Archiv des Autors: Peter Sutter

SRF: Zuerst Aeschbacher. Dann Schawinski. Und jetzt auch noch Karpiczenko.

Eine einzige Satiresendung leistet sich das SRF im Fernsehen noch – und jetzt verliert auch die ihren Headwriter und Sidekick. Weil SRF “substantielle Kürzungen” plant, tritt Patrick Karpiczenko alias Karpi bei “SRF Deville” ab. SRF habe dem Team bereits das Büro gestrichen und wolle nun Kürzungen im “zweistelligen Prozentbereich” des Budgets umsetzen.

(Tages-Anzeiger, 19. Mai 2020)

Zuerst Aeschbacher. Dann Schawinski. Und jetzt auch noch Karpiczenko. Was geht hier eigentlich ab? Wird hier einfach gespart, damit gespart wird? Oder gibt es sonst irgendeinen plausiblen Grund dafür? Der letzte demokratische Entscheid, auf den man sich abstützen kann, war die Abstimmung über die No-Billag-Initiative am 4. März 2018. Diese Initiative, welche eine Reduktion der jährlichen Radio- und Fernsehgebühren bezweckte, wurde mit 71,6 Prozent und von sämtlichen Kantonen abgelehnt. Das Verdikt hätte deutlicher nicht ausfallen können: Nein, wir wollen keine Gebührenreduktion. Wir sind bereit, die Gebühren im bisherigen Umfang weiter zu bezahlen. Und wir wollen, dass Radio und Fernsehen qualitativ und von ihrem Angebot her so bleiben, wie sie sind. Was hat das SRF bloss dazu angetrieben, sich dermassen über den Volkswillen hinwegzusetzen? Ist die Demokratie bloss noch ein Spielwerk, das man je nach Belieben von Fall zu Fall einfach aushebeln kann? Ist das die Art und Weise, wie man mit den Begabungen und der Kreativität von Menschen umgeht, indem man sie, solange es einem etwas bringt, aussaugt, um sie dann von einem Tag zum andern wie einen faulen Apfel fortzuwerfen? Und wäre der Stellenwert der öffentlich-rechtlichen Kultur- und Informationsvermittlung nicht gerade in der heutigen Zeit, in der die Medien immer mehr zu Oberflächlichkeit und Kurzlebigkeit tendieren, nicht doppelt und dreifach so wichtig?

Partymeilen und Anticoronademonstrationen: zweierlei Mass

Während das Partyvolk in der Innenstadt von Basel und Zürich, unbehelligt von der Polizei, dicht aneinandergedrängt feiert und auch viele Seepromenaden schon wieder dicht bevölkert sind, werden die Anticoronademonstrationen in Zürich, Bern und anderen Städten von Polizeikräften sogleich rigoros aufgelöst. Zugegeben, ich bin auch kein Sympathisant von Verschwörungstheoretikern und schon gar nicht von Rechtsextremen. Aber friedliches Demonstrieren für oder gegen etwas gehört nun mal zum Grundrecht in einer Demokratie. Und wenn die beteiligten Personen die erforderlichen Distanzregeln einhalten, dann gibt es keinen ersichtlichen Grund dafür, solche Anlässe zu verbieten bzw. aufzulösen, während man Menschenansammlungen in Partymeilen oder Einkaufsstrassen gewähren lässt. Zumal es unter den an den Anticoronademos Teilnehmenden auch viele verunsicherte, fragende, verängstigte Menschen gibt, die sich im Spannungsfeld zwischen ihren eigenen Gefühlen und den von den Behörden verordneten Massnahmen zerrissen fühlen. Sollen sie ihre Fragen, ihre Unsicherheit, ihre Ängste, ihre Zweifel nicht öffentlich machen dürfen? Soll man nicht mit ihnen sprechen? Soll man sie nicht Ernst nehmen? Ist es besser, sie zu isolieren, zu verdrängen, zu demütigen und sie in ihre Wohnzimmer zu verdrängen, wo ihnen dann gar nichts anderes übrig bleibt, als ihre Frustrationen, ihren Ärger und ihre Wut über das Internet auszulassen, hinaus ins Leere, wo es weder Antworten gibt noch einen Dialog?

Vom Pharmaunternehmen bis zur Dorfbeiz: Alles Geld in den gleichen Topf

Der Gastronomie geht es nicht erst seit der Coronakrise schlecht. Es ging ihr schon vorher nicht gut. Der Grund liegt ganz einfach darin, dass sämtliche Firmen und Unternehmen dem Prinzip der betriebswirtschaftlichen Rentabilität unterworfen sind und dabei in einem permanenten gegenseitigen Überlebenskampf stehen. In diesem Überlebenskampf aber sind die Spiesse höchst ungleich verteilt. Das geht vom Pharmaunternehmen, welches Jahr für Jahr einen so hohen Gewinn erwirtschaftet, dass es sogar einen beträchtlichen Teil davon an seine Aktionäre und Aktionärinnen auszahlen kann, bis eben zur kleinen Dorfbeiz, zum Coiffeursalon oder zum kleinen Handwerksbetrieb, der am Ende des Jahres froh sein muss, wenn er wenigstens einen kleinen bescheidenen Gewinn ausweisen kann, vielleicht aber steht er auch vor einem Schuldenberg und muss allenfalls sogar sein Geschäft aufgeben. In Pharmaunternehmen wird nicht länger, fleissiger oder besser gearbeitet als in Restaurants, Coiffeursalons oder Handwerksbetrieben, ganz im Gegenteil. Und daher ist es, gesamtgesellschaftlich, aber auch volkswirtschaftlich betrachtet, höchst ungerecht, dass die einen aus dem Vollen schöpfen und die anderen fast vor die Hunde gehen. Ändern könnte man das nur, wenn das betriebswirtschaftliche Prinzip durch das volkswirtschaftliche ersetzt wird. Sprich: Die Unternehmen liefern sich nicht mehr einen gegenseitigen Konkurrenz- und Vernichtungskampf, sondern bilden einen gemeinsamen Organismus, in dem die Kooperation an oberster Stelle steht und alles mit allem verbunden ist. Diese Verbundenheit besteht ja im Grunde schon heute, so, um nur ein Beispiel zu nennen, wenn die Dorfbeiz zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden all jener Bankangestellten beiträgt, die dort jeweils Mittag essen. Es wäre nur ein logischer Schritt, wenn alles Geld im gleichen Topf wäre und all jene Unternehmen, welche schlechtere Rahmenbedingungen haben, von jenen profitieren könnten, die bessere haben. Das wäre dann so etwas wie ein grosser Brunnen: Oben giessen alle, von der Dorfbeiz bis zum Pharmaunternehmen, so viel Wasser – sprich Geld – hinein, wie sie aus ihrem Betrieb haben herauswirtschafte können. Unten wird dann das Wasser, das herauskommt, auf alle Beteiligten gleichmässig verteilt. Man müsste dann auch keine Angst haben, dass irgendwer aus lauter Faulheit fast nichts oder gar nichts hineingiessen würde, denn je mehr man oben hineingiesst, umso mehr würde – für alle – unten wieder herauskommen. Man mag die ganze Idee als Hirngespinst abtun. Aber es ist den Menschen noch nie leichtgefallen, sich das Gegenteil des Bestehenden vorzustellen. Ich aber bin überzeugt, dass eine Wirtschaft und eine Gesellschaft nach dem volkswirtschaftlichen Prinzip um einiges besser funktionieren würde wie die heutige und die Menschen erst noch sorgenfreier, glücklicher und weniger gestresst wären.

Coronakrise: Was Schlagzeilen macht und was nicht…

“Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen. Aber die weltweiten Zerstörungen der Weltwirtschaft sorgen nach Einschätzung der UNO dafür, dass der daraus entstehende Armutsschock dieses Jahr einer Million Kinder zusätzlich das Leben kostet.”

(Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, Mitglied der Grünen)

Einen riesigen Schrei der Empörung hat diese Aussage Boris Palmers ausgelöst, quer durch alle Parteien, Medien und die Öffentlichkeit hindurch. Dass Menschen bloss aufgrund ihres Alters sozusagen zugunsten der Wirtschaft “geopfert” werden sollen, ist in der Tat ein verwerflicher Gedanke. Allerdings hat sich Palmer für diese Aussage auch bereits in aller Form entschuldigt. Bezeichnend ist aber, dass offensichtlich niemand vom zweiten Teil von Palmers Statement Notiz genommen hat, nämlich dem möglichen Tod einer Million von Kindern als Folge eines durch die Coronakrise ausgelösten Zusammenbruchs der Weltwirtschaft. Sind es diese Million Kinder nicht wert, auch darüber nur ein klein wenig nachzudenken? Das Beispiel zeigt, in was für einer zersplitterten Welt wir leben: Wenn ein tödliches Virus die reichen Länder des Nordens bedroht, werden alle zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung gesetzt und keine noch so grossen Mittel gescheut, um dieses zu bekämpfen. Wenn hingegen die UNO vor dem möglichen Tod einer Million von Kindern warnt, dann wird dies nicht einmal zur Kenntnis genommen. Ganz abgesehen davon, dass schon lange vor der Coronakrise jeden Tag weltweit rund 10’000 Kinder an Hunger, Armut, Mangel an Medikamenten und sauberem Trinkwasser gestorben sind. Kann sich jemand daran erinnern, dass dies auch nur annähernd so grosse Schlagzeilen machte wie die heutige Coronapandemie?

Coronakrise in Indien: Wie wenn Armut, Hunger und Ausbeutung nicht schon genug wären…

Millionen indischer Tagelöhner wurden infolge der Coronaepidemie von ihren Arbeitsplätzen vertrieben und mussten Fussmärsche von bis zu 300 Kilometern zurück in ihre Heimatdörfer auf sich nehmen. Und auch die rund 800’000 Bewohnerinnen und Bewohner von Dharavi, dem Elendsquartier der 25-Millionen-Metropole Mumbai, auch Höllenloch genannt, leiden unsäglich, leben zu fünft oder zu zehnt eingesperrt in winzigen, oft fensterlosen Zellen, fast ohne Nahrung und werden, wenn sie sich nach draussen wagen, von den allgegenwärtigen Sicherheitskräften immer wieder in ihre Behausungen zurückgeprügelt.

(nach: Tages-Anzeiger, 13. Mai 2020)

Indien – ein Beispiel für all jene Länder, in denen Armut, Ausbeutung und nun als weitere Bedrohung die Coronapandemie zu einem hochexplosiven Gemisch zusammentreffen, so dass der Begriff des “Höllenlochs” für die Situation der darunter leidenden Bevölkerung wohl kaum übertrieben ist. Dabei  müsste das alles nicht so sein. Denn vergessen wir nicht: In Indien gibt es unbeschreiblich, sagenhaft reiche Menschen, die für ein einziges Hochzeitsfest Dutzende von Millionen Dollar ausgeben. Zahllose Millionäre leben an den anderen Enden der Grossstädte, fernab der Elendsquartiere, in märchenhaften Villen mit Swimmingpools, Leibwächtern und Bediensteten rund um die Uhr. Unzählige Inderinnen und Inder verbringen ihre Ferien in den exquisitesten Luxushotels rund um die Welt. Der Industrie- und insbesondere der Rüstungskomplex haben im Laufe der vergangenen Jahrzehnte schwindelerregende Wachstumskurven aufzuweisen. Das Problem liegt nicht darin, dass kein Geld, keine Ressourcen und kein Reichtum vorhanden wären. Das Problem liegt vielmehr in der unsäglich ungleichen Verteilung der vorhandenen Güter, in der immer massloseren Anhäufung von Reichtum bei den einen und der gleichzeitigen Verarmung und Verelendung der anderen. Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Beispiel des Bundesstaates Kerala, wo seit Jahrzehnten eine kommunistische Regierung an der Macht ist. Keralas Pro-Kopf-Einkommen liegt mehr als ein Drittel über dem indischen Durchschnitt. Drastische Fälle von Armut wie in anderen Teilen Indiens sind in Kerala kaum anzutreffen, da hier in den letzten Jahrzehnten eine konsequente Agrarreform und Arbeitsbeschaffungsmassnahmen durchgeführt worden sind. Auch das Bildungs- und das Gesundheitssystem sind im Vergleich zu anderen Bundesstaaten gut ausgebaut. Die Lebenserwartung liegt mit 74,9 Jahren deutlich über dem indischen Durchschnitt von 67,9 Jahren. Die Säuglingssterblichkeitsrate ist mit 12 (pro 1000 Lebendgeburten) die geringste in Indien. Der Umweltaktivist Bill McKibben bezeichnete das Modell Kerala denn auch bereits 1999 als “bizarre Anomalie unter den Entwicklungsländern“, die “wirkliche Hoffnung für die Entwicklung der Dritten Welt“ biete. Soziale Indikatoren wie Säuglingssterblichkeit, Alphabetisierung, Geburtenrate und Lebenserwartung wären fast schon auf dem Niveau der “Ersten Welt“, trotz eines vielfach geringeren Pro-Kopf-Einkommens. Ein ermutigendes Beispiel für alle Länder und Regionen des Südens, in einer so extremen Zeit wie der heutigen erst recht!

“Natürlich habe ich Angst!” Und genau deshalb brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen…

Westfleisch, einer der drei grössten Fleischverarbeiter Deutschlands, bekannt für seine bestialischen Arbeitsbedingungen, mangelhaften Sicherheitsstandards und tiefen Löhne, hatte sich zu alledem schon im März zu einem der akutesten Coronaepidemieherde des Landes entwickelt. Allein im nordrhein-westfälischen Coesfeld, wo Westfleisch fast drei Millionen Schweine im Jahr schlachtet und zerlegt, haben sich 249 von 1200 Mitarbeitern infiziert. “Natürlich habe ich Angst”, sagt ein Mann auf dem Weg zur Arbeit, “aber ich habe ja keine Wahl. Wenn ich nicht zur Arbeit gehe, wovon soll ich dann leben?”.

(Tages-Anzeiger, 12. Mai 2020)

Und genau deshalb braucht es ein bedingungsloses Grundeinkommen. Damit sich der Arbeiter frei entscheiden kann: Entweder bleibe ich zu Hause und begnüge mich mit einem bescheidenen Lebensunterhalt, verzichte auf dieses und jenes. Oder ich habe ein etwas höheres Einkommen für den Preis, dass ich mich bestialischen Arbeitsbedingungen unterwerfen muss und mich tödlichen Gefahren aussetze. Vielleicht gäbe es dann gewisse Jobs nicht mehr – ganz einfach, weil ein Leben mit dem bedingungslosen Grundeinkommen attraktiver wäre als der betreffende Job. Aber wäre das so schlimm? Wäre es so schlimm, wenn es solche Fleischfabriken, in denen nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen blosse Wegwerfartikel im Dienste des Kapitals sind, wenn es solche Fleischfabriken schlicht und einfach nicht mehr gäbe? Oder wenn es diese Textilfabriken in Bangladesh, in denen für Hungerlöhne Kleider für den westlichen Markt produziert werden, von denen mehr als die Hälfte früher oder später im Müll landen, wenn es diese Textilfabriken nicht mehr gäbe? Ein – weltweites – bedingungsloses Grundeinkommen würde die Unternehmen dazu zwingen, Löhne und Arbeitsbedingungen so attraktiv zu gestalten, dass die Menschen sich freiwillig dafür entscheiden, dort zu arbeiten. Dies würde geradezu zu einer Umkehrung des Bisherigen führen, denn, um genügend Arbeitskräfte zu gewinnen, müssten genau jene Jobs, die heute am schlechtesten bezahlt sind, am besten bezahlt werden…

Coronavirus: Kubanische Ärzte und Ärztinnen weltweit im Einsatz

Fast hätten wir es vergessen: Seit anfangs März stehen rund 30’000 kubanische Ärzte und Ärztinnen im Kampf gegen das Coronavirus in Venezuela, Südafrika, Italien, Andorra und weiteren 60 Ländern im Einsatz. Ob das kommunistische Gesundheitssystems des Inselstaates also doch nicht ganz so schlecht gewesen war, wie man uns immer wieder weiszumachen versucht?

Coronastatistiken: Irreführende Zahlen, Panik- und Angstmacherei

Die Anzahl der coronabedingten Todesfälle sei in der Schweiz bis am 9. Mai 2020 auf 1833 angestiegen – solche und ähnliche Meldungen jagen einem immer wieder einen Schrecken ein. Und doch: Allein im Raum stehend, ohne Bezug zu etwas anderem, lässt sich mit einer solchen Zahl eigentlich nicht viel anfangen. Schon wenn man erwähnen würde, dass die Zahl der Todesfälle seit Wochen Tag für Tag rückläufig ist, sähe es ganz anders aus. Oder wenn man in Erinnerung rufen würde, dass im gleichen Zeitraum, da 1833 Menschen an den Folgen des Coronavirus gestorben sind, rund 1500 Menschen den Folgen übermässigen Rauchens erlegen sind und wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch zu ganz normalen Zeiten in der Schweiz jeden Tag rund 180 Menschen sterben, dann sähe alles schon wieder ein wenig anders aus. Oder wenn man nebst der Zahl der Todesfälle immer auch jene der – ungleich viel zahlreicheren – Genesenen nennen würde, wäre auch das schon wieder ein willkommener Lichtblick. Ins gleiche Kapitel geht die regelmässig von SRF veröffentlichte Anzahl Infizierter. Da die neuen immer zu den bisherigen Fällen dazugezählt werden, steigt die Kurse unaufhörlich in die Höhe – tatsächlich aber nimmt die Anzahl Infizierter von Tag zu Tag ab und die Kurve müsste eigentlich nach unten weisen. Ähnlich verhält es mit Panik- und Angstmacherei auch bei internationalen Statistiken: So etwa bekommen wir fast täglich die Schreckensbilder von Massengräbern aus den USA zu sehen – so als wäre dies etwas, was auch noch auf uns zukommen könnte. Schauen wir uns aber die Zahlen etwas genauer an, dann stellen wir fest, dass die USA nur unwesentlich mehr Coronainfizierte und Coronatote hat als die Schweiz, wenn man dies auf die Bevölkerungszahl umrechnet: Die USA haben 40 Mal mehr Einwohnerinnen und Einwohner als die Schweiz und mit 1,3 Millionen auch 40 Mal mehr Infizierte und mit 77’000 auch rund 40 Mal mehr Tote als die Schweiz. Die Bilder aus den USA sind also weniger Bilder einer schrecklichen Krankheit, als vielmehr eines maroden Gesundheitssystems, eines fragilen Wirtschaftssystems und katastrophaler sozialer Verhältnisse. Panik und Angstmacherei werden nicht selten auch unter den Experten verbreitet. So etwa warnt der deutsche Virologe Christian Drosten, dass eine zweite Coronawelle Deutschland “mit noch viel grösserer Wucht treffen werde”. Solche Voraussagen, selbst wenn sie nicht ganz von der Hand zu weisen sind, bringen wenig oder höchstens das Gegenteil dessen, was sie angeblich bezwecken. Denn alle werden sich sagen: Wenn eine neue Welle sowieso kommt, was soll ich mir da mit Social Distancing und Handhygiene denn überhaupt noch Mühe geben, es nützt ja sowieso nichts. Oder sogar: Wenn die Katastrophe so oder so kommt, dann will ich das Leben, so lange es geht, erst recht geniessen. Eigentlich müssten die Experten Zuversicht verbreiten und die Menschen ermuntern, sich eben genau so zu verhalten, dass die zweite Welle früher oder später eben nicht auf uns zukommt – denn letztlich haben wir dies mit unserem Verhalten in der Hand. Diese Zeiten sind schon schlimm genug, da müssen wir mit Schreckensmeldungen, irreführenden Zahlen, dem Verschweigen des Positiven sowie düsteren Prophezeiungen nicht alles noch viel schlimmer machen, als es schon ist…

 

Protestierende Jugendliche und weintrinkende Politiker: Die Gerechtigkeit lässt auf sich warten…

Das Schweizer Fernsehen berichtet am 5. Mai über die Befindlichkeit der Parlamentarier und Parlamentarierinnen anlässlich der Sondersession in den Berner Messehallen. Trotz der ungewohnten Atmosphäre, so die Kommentatorin, hätte man sich offensichtlich im Laufe des Tages nach und nach an die neue Situation gewöhnt. Und am Abend, schmunzelt die Kommentatorin, hätte man sogar auch schon da und dort Parlamentarier und Parlamentarierinnen entdeckt, die es sich bei einem Gläschen Wein gemütlich gemacht und dabei einen gegenseitigen Körperabstand “von eher 20 Zentimetern als zwei Metern” eingehalten hätten…

Und dafür also hat man für diese Session die Berner Messehallen für nicht weniger als drei Millionen Franken gemietet und werden die Rednerpulte unmittelbar nach jedem Sprecher und jeder Sprecherin peinlichst genau desinfiziert. Was wohl die Aktivisten und Aktivistinnen von Klimastreik Schweiz, die tags zuvor unter strikter Einhaltung der Abstandsregeln vor den Messehalten eine Protestaktion durchführen wollten, darüber denken mögen? Ob wohl die Polizisten und Polizistinnen, welche den Klimaprotest gewaltsam auflösten, später ins Innere des Gebäudes gegangen sind, um die weintrinkenden Politiker ebenso gewaltsam auseinanderzutreiben? Wohl kaum. Wir scheinen von der Gleichberechtigung der Menschen in diesem Lande doch noch ein ganz gehöriges Stück entfernt zu sein…

Protestaktion vor den Berner Messehallen: Bilder einer Diktatur, nicht einer Demokratie

Gestern, zum Auftakt der ausserordentlichen Session, wollten Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen mehrere Petitionen an das Parlament übergeben und mit einer Plakataktion auf ihre Anliegen aufmerksam machen. Doch noch bevor sie zu den Berner Messehallen gelangten, in denen momentan National- und Ständerat tagen, wurden sie von Polizisten und Wachleuten abgefangen und des Platzes verwiesen, obschon es weniger als fünf Leute waren und der Mindestabstand eingehalten wurde.

(www.watson.ch)

Entweder du gehörst dazu. Dann wird dir der rote Teppich ausgebreitet. Und du findest deinen mit allem Schickschnack ausgestatteten Sitzplatz in einem grossen, lichtdurchfluteten Saal, für dessen Miete man nicht weniger als drei Millionen Franken aufgeworfen hat. Und jedes deiner Worte wird über sämtliche Fernsehschirme bis in die entlegensten Winkel des Landes übertragen. Oder du gehörst nicht dazu. Dann wird dir das Reden verboten, bevor du noch den Mund geöffnet hast. Und deine Botschaften bleiben ungehört. Und zu alledem trägst du dann noch, fortgejagt und namenlos, auf dem Nachhauseweg das beklemmende Gefühl mit dir, etwas Unrechtes getan zu haben. Erinnern solche Bilder nicht eher an eine Diktatur als an eine Demokratie?