160 Liter Wasser für eine Tasse Kaffee

Vier Milliarden Menschen leiden mindestens einen Monat pro Jahr unter Wasserknappheit und drei von zehn Menschen auf der Welt haben überhaupt keinen Zugang zu Trinkwasser. Gleichzeitig verbrauchen die Schweizer und Schweizerinnen pro Tag im Schnitt 4200 Liter Wasser. In dieser Menge enthalten ist sowohl die direkte Nutzung von Wasser – z.B. zum Kochen, Waschen und Putzen –, sowie die indirekte Nutzung, das heisst, das «virtuelle Wasser», das für die Produktion von landwirtschaftlichen und industriellen Gütern benötigt wird und zu 82 Prozent aus dem Ausland stammt, und zwar grösstenteils aus Ländern, in denen das Wasser sehr knapp ist und die Bevölkerung oft überhaupt keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Wie krass dieses Missverhältnis ist, zeigt sich am Beispiel Kaffee: Um eine einzige Tasse Kaffee zu produzieren, braucht es 160 Liter Wasser. Noch extremer ist der Wasserverbrauch für die Fleischproduktion. «Die Schweiz», so ein Bericht von Deza und WWF, «verdankt ihren Wohlstand zu einem beträchtlichen Teil den Wasserressourcen anderer Länder, oft in Gebieten der Erde, in denen das Wasser sehr knapp ist, darunter zum Beispiel Äthiopien, Sudan, Kenia, Indien, Afghanistan und Pakistan.»

(www.infosperber.ch)

Kapitalismus ist institutionalisiertes Verbrechen. Weil sie das reichste Land der Welt ist, kann es sich die Schweiz leisten, Unmengen von Wasser zu importieren aus Ländern, wo die Menschen buchstäblich verdursten. Mit jeder Tasse Kaffee, die wir trinken, verwehren wir Dutzenden von Kindern, Männern und Frauen irgendwo in Brasilien, Vietnam oder Äthiopien den Zugang zu sauberem Trinkwasser und setzen somit deren Lebens aufs Spiel. Eigentlich müsste uns jeder Schluck Wasser schmerzen wie Feuer. Doch im globalen Netz des Kapitalismus sind Täter und Opfer fein säuberlich voneinander getrennt und die Verbindungen zwischen ihnen unsichtbar…

 

Fünf Mädchen bringen einen Präsidenten zu Fall

Der Entscheid sei ihm nicht leichtgefallen, gesteht Nursultan Nasarbajew, der Präsident Kasachstans, in einer Fernsehansprache. Doch nach 30 Jahren an der Macht habe er sich dazu entschlossen zurückzutreten. Schlussendlich waren es wohl fünf kleine Mädchen, die dem Präsidenten klarmachten, dass er als Landesvater ausgedient hat. Die Kinder waren zwischen drei Monaten und 13 Jahren alt, als sie vergangenen Monat beim Brand eines Hauses in Astana starben. Mutter und Vater konnten ihre Kleinen nicht retten, weil beide auf Nachtschicht waren, um die Familie durchzubringen. Die Tragödie löste wütende Proteste von Müttern aus: gegen miese Arbeitsbedingungen, gegen Armut, gegen schlechte Gesundheitsversorgung – und letztlich gegen das unfähige Regime.

(Tages-Anzeiger, 20. März 2019)

Es mag ja ein «unfähiges Regime» sein. Aber das ist nur ein Teil der Realität. Der andere, das ist der Kapitalismus. Was nämlich Nursultan Nasarbajew das Amt gekostet hat, könnte ebenso gut auch hierzulande – unter einem «fähigen» Regime – geschehen sein. Denn auch in der Schweiz gibt es Eltern, die aus existenziellen Gründen beide Nachtschicht arbeiten und während dieser Zeit ihre Kinder allein lassen müssen. «Zum Glück» hat sich diese Tragödie im fernen Kasachstan ereignet, so können wir bequem mit dem Finger auf einen «unfähigen» Regierungspräsidenten zeigen und so tun, als hätten wir mit dem Ganzen nichts, aber auch nicht das Geringste zu tun. In Tat und Wahrheit ist der Schuldige aber nicht der Präsident Kasachstans, sondern ein Wirtschaftssystem, das auf die gnadenlose Ausbeutung von Mensch und Natur ausgerichtet ist, in Kasachstan ebenso wie in der Schweiz und überall. Interessant ist ja die Frage, ob der schweizerische Bundesrat ebenfalls zurücktreten würde, wenn sich ein solches Unglück hierzulande ereignen würde. Wohl kaum…

Pensionskassen: Wie viel die Broker absahnen

Um neue Versicherte zu gewinnen, engagieren die Pensionskassen Broker, welche den Versicherten eine bestimmte Pensionskasse empfehlen. Fürs Vermitteln kassieren due Broker saftige Provisionen, und zwar nicht bloss einmalig, sondern pro Versicherten, den sie vermitteln konnten, Jahr für Jahr. Dieses System – so Urban Hodel vom PK-Netz, das sich für die Rechte der Versicherten in der 2. Säule einsetzt – schaffe falsche Anreize, es verleite die Broker dazu, jene Pensionskasse anzubieten, die am meisten Provisionen zahlt, und nicht die, welche für die Versicherten die beste wäre. Damit werde das System der beruflichen Vorsorge ausgehöhlt. «Jährlich werden über 300 Millionen an Broker- und Makler gezahlt», sagt Roger Baumann, Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen. Diese hohen Provisionen treiben die Verwaltungskosten der Pensionskassen in die Höhe und schmälern empfindlich die Altersrenten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

(«Kassensturz», Schweizer Fernsehen SRF1, 5. März 2019)

Wer ist eigentlich auf die verrückte Idee gekommen, die Altersvorsorge in eine erste, zweite und dritte Säule aufzuspalten? Und auf die noch viel verrücktere Idee, dies alles – zumindest bei der zweiten und dritten Säule – dem freien Wettbewerb und der gegenseitigen Konkurrenzierung verschiedener Anbieter zu überlassen? Dabei wäre es doch so einfach: Man führt zunächst einen Einheitslohn ein. Für die Altersvorsorge ist sodann eine einzige staatliche Säule – entsprechend der heutigen AHV – zuständig. Die Rente entspricht dem Einheitslohn. Was an Verwaltungs-, Lohn- und Werbekosten Dutzender privater Anbieter heute noch verschwendet wird, käme vollumfänglich den Rentenbezügern und -bezügerinnen zugute.

Noch nicht geboren, aber bereits 115’000 Follower

Auf Instagram hat Halston Blake Fisher über 115’000 Follower. Die Kleine ist eine sogenannte Kidfluencerin, nur weiss sie es noch gar nicht. Denn Halston ist noch nicht einmal geboren. Sie soll noch in der ersten März-Woche zur Welt kommen, doch ihre Eltern sorgen schon im Voraus dafür, dass ihr Baby ein Medienstar wird. Vater Kyler und Mutter Madison Fisher haben Erfahrung mit Social Media. Ihre zwei Jahre alten Zwillingstöchter Taytum und Oakley haben 2,5 Millionen Insta-Follower  und verdienen mit gesponserten Posts zwischen 10’000 und 20’000 Dollar. Taytum und Oakley posieren regelmässig für Kinderkleider, Spielzeug oder Autositze. Den Youtube-Kanal der Familie haben über drei Millionen Personen abonniert. «Meine Kinder machen das Paket perfekt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so weit gekommen wären, wenn wir die Mädchen nicht hätten», sagt Papa Kyler. Die Eltern sorgen für die Likes, die Marken für das Geld: Die Spielzeugfirma Melissa & Doug hat vor einiger Zeit zahlreiche Familien mit Insta-Accounts per E-Mail angeschrieben. Sie bot Geld und kostenloses Spielzeug für die Posts ihrer Kinder, auf denen zu sehen ist, «wie sie Spass mit den Spielsachen haben». Für einen Post bot das Unternehmen 10 Dollar pro 1000 Follower…. Vorbild aller Kidfluencer ist der siebenjährige Youtuber Ryan, der mit seiner Show «Ryan Toys Review» laut der Wirtschaftszeitschrift «Forbes» 22 Millionen Dollar pro Jahr verdient.

(www.20minuten.ch)

Die schrankenlose Ausdehnung des Kapitalismus, die nicht einmal mehr vor den unvorstellbarsten Absurditäten Halt macht…

2,5 Millionen Küken bei lebendigem Leib geschreddert

Pro Jahr werden in der Schweiz 2,5 Millionen Küken bei lebendigem Leib geschreddert, weil sie das «falsche» Geschlecht haben. Dabei kommt es oft vor, dass Tiere überleben – beispielsweise mit abgeschnittenen Füssen. Nun soll das Schreddern lebender Küken in der Schweiz verboten werden. Der Bundesrat stimmt einer entsprechenden Forderung der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK) zu.

(www.blick.ch)

So etwas Verrücktes wie das Schreddern lebendiger Küken kann nur dem Kapitalismus in den Sinn kommen. Wenn nun auch das Schreddern lebendiger Küken künftig nicht mehr erlaubt sein soll, dann hat der Kapitalismus immer noch genug Schlupflöcher, wo er sich austoben kann – man denke nur etwa an die Tierversuche, denen ebenfalls jedes Jahr eine halbe Million Tiere geopfert werden. Es liessen sich zahllose weitere Beispiele aufzählen. Dies zeigt: Der Kapitalismus ist ein Raubtier, das sich nicht zähmen lässt, wenn man ihm die schlimmsten Zähne ausreisst – die Zähne wachsen nach und suchen sich neue Beute. Es braucht eine von Grund auf neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der ein Tierleben und ein Pflanzenleben ebenso viel wert sind wie ein Menschenleben.

Dringend: Stimmrechtalter Null

In der Schweizer Politik vertieft sich der Graben zwischen Jung und Alt. Die Rentner verlieren derzeit kaum eine Abstimmung, während sich die Jungen bei gewissen Fragen nur schwer durchsetzen können. Dies zeigen die Vox- und Voto-Analysen zu den Urnengängen der jetzigen Legislatur. Demnach hat die Gruppe der über 60Jährigen nur einmal den Kürzeren gezogen, beim Nein zur Abschaffung der Heiratsstrafe. Die Jungen wurden demgegenüber bei jedem fünften Urnengang in die Minderheit versetzt. Sie hätten etwa die letzte AHV-Reform, den fixen Atomausstieg und die Initiative für eine grüne Wirtschaft angenommen. Umgekehrt wehrten sie sich erfolglos gegen Sozialdetektive und neue Überwachungsmittel für den Nachrichtendienst.

(NZZ am Sonntag, 24. Februar 2019)

Niemanden scheint es zu interessieren, ob der 85Jährige, der seinen Stimmausweis ausfüllt, noch in vollem Besitz seiner geistigen Kräfte ist und ob er die Vorlage, über die er abstimmt, wirklich verstanden hat oder ob er bloss von seinem Sohn oder seiner Tochter dazu gedrängt wurde, so oder anders abzustimmen. Wenn aber jemand auf die Idee kommt, das Stimmrechtsalter auf 16, 14 oder gar auf Null herabzusetzen, dann ertönen von allen Seiten kritische Stimmen: Unter 18 Jahren sei doch niemand reif, sich eine glaubwürdige eigene Meinung zu bilden, und viel zu stark wäre das Abstimmungsverhalten eines 14- oder 16Jährigen von seinen Eltern, älteren Geschwistern oder anderen Erwachsenen beeinflusst. Führen wir uns die gegenwärtige Klimastreikbewegung, die ausschliesslich von Jugendlichen initiiert wurde, vor Augen, kommen wir zu einem gänzlich anderen Bild: Sehr wohl sind Kinder und Jugendliche in der Lage, sich mit politischen Fragen ernsthaft auseinanderzusetzen. Vor allem aber sind sie es, die Entscheidungen, welche heute getroffen werden, noch am längsten ausfressen müssen, zu einem Zeitpunkt noch, wenn die Älteren, die heute abstimmen, längst schon gestorben sind. Wenn ich mir die kleine Samira, die jetzt fünfeinhalb Jahre alt ist, vorstelle, dann kann man mit ihr schon ganz vernünftig über gewisse «politische» Themen sprechen, es gibt Abstimmungen, bei denen sie schon eine ganz klare Meinung hätte. Weshalb sollte sie ihre kindliche Stimme nicht abgeben dürfen? Sie müsste ja nicht zu allen Abstimmungen Stellung nehmen, das tun Erwachsene übrigens auch nicht. Freilich setzt das voraus, dass Eltern ihre Kinder nicht einseitig beeinflussen, sondern möglichst objektiv über die Vor- und Nachteile der betreffenden Sachvorlage informieren. Das soll nicht möglich sein? Dann muss man es eben möglich machen, zum Beispiel durch spezifische Elternkurse zum Thema «Demokratie in der Familie und Demokratie in der Gesellschaft». Das Gleiche gilt für die Schule: Es wäre die Kunst der Lehrkräfte, die Kinder in einfachen Worten über den Inhalt einer Abstimmungsvorlage aufzuklären, ohne ihnen dabei die eigene Meinung aufzudrängen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, aber unerlässliche Voraussetzung einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft, welche keine Diskriminierungen kennt, weder nach Hautfarbe, nach sozialem Status, nach Religion, noch nach Alter.

Load Controller: Zehn Stunden Arbeit ohne Pause – und das mitten in der Schweiz

Load Controller bestücken Flugzeuge mit Ladung – am Flughafen Zürich bis zu zehn Stunden ohne Pause. Sie sind verantwortlich dafür, dass die Flugzeuge gleichmässig beladen werden und nicht in Schieflage geraten können, was leicht einen Absturz zur Folge haben könnte. Arbeitgeber ist die zur Emirates-Gruppe gehörende Dnata Switzerland. Sie ist am Zürcher Flughafen für die Bodenabfertigung zuständig – neben Swissport und AAS. Dnata hat keinen guten Ruf. «Sie fällt immer wieder negativ auf: Tieflöhne, schlechte Sozialleistungen und zu lange Arbeitszeiten », sagt Stefan Brülisauer von der Gewerkschaft VPOD. Und was sagt das zuständige Arbeitsinspektorat? «Die Pausenregelungen des Arbeitsgesetzes gelten grundsätzlich auch für Arbeitnehmende, die an einem Flughafen tätig sind. Wir haben uns deshalb bei der Firma bereits gemeldet», sagt Arbeitsinspektor Thomas Zollinger. «Selbstverständlich kann die Sicherheit gefährdet sein, wenn die Load Controller übermüdet und unkonzentriert sind», sagt auch der Luftfahrtexperte Hansjörg Egger. «Das müsste das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) dringend kontrollieren.» Dort sieht man das anders: Fehlende Pausen oder Überstunden zum Nulltarif seien in erster Linie ein Thema arbeitsrechtlicher Natur, und das Bazl sei nicht (primär) dafür zuständig. Die Abfertiger würden zwar regelmässig inspiziert, es werde auch darauf geachtet, dass keine Doppelschichten gearbeitet werden. Eine Kontrolle der geleisteten Arbeitszeiten gebe es aber nicht. «Grundsätzlich sind die Airlines und die Piloten dafür verantwortlich, dass die Flugzeuge ordnungsgemäss und sicher geladen werden.»

(www.beobachter.ch)

 

Schöne neue – globalisierte – Welt. Da spielen sich alle Mechanismen des Kapitalismus in seiner Endform gegenseitig in die Hände. Erstens: «Dnata Switzerland», der Name erweckt den Anschein eines Schweizer Unternehmes, ist in Tat und Wahrheit ein Ableger der «Emirates»; Menschen, die in der Schweiz arbeiten, sind also Arbeitsbedingungen unterworfen, die irgendwo in einem arabischen Golfstaat definiert werden. Zweitens: Es gibt nicht nur einen einzigen Beladungsdienst, sondern gleich drei, neben «Dnata Switzerland» noch Swissport und ASA. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass diese drei Firmen in einem permanenten gegenseitigen Konkurrenzkampf um Kosten und Effizienz stehen, ein Konkurrenzkampf, der wie immer auf dem Buckel der Arbeitenden ausgetragen wird. Drittens: Das zuständige Bundesamt für Zivilluftfahrt erklärt sich ausserstande, zu diesen Missständen Stellung zu nehmen und jeder schiebt die Verantwortung auf den anderen ab. 

In Windeln zur Arbeit

In den Schlachtbetrieben in den USA arbeiten oft Immigranten, die kaum Englisch sprechen und einfach nur glücklich sind, einen Job zu haben. Eine sehr leicht ausbeutbare Gruppe. Einige Betriebe verbieten den Schlachtarbeitern, während der Schichten die Toiletten zu benutzen. Die Arbeiter sind also gezwungen, in Windeln zum Dienst zu kommen. 

(Elizabeth Anderson, www.zeit.de)

Wie heisst es so schön in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: «Jeder hat das Recht darauf, nach Glück zu streben.»

China: Jagd auf die Armen als Volkssport

China betritt mit einem Schuldenpranger über das Smartphone neue Dimensionen: Eine App zeigt auf einer Karte Menschen mit ausstehenden Schulden an. Die Handy-Nutzer werden zum Spitzeln aufgefordert. Die App, die das Provinzgericht der nordchinesischen Provinz Hebei vorstellte, zeigt auf einer Karte an, wo sich im Umkreis von 500 Metern Menschen mit ausstehenden Schulden befinden. Gemäss der Zeitung «Chinadaily» wurden die Smartphone-Nutzer dazu aufgefordert, sich als Spitzel zu betätigen. Der Pranger soll dem Staat helfen, verschuldete Personen anzuzeigen, die eigentlich Geld hätten. Die Bürgerspitzel sind aufgefordert, eine Meldung zu machen, wenn ein Schuldner etwa teure Möbel anschafft oder luxuriös essen geht. Damit das «Verpfeifen» einfacher sei, könnten Informationen über die Schuldner auf der App eingesehen werden, schreibt die Zeitung weiter. «Diese App ist als eine unserer Massnahmen zu sehen, um ein sozial glaubwürdiges Umfeld zu schaffen», lässt sich ein Sprecher des Provinzgerichts zitieren. Der chinesische Überwachungsstaat machte bereits letztes Jahr mit Schuldenprangern Schlagzeilen. Die Provinz Anhui forderte etwa dazu auf, Fotos von Schuldnern ins Internet zu stellen.

Jede kapitalistische Gesellschaft – ob in der Schweiz oder in China – produziert Arme und Reiche, Verlierer und Gewinner. Fragt man sich, woher der Reichtum der Reichen kommt, dann gelangt man, auf welchem Weg auch immer, zum gleichen Schluss: Das Geld der Reichen ist gestohlenes Geld. In einer gerechten Gesellschaft wären nämlich alle Menschen gleich reich bzw. gleich arm. Wenn nun ein Teil der Gesellschaft reicher ist als der Durchschnitt, dann ist diese Differenz schlicht und einfach das, was auf der anderen, der ärmeren Seite des Durchschnitts fehlt. Zur Rechtfertigung ihres überdurchschnittlichen Reichtums ist den Reichen jede noch so weit hergeholte Lüge recht: Zum Beispiel, vier-, fünf- oder zehnfach höhere Löhne als der Durchschnittslohn seien durch «längere Ausbildung», «höhere Qualifikation» oder «grössere Verantwortung» zu rechtfertigen. Oder, geerbtes Geld sei genau so legitim wie durch Arbeit erwirtschaftetes Geld. Oder: Zinsen auf Kapital, Aktien oder Obligationen sei etwas Gottgegebenes. Tatsächlich also sässen die Reichen auf der Anklagebank. Um Gerechtigkeit zu schaffen, müssten sie alles Geld, das über dem durchschnittlichen Einkommen und Vermögen liegt, der Gesellschaft bzw. den Ärmeren zurückgeben. Die kapitalistische Gesellschaft aber verkehrt alles ins Gegenteil: Beobachtet, verfolgt, registriert, gejagt, angeklagt werden nicht die Reichen, sondern die Armen. Das ist nichts weniger als eine Form von Krieg. Krieg der Reichen gegen die Armen. Krieg der Ausbeuter gegen die Ausgebeuteten. Diese werden gleich dreifach bestraft und gedemütigt: Zuerst, indem man ihnen unterdurchschnittlich tiefe Löhne zahlt, obwohl sie zum aller grössten Teil schwerste und verantwortungsvollste Arbeit leisten. Zweitens, indem sie folglich kein Vermögen bilden, kaum erben und nirgends Geld gewinnbringend anlegen können. Drittens, indem sie zu potenziellen Betrügern gestempelt und durch Behörden und Gesellschaft beobachtet, verfolgt und gejagt werden. In China wird das mittlerweile auf die Spitze getrieben. Aber wer verspricht, das Beispiel Chinas könnte nicht bald schon weltweit Schule machen? Mit der Zulassung von Sozialdetektiven ist ja auch die Schweiz schon auf dem besten Wege dazu…

Jeder Nachbar oder Mitpassagier kann sich in der chinesischen Provinz Hebei als Spitzel betätigen.

Der Messenger-Dienst WeChat ist die meistgenutzte Handy-App Chinas.

Die Bevölkerung in China ist aufgefordert, dem Staat beim Schuldenpranger mitzuhelfen.

Auf dem der Smartphone-App werden Schuldner im Umkreis von 500 Metern angezeigt.

Esslieferdienste: Der halsbrecherische Wettbewerb um die Kundschaft

Wachstum steht über allem bei den Lieferdiensten, die den Konsumenten zu mehr Take-away verführen wollen und sich gegenseitig einen halsbrecherischen Wettbewerb liefern. Die Kosten lassen sich umso besser amortisieren, je mehr Kunden man hat. Es wird deshalb enorm viel Geld in Marketing und Vertrieb gesteckt – in der Hoffnung, dass das Ganze später einmal Gewinne abwirft. Dieses Vorgehen lässt sich gut bei der in Berlin ansässigen Firma Delivery Hero beobachten. Bei einem erwarteten Umsatz von 1,1 Mrd. € wird 2019 ein Betriebsverlust von rund 300 Mio. € erwartet. Zu jedem Euro Umsatz macht Delivery Hero somit mehr als 25 Cent Verlust. Die Idee ist, dass dafür der Umsatz ab 2020 jedes Jahr um 80 Mio. € höher liegt als ohne diese Ausgaben. Derzeit beruht vieles auf dem Prinzip Hoffnung…

(www.nzz.ch)

 

Halsbrecherischer Wettbewerb. Mörderischer Preiskampf. Alle gegen alle. Fressen und gefressen werden. Verluste in Kauf nehmen, um später einmal Gewinne schreiben zu können. Hoffen, dass die Konkurrenten nicht mithalten können und irgendwann aufgeben. Esslieferdienste, Wo wir auch hinblicken in die kapitalistische Wirtschaft, überall das gleiche gnadenlose Konkurrenzprinzip, der Kampf aller gegen alle. Entweder man zerstört die anderen oder man zerstört sich selber. Wie lange kann das noch gutgehen?