Schule, wo man auf Schritt und Tritt mit anderen verglichen wird und sich immer wieder als Gewinner oder Verlierer erfährt. Dann die Jugend im Facebook oder auf Instagram, wo es ebenfalls Mode geworden ist, möglichst viel Anerkennung zu bekommen und gleichzeitig andere fertigzumachen. Und so ist es alles andere als verwunderlich, wenn auch die Erwachsenen dieses Spiel mitmachen und das, was man ironischerweise immer noch als «soziale» Medien bezeichnet, zu einem Schlachtfeld persönlicher Beleidigungen und Herabwürdigungen werden lässt. Dies umso mehr, als sich Täter und Opfer nicht mehr gegenseitig in die Augen blicken müssen, sondern sich alles in der Anonymität der eigenen Privatsphäre abspielt. Keine Frage: In einer Gesellschaft, die auf gegenseitiger Solidarität aufgebaut ist, wäre so etwas nicht möglich. Und nichts wünschte man sich sehnlicher, als dass das «Netz», statt um sich gegenseitig fertigzumachen, dazu benützt würde, die gemeinsame Vision einer anderen, gerechteren, menschenwürdigeren Zukunft zu entwickeln…