Das Meeting im Luxushotel und Frau H.

Als wäre der Wirbel um die 200’000 teure Kaderveranstaltung in einem vietnamesischen Luxushotel  nicht genug: Die Manager der Post-Tochter Swiss Post Solutions (SPS) stehen schon fürs nächste Reisli in den Startlöchern: Die knapp 100 Kaderleute treffen sich im 4-Stern-Tagungshotel Seeheim, rund 50 Kilometer südlich von Frankfurt. Motto des Strategieseminars: «One level up» – oder anders gesagt: besser werden. Der erste Tag startet für die Manager um 12 Uhr mit dem «Come Together» und gemeinsamem Lunch. Danach folgen die Begrüssungsrede von SPS-Chef Jörg Vollmer und One-level-up-Veranstaltungen nahezu im Viertelstundentakt. Den ersten Tag lassen die SPS-Manager ab 18.30 Uhr mit einem Networking-Event und Dinner im Schloss Auerbach ausklingen. Und wer noch mag, darf den Abend in der Vinothek der Hotelbar fortsetzen. Mit «One level up» geht es erst um 9 Uhr weiter. Die Kosten für diesen Anlass belaufen sich auf gegen 45’000 Franken. Hinzu kommen die Reisekosten. Das Meeting dient laut der Post vor allem der Vorstellung und Diskussion der Strategie für das Jahr 2019 und darüber hinaus. «One Level Up» sei gewählt worden, um Motivation und ein positives Momentum auszudrücken.

(www.20minuten.ch)

Was wohl Frau H. sagen würde, wenn sie das wüsste? Sie ist eines der zahllosen Opfer der «Umstrukturierungen», welche die Post in den letzten Jahren vorgenommen hat. So auch in der Region Solothurn, wo mehrere Posttouren an eine Transportfirma übergeben wurden, welche den Auftrag an eine Drittfirma weitergab, welche ihrerseits ein Subunternehmen beauftragte, bei dem schliesslich Frau H., die früher eine Poststelle bedient hatte, nun arbeitet. Sie muss bei Firmenkunden in Solothurn Pakete abholen, Postbriefkästen leeren und Briefe und Pakete von Poststellen auf dem Land ins nächste Zentrum transportieren. Für ihre täglich vierstündige Tour wird Frau H. mit 100 Franken entschädigt. Mit diesem Geld muss sie erst mal alles selbst bezahlen: Leasingrate des Fahrzeugs, Versicherung, Motorfahrzeugsteuer, Benzin. So bleiben pro Tag gerade mal noch 55 Franken übrig. Macht pro Stunde knapp 14 Franken brutto…

(www.beobachter.ch)