Das Coronavirus: die Diskrepanz zwischen gefühlter Angst und tatsächlichem Risiko

“Im Moment sind wir in der Situation, dass die meisten Diagnostizierten keine oder nur geringfügige Symptome haben. Es bringt daher nichts, nur auf die Zahlen der Infizierten zu starren und bei steigenden Zahlen in Panik zu verfallen. Gefährlich ist es nur, wenn man wirklich krank wird. Entscheidend ist nicht die Anzahl Infizierter, sondern die Anzahl der Hospitalisationen und Todesfälle, und diese sind überaus gering. Das Coronavirus ist zwar gefährlich, wir dürfen es aber auch nicht überdramatisieren. Das Wichtigste ist, dass wir jene schützen, die einen schweren Verlauf haben könnten. Da wir damit rechnen müssen, dass im schlimmsten Fall kein Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden werden kann, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Virus in unseren Alltag zu integrieren. Die Grundregeln des Abstandhaltens, der Hygiene und, wo sinnvoll, der Masken tragen dazu bei, dass, wenn es trotzdem zu einer Infektion kommt, die Virenlast möglichst tief gehalten werden kann. Und dies ist entscheidend, denn je höher die Virenlast, umso höher die Gefahr einer schweren Erkrankung. Das psychologische Problem dieser Pandemie ist die gefühlte Angst, welche steigende Infektionszahlen bei den Menschen hervorrufen, eine gefühlte Angst, die in keinem Verhältnis steht zum tatsächlichen Risiko einer Erkrankung. Kaum zu glauben, aber wahr: In Deutschland sind zwischen Januar und August 2020 insgesamt weniger Menschen gestorben als im gleichen Zeitraum des Jahres 2019. Wer daher im Zusammenhang mit der Coronapandemie von einer drohenden Apokalypse spricht, ist meilenweit von der Realität entfernt. Wenn wir nur auf die Virologen hören würden, dann dürften wir keine Partys mehr feiern, keinen Sex haben und uns nicht mehr küssen, das würde das Leben ganz schön trist machen.”

(Hendrik Streek, Direktor am Institut für Virologie in Bonn, in der Sendung “Maischberger”, ARD, 26. August 2020)

Streeks auf Deutschland bezogene Ausführungen kann man eins zu eins auf die Schweiz übertragen. Während sich die Anzahl Infektionen über die letzten Wochen nach und nach erhöht und sich von gestern auf heute sogar von 202 auf 383 fast verdoppelt hat. gibt es täglich nur vereinzelte Hospitalisationen und Todesfälle. Gefühlte Angst und tatsächliches Risiko: Statt der Anzahl Infizierter müsste man in den Medien eigentlich besser täglich die Anzahl der jeweils neuen Hospitalisationen und Todesfälle publizieren, das würde uns wohl einiges an Ängsten und an Panik ersparen. Denn, wie Henrik Streek aufzeigt: Gefährlich ist das Coronavirus nur dann, wenn man wirklich krank wird. Eine hohe Anzahl Infizierter, die keine oder nur geringe Symptome aufweisen, hätte sogar eher einen positiven Effekt: Es bedeutet ja, dass diese Personen zumindest für eine gewisse Zeit immun bleiben bzw. im Falle einer weiteren Ansteckung mit einem höchst milden Verlauf der Krankheit rechnen und das Virus nicht mehr weiter verbreiten können. So käme man, früher oder später, zu jener viel und kontrovers diskutierten Herdenimmunität, die, falls im schlimmsten Falle kein Impfstoff gefunden werden kann, wohl der einzige Weg ist, das Coronavirus in den Griff zu bekommen.