Archiv des Autors: Peter Sutter

Lockerung der Coronamassnahmen: Nicht alles ist logisch

Der Bundesrat gab heute den Fahrplan für die schrittweise Lockerung der Coronamassnahmen bekannt. Doch warum gehören ausgerechnet Einrichtungen mit direktem Körperkontakt wie Coiffeursalons und Tattoo-Studios zu den Profiteuren der ersten Lockerungsetappe am 27. April? Warum werden Baumärkte und Gartencenter geöffnet, während kleinere Läden bis am 11. Mai geschlossen bleiben sollen? Besonders bitter ist der Lockerungs-Fahrplan für die Gastronomie. Vor dem 11. Juni wird es kaum zu einer Wiedereröffnung von Bars und Restaurants kommen. Ein brutaler Schlag ins Gesicht abertausender Beizer und Restaurantangestellter. Die Branche operiert mit sehr knappen Margen, viele betreiben Selbstausbeutung. Nun sind auf absehbare Zeit keine nennenswerten Umsätze in Sicht, während sie bei den Mieten höchstens auf eine Fristerstreckung hoffen dürfen. Wie so die befürchtete Pleitewelle verhindert werden kann, weiss wohl nicht einmal der Bundesrat.

(www.watson.ch)

Man kann dem Bundesrat in Sachen Corona wohl kaum vorwerfen, er hätte bisher nicht mit Umsicht und Augenmass agiert. Die heute bekanntgegebenen Lockerungsmassnahmen sind indessen mindestens teilweise nur schwer nachvollziehbar. Gibt es irgendeinen triftigen Grund dafür, dass nur grosse Geschäfte, Gartencenter und Baumärkte ihren Betrieb wieder aufnehmen dürfen, nicht aber kleinere Geschäfte? Während Apotheken, Bäckereien und Metzgereien unabhängig von ihrer Grösse nach wie vor geöffnet sind, sollen Kleiderläden, Buchläden und Papeterien bis am 11. Mai geschlossen bleiben – wo ist da die Logik? Erst recht zu denken gibt die Tatsache, dass Bars und Restaurants frühestens am 11. Juni, wenn überhaupt, ihren Betrieb wieder aufnehmen dürfen. Und dies, obwohl zahllose Gastrobetriebe umfassende Sicherheitskonzepte – Hygienemassnahmen, Tisch- und Sitzordnungen mit erforderlichem Sicherheitsabstand, usw. – vorgelegt haben, Sicherheitskonzepte, von denen so mancher Bauarbeiter, so manche Detailhandelsangestellte, so manche Pflegefachfrau nicht einmal zu träumen wagen. Die stets wiederholte Beteuerung des Bundesrats, sämtliche Sicherheitsmassnahmen würden nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, sondern stets nur gemeinsam mit ihr umgesetzt, hat heute einen unverkennbaren Kratzer erhalten. Man hätte zumindest all jenen Restaurants, die ein glaubwürdiges Sicherheitskonzept vorgelegt haben, die raschestmögliche Wiederaufnahme ihres Betriebs erlauben sollen, nicht zuletzt auch als Beitrag zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden der Bevölkerung.

Selbständigerwerbende und Kleinunternehmen: Existenzielle Bedrohung als Folge des kapitalistischen Wirtschaftssystems

Dass so viele Kleinunternehmen und Selbständigerwerbende durch die Coronakrise existenziell bedroht sind, ist nicht zuletzt eine ganz logische Folge des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Dieses zwingt nämlich die Betriebe einer jeweiligen Branche in einen permanenten gegenseitigen Wettkampf, in dem pausenlos messerscharf kalkuliert werden muss und das Anlegen von Reserven gar nicht möglich ist. Eine höchst riskante, fahrlässige und gefährliche Angelegenheit, die, wie wir heute erleben, schon beim ersten kleinen Windhauch zum Einsturz gelangen kann. Bleibt zu hoffen, dass die entsprechenden Lehren gezogen werden und sich die einzelnen Betriebe zukünftig nicht mehr nur als gegenseitige Konkurrenten definieren, sondern als einzelne Teile einer insgesamt solidarischen Gemeinschaft, in der zum Beispiel das Anlegen von Reserven für Krisenzeiten nicht mehr etwas Aussergewöhnliches ist, sondern vielmehr die allgemein gültige Regel.

Jetzt, wo die Polizei Seepromenaden, Spielplätze und Wandergebiete kontrolliert hat, könnte sie doch auch mal Baustellen, Fabrikhallen und Werkstätten kontrollieren

Zwei Meter, sagt D.H., sind die Gänge auf Baustellen in der Regel nicht breit, da könne man sich auf den Kopf stellen, “der nötige Sicherheitsabstand ist hier schlicht eine Illusion.” Doch mit seinen 64 Jahren und Vorerkrankungen, als Vorarbeiter seit sechs Jahren im gleichen Betrieb tätig, ist D.H. kein perfekter Kandidat fürs Homeoffice. Ähnlich wie D.H. geht es auch M.I. Er hat seinem Arbeitgeber ein ärztliches Attest vorgelegt, das seine Vorerkrankungen bestätigt, Lungenprobleme, Asthma. Doch das Unternehmen bescheinigt ihm schriftlich, dass er in einer Woche wieder auf der Matte stehen müsse und keine zweite Krankschreibung akzeptiert würde. Das Unternehmen hat ihm mit der Kündigung gedroht, sollte er der Arbeit fernbleiben.

(W&O, 14. April 2020)

Die Polizei war übers Osterwochenende an Seepromenaden, auf Sportplätzen und in Wandergebieten überaus präsent – um darüber zu wachen, dass die Menschen überall den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand einhalten. Weshalb sehen wir die Polizei jetzt, wo die Arbeitswoche wieder begonnen hat, nie in einer Fabrikhalle, einer Werkstatt oder auf einer Baustelle, wo es ebenfalls und sogar noch weitaus dramatischer um den Sicherheitsabstand und um die Gesundheit besonders gefährdeter Personen geht? Ist das der Unterschied zwischen dem öffentlichen Raum und jenem privatwirtschaftlichen Raum, in dem allein die Arbeitgeber das Sagen haben und die öffentliche Hand nichts zu suchen hat?

Ostersonntag und der vorauseilende Gehorsam allzu eifriger Staatsdiener

Ostersonntag bei herrlichem Wetter. Der Parkplatz in Wasserauen auf dem Alpstein ist gut gefüllt. Wandervolk schwärmt nach allen Seiten aus. Dies sehr zum Missfallen der Polizei: “Mit dem Karfreitag und dem Karsamstag bin ich sehr zufrieden”, so Roland Koster, Mediensprecher der Kantonspolizei AI, “aber mit dem heutigen Ostersonntag bin ich nicht zufrieden, die Leute haben sich leider nicht an den Aufruf des Bundesrates gehalten, zuhause zu bleiben. Wir stellen auch fest, dass das jetzt nicht die üblichen Wanderer sind, die auch sonst den Alpstein besuchen. Das sind Leute, die sich sonst eher an einem Fluss oder im Flachland bewegen. Und auch das Schuhwerk deutet darauf hin, dass dies nicht die typischen Wanderer sind.” Allerdings, so räumt Koster ein, seien die Abstandsregeln vollumfänglich eingehalten worden und es hätte keine einzige Busse ausgesprochen werden müssen.

(Tagesschau, Schweizer Fernsehen SRF1, 12. April 2020)

Habe ich etwas falsch verstanden? Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, dass, solange die Abstandsregeln eingehalten werden, Spazieren, Joggen und Wandern im Freien nicht verboten sind. Wäre das alles wirklich verboten, dann hätte ja der Bundesrat irgendwann eine Ausgangssperre verhängen müssen. Hat er aber nicht. Der Nutzen einer solchen Ausgangssperre wäre auch gar nicht einzusehen, dient doch die Bewegung im Freien nicht nur der Gesundheit und dem psychischen Wohlbefinden, sondern vor allem auch der Stärkung des Immunsystems. Was also führt den Mediensprecher der Kantonspolizei AI zur Aussage, er sei mit dem Verhalten der Wandersleute “nicht zufrieden”, obwohl sich alle an die Abstandsregeln hielten und keine einzige Busse ausgesprochen werden musste? Und wie kommt er auf die Idee, diese Wandersleute aufgrund ihres Schuhwerks als “nicht echte” Wanderer zu bezeichnen, sondern als Leute, die sich üblicherweise eher “im Flachland” oder “an Flüssen” aufhalten? Koster scheint zu jenem – offensichtlich wachsendem – Teil der Bevölkerung zu gehören, die sich darin gefallen, andere zu diffamieren, zu denunzieren oder, im Extremfall, sogar zu kriminalisieren. Wie jener ältere Passant, der eine vorbeilaufende Joggerin mit wüstesten Beschimpfungen eindeckte. Oder wie jene Gruppe von Jugendlichen, die sich einem älteren Ehepaar in den Weg stellten und ihnen damit drohte, sie bei der Polizei anzuzeigen. Oder wie jene zahlreichen Leser und Leserinnen der Gratiszeitung “20 Minuten”, die “fehlbare” Mitbürgerinnen und Mitbürger aufspüren und dann die entsprechenden Fotos und Videoaufnahmen der Redaktion zuschicken. Unglaublich, wie rasch eine freiheitlich-demokratische Ordnung angesichts einer äusseren Bedrohung in etwas umzukippen droht, was man schon eher als Anfänge einer Diktatur bezeichnen müsste – blinder vorauseilender Gehorsam gegenüber dem Staat, Bespitzelungen, Denunziantentum, Verfolgung und Ächtung Andersdenkender…

Frankreich und die Coronakrise: Krieg gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger?

Kein Sport mehr an der frischen Luft zwischen 10 und 19 Uhr: In Frankreich werden die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus weiter verschärft. Bereits vor drei Wochen hatte Paris alle Parks und Grünflächen geschlossen und Sportlerinnen und Sportler auf die Fussgängerwege gedrängt. Ausserdem sind Spaziergänge und Sport im ganzen Land nur noch im Radius von einem Kilometer zur Wohnung und eine Stunde am Tag erlaubt. Die Polizei geht rigoros gegen Zuwiderhandelnde vor: Eine Frau, die sich ihre Zeit mit Seilhüpfen vertreibt, wird sogleich von zwei Polizisten in Beschlag genommen: Ausweiskontrolle, Busse, Platzverweis. Nicht besser geht es einer Joggerin: Blitzschnell hat sie zwei Polizisten an den Fersen, die sie festhalten und, da sie sich dagegen zu wehren versucht, zu Boden reissen.

(www.tagesschau.de)

Ginge es wirklich nur um die Gesundheit der Menschen und den Kampf gegen das Corona-Virus, dann würde man wohl niemandem verbieten, im Freien Sport zu treiben. Frische Luft und körperliche Betätigung können sich auf die Gesundheit und die Stärkung des Immunsystems – auch gegen das Coronavirus – nur positiv auswirken. Man würde auch auf keinen Fall den öffentlichen Raum immer mehr einengen und die Menschen auf immer kleinere Flächen zusammendrängen, denn genau dies führt logischerweise dazu, dass es viel schwieriger wird, einen gegenseitigen Abstand von zwei Metern einzuhalten. Und man würde auch ganz sicher nicht Polizisten auf Seilhüpferinnen und Joggerinnen loslassen, nicht nur weil das Seilspringen und das Joggen so gesund sind, sondern vor allem auch deshalb, weil die Polizisten bei ihren Festhalteaktionen das Wichtigste, nämlich den Abstand von zwei Metern, sträflich missachten. Droht der “Krieg”, den Frankreich laut Emanuel Macron gegen das Coronavirus führt, zum Krieg gegen die eigenen Bürger und Bürgerinnen zu werden?

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Coronakrise: Kritische Stimmen ernst nehmen

“Ich bin der Meinung, dass man sich vielleicht nicht so sehr dagegen wehren sollte, dass junge Menschen zusammen feiern und sich gegenseitig anstecken. Wir müssen irgendwie eine Immunität aufbauen. Wie kann dies ohne Kontakte möglich sein? Ist es vernünftig, was wir jetzt tun, die Epidemie so in die Länge zu ziehen, dass sie fast die gesamte Weltwirtschaft lähmt?”

(Prof. Karin Mölling, deutsche Virologin, www.zeitpunkt.ch)

Ein Denkansatz, der auf den ersten Blick nur Kopfschütteln hervorrufen mag, bei näherem Hinsehen jedoch durchaus plausibel erscheint. Denn tatsächlich: Wie soll sich Immunität bilden, wenn man keine Kontakte und damit auch keine Ansteckungsmöglichkeiten mehr hat? Doch kritische Stimmen wie jene von Karin Mölling, Quer-und Andersdenkende haben heute einen immer schwereren Stand. Es hat sich, von Land zu Land, so etwas wie eine Kriegsfront gebildet, in der die ewig gleichen Durchhalteparolen gepredigt werden und jeder, der eine abweichende Meinung vertritt, schon fast als Ketzer oder Landesverräter angesehen wird. Kritische Stimmen unter den Medizinern, Virologen und Epidemiologien, die es zuhauf gibt, werden einfach stillschweigend übergangen, die Bühne gehört einigen wenigen Pandemiestars, denen man schon fast hörig zu Füssen liegt. Doch auch in Krisenzeiten dürfen die kritische Meinungsbildung, das Übermitteln kontroverser Meinungen und der kreative Geist, der den Blick für andere Sichtweisen öffnen mag, nicht willkürlich ausgehebelt werden. Die Angst vor dem Virus darf nicht dazu führen, dass wir die Demokratie und das kritische, freie Denken aufs Eis legen.

Auch die in der Lebensmittelversorgung Tätigen sind Heldinnen und Helden des Alltags

Bei allem Respekt gegenüber den Ärzten, den Krankenpflegerinnen und allen weiteren im Gesundheitswesen Tätigen: Nur zu leicht geht vergessen, dass nicht nur sie “systemrelevante” Tätigkeiten verrichten. Ebenso “systemrelevant” ist die Tätigkeit all jener, die dafür sorgen, dass wir täglich auf unserem Mittagstisch, als wäre nichts geschehen, volle Teller haben, von den Landwirten, Gemüseproduzenten, Bäckern, Erntehelfern über die in der Nahrungsmittelindustrie tätigen Arbeiter und Arbeiterinnen bis zu jenen namenlosen Millionen, die an allen Ecken und Enden der Welt Bananen und Kaffeebohnen pflücken, Futtergetreide für unsere Kühe, Schweine und Hühner produzieren oder dafür besorgt sind, dass die produzierten Waren über tausende Kilometer hinweg auch sicher an ihr Ziel gelangen und unsere Supermärkte auch in noch so schwierigen Zeiten immer schön gefüllt bleiben. Das Personal in den Spitälern könnte noch so aufopferungsvoll arbeiten – wenn wir nicht genug zu essen hätten, wäre all ihre Mühe vergebens gewesen. Wenn von “Heldinnen” und “Helden” des Alltags die Rede ist, dann gehören deshalb die Arbeiterinnen und Arbeiter, welche für die Lebensmittelversorgung zuständig sind, definitiv dazu. Und sie hätten sogar noch viel mehr verdient als Lob, Dankbarkeit oder Applaus. Sie hätten nämlich jene Diskussion verdient, die eigentlich schon längst fällig gewesen wäre, nun aber, in dieser ganz besonderen Zeit, ganz besondere Aktualität erlangt hat, die Diskussion nämlich, ob nicht jene Berufstätigen, auf deren Schultern die ganze übrige Gesellschaft lastet und die bisher trotzdem weit unterdurchschnittlich entlohnt gewesen sind, logischerweise mindestens so viel oder vielleicht sogar noch mehr verdienen müssten als all jene, die zum Beispiel in einem klimatisierten Büro oder Konferenzzimmer sitzen können und sich nicht mehr um so “banale” Dinge wie das Saubermachen von Böden, das Ernten von Kartoffeln oder das Reparieren von Abwasserschächten kümmern müssen…

Coronakrise: Und was ist mit den 702 Milliarden Franken in den Taschen der Reichsten?

20 Milliarden Franken stellt der Bund für Überbrückungskredite während der Coronakrise zur Verfügung. Gleichzeitig besitzen die 300 reichsten Schweizerinnen und Schweizer ein Gesamtvermögen von sage und schreibe 702 Milliarden Franken (kein Aprilscherz!). Weshalb ist eigentlich noch niemand auf die Idee gekommen, im Zuge der Coronakrise auch mal an die Türen der Reichen und Reichsten anzuklopfen? Schliesslich ist das Geld, das sie besitzen, nicht eines Tages vom Himmel gefallen, sondern musste hart erarbeitet werden von zahllosen Menschen, die für ihren unermüdlichen Einsatz weniger Geld bekommen haben, als sie aufgrund ihrer Leistung eigentlich verdient hätten, Menschen, die sowohl in den guten Zeiten wie auch jetzt wieder, in den schlechten Zeiten, umso mehr auf der Verliererseite stehen.

Ist die Kur, mit der man das Übel zu bekämpfen versucht, gar schlimmer als das Übel selber?

Warum sind Lebensmittelgeschäfte offen, Blumen- und Buchläden, Modegeschäfte, Papeterien und Spielwarenläden aber nicht? Weshalb sollen Spaziergänger, egal ob sie zu einer Risikogruppe gehören oder nicht, stets einen gegenseitigen Abstand von zwei Metern einhalten, während gleichzeitig Berufsleute, selbst wenn sie einer Risikogruppe angehören, gezwungen werden, ihre berufliche Tätigkeit zu verrichten, auch wenn sie, wie zum Beispiel auf Baustellen oder in der Nahrungsmittelproduktion, unmöglich den Mindestabstand von zwei Metern einhalten können? Wäre es nicht viel einfacher, allen über 65Jährigen sowie allen Angehörigen einer Risikogruppe zu empfehlen, sich ausschliesslich zu Hause aufzuhalten und höchstens für einen Spaziergang nach draussen zu gehen? Dann könnte man nämlich die ganze Wirtschaft, die Arbeitswelt, die Schulen, die Kinos, die Theater, die Restaurants und die Hotels wieder öffnen und das Leben hätte wieder seinen gewohnten Gang. Natürlich würden sich dann zahlreiche Menschen mit dem Virus infizieren, aber weil das ja bloss die unter 65Jährigen sowie die Risikofreien wären, käme es kaum zu ernsthaften gesundheitlichen Folgen. Sind die bisher getroffenen Massnahmen, die beinahe jegliches soziales und wirtschaftliches Leben zu ersticken drohen, nicht bloss aus grosser Unsicherheit und einem übertriebenen Aktivismus entstanden? Ist die Kur, mit der man das Übel zu bekämpfen versucht, gar schlimmer als das Übel selber?

Coronakrise: Was man darf und was nicht, ist nicht immer wissenschaftlich begründet

Bleiben Sie zuhause! So die allgemeine Empfehlung des schweizerischen Bundesamts für Gesundheit. Nach draussen dürfe man nur noch zur Arbeit, zum Einkaufen von Lebensmitteln, für einen Arztbesuch oder, wenn man jemandem helfen müsse. Spazierengehen und sportliche Betätigung im Freien sind nicht erwähnt. Auch Daniel Koch, Sprecher des BAG, sieht die Senioren und Seniorinnen lieber auf dem Balkon ihrer Wohnung als auf der Strasse, auf einem Spazierweg oder im Wald.

Das verstehe ich nicht. Nichts tut dem persönlichen Wohlbefinden, aber auch der Gesundheit und der Stärkung des Immunsystems so gut wie körperliche Bewegung im Freien und an der Sonne. Was die Gefahr einer Ansteckung betrifft, so liegt diese bei null, wenn man stets einen Abstand von zwei Metern zu anderen Personen einhält. Die halbherzige, inoffizielle Erlaubnis für Bewegung im Freien – die im schlimmsten Fall schon bald einer generellen Ausgangssperre zum Opfer fallen könnte – verunsichert viele Menschen und erscheint eher ein Ausdruck von Gängelei als von wissenschaftlichen Argumenten zu sein. Ich wünschte mir, dass die zuständigen Behörden die Bewegungsfreiheit im Freien nicht nur stillschweigend tolerieren, sondern im Gegenteil als Beitrag zu Gesundheit und Wohlbefinden aktiv propagieren.