Credit Suisse: Erst wenn die letzte Bank gefallen ist, werden wir merken, dass man Geld nicht essen kann…

“13 Prozent der gesamten Wertschöpfung in der Stadt Zürich”, schreibt die “NZZ am 27. März 2023, “gehen auf die Banken zurück.” Auch die meisten Ökonomen, Politikerinnen und Bankenfachleute betonen bei jeder Gelegenheit die volkswirtschaftliche Bedeutung der Banken und rechtfertigen damit auch noch so massive staatliche Unterstützung, wenn einer dieser “systemrelevanten” Grundpfeiler ins Wanken gerät.

Doch eigentlich handelt es sich bei alledem um einen gigantischen Trugschluss. Volkswirtschaftliche Wertschöpfung erfolgt nämlich nicht durch die Banken, sondern durch die reale Wirtschaft, durch die Fabriken, durch die Landwirtschaftsproduktion, durch die arbeitenden Menschen auf den Baustellen, in der Gastronomie und in den Spitälern. Die “Leistung” der Banken besteht einzig und allein darin, das in der Realwirtschaft erarbeitete Geld zu horten, hin- und herzuschieben, es möglichst gewinnbringend anzulegen und es, auf was für verschlungenen und geheimnisvollen Wegen auch immer, unermesslich in die Höhe wachsen zu lassen.

“Was ist schon der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank”, sagte Bertolt Brecht. Wie recht er hatte! Auf der einen Seite fliesst hart erarbeitetes Geld aus der Realwirtschaft in die Banken, auf der anderen Seite fliessen Millionengewinne für Aktionärinnen und Aktionäre, Boni und astronomische Gehälter für die Manager sowie exorbitante Unternehmensgewinne heraus – kann man das anders bezeichnen denn als Diebstahl am Volksvermögen? Dass am Ende, wenn eine Bank trotz allem in eine Krise schlittert, wiederum öffentliches Geld herhalten muss, um die Bank zu “retten”, ist nichts anderes als doppelter und dreifacher Raub am Volksgut.

Dass diesem ganzen Unwesen nicht schon längst ein Ende bereitet worden ist, hat wohl damit zu tun, dass das Bankenwesen – und der Kapitalismus ganz generell – so etwas geworden ist wie eine neue Religion. Nicht von ungefähr gleichen viele Banken, selbst in kleineren Siedlungen, griechischen Tempeln und die schwindelerregende Höhe ihrer Verwaltungsgebäude erinnert an mittelalterliche Kathedralen. Nur scheinbar haben wir das Zeitalter monotheistischer Religionen, die das Schalten und Walten eines übermächtigen Gottes über die individuelle Freiheit und Persönlichkeitsentfaltung gestellt hatten, überwunden. Ganz leise und unbemerkt hat sich eine neue Religion unserer Seelen bemächtigt: die Religion der Profitgier, die Religion der Gewinnmaximierung, die Religion der Rendite, die Religion des Geldes, die Religion des Kapitalismus.

Und wie es so ist mit Religionen: Niemand versteht so richtig die Zusammenhänge, alle verstecken sich gegenseitig hintereinander, selbst die besten “Spezialistinnen” und “Spezialisten” können nicht mehr erklären, wie und weshalb alles so und nicht anders funktioniert in diesem tödlichen Spiel, bei dem immer grössere Mengen an Geld, die mit der Realwirtschaft nicht mehr das Geringste zu tun haben, in immer schnellerem Tempo um den Erdball sausen. Ein System, das längst alle Vernunft verloren hat. Aber weil alle daran glauben, wird es weiterhin, auch wenn seine Mängel immer offensichtlicher zutage treten, ebenso ehrfürchtig vergöttert wie einst der Himmelvater Zeus oder die heiligen Schriften der christlichen Glaubenslehre.

Möglicherweise ist der Zerfall der Credit Suisse nur ein erster Vorbote einer noch viel grösseren Krise, die auf uns zukommen könnte. Spätestens dann werden wir uns wohl an jene Weissagung der nordamerikanischen Creek erinnern, ausgesprochen vor über tausend Jahren, oft belächelt und viel zu wenig ernst genommen, aber in diesen Tagen aktueller denn je: “Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.”