Archiv des Autors: Peter Sutter

Ziviler Ungehorsam gegen die italienische Regierung

In Italien begehren prominente Bürgermeister aus grossen Städten – Palermo, Bari, Neapel, Florenz, Mailand, Livorno und Parma – gegen das unlängst verabschiedete Sicherheits- und Immigrationsgesetz der populistischen Regierung auf. Manche von ihnen drohen damit, es einfach zu ignorieren. Sie sagen, es stutze auf unzulässige Weise die Grundrechte der Zuwanderer und sorge so für mehr statt weniger Unsicherheit in den Städten und für mehr Schwarzarbeit… Kontrovers ist das Gesetz vor allem deshalb, weil es Zehntausende Asylsuchende, die bisher mit einer «Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen» ausgestattet waren, in die Illegalität schickt, in den Untergrund… Viele dieser neuerdings statusfreien Menschen verlassen das Land aber nicht, weder freiwillig noch zwangsweise: Sie landen auf der Strasse. Es gibt Schätzungen, die von etwa 120’000 Betroffenen ausgehen… Alle Rechte und Integrationshilfe, die sie unter dem alten Gesetz genossen, erlöschen sofort. Das hat vor allem mit Artikel 13 des neuen Gesetzes zu tun. Er verbietet es den Gemeinden, diese Personen in das Register ihrer Einwohner aufzunehmen, wie das bislang der Fall war. Und ohne Eintrag haben sie kein Recht, die Kinder zur Schule zu schicken. Das Gesundheitswesen bleibt ihnen verschlossen, Arbeit finden die Papierlosen höchstens noch in der Schattenwirtschaft, auf den Gemüsefeldern im Süden zum Beispiel, wo sie vom organisierten Verbrechen ausgebeutet werden. Die kritischen Bürgermeister sprechen von einer «sozialen Bombe»…

(Tages-Anzeiger, 5. Januar 2019)

Eigentlich ist es absurd. Ginge es nach den linken Politikern, hätten wir schon längst eine gerechtere Welt und auch damit auch viel weniger Flüchtlinge und Migranten, als dies heute der Fall ist. Die rechten Politiker auf der anderen Seite sind genau die, welche durch ihr Festhalten am Dogma des freien kapitalistischen Marktes – und damit der freien Ausbeutung der Armen durch die Reichen – einer ungerechten Welt Vorschub leisten, für das «Flüchtlingsproblem» somit hauptverantwortlich sind und zu allem Überdruss noch politisches Kapital daraus schlagen, indem sie die latente Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung schüren und auf diese Weise an die Macht gelangen, die sie dafür missbrauchen, um erst recht das ganze Rad der kapitalistischen Ausbeutung noch weiter zu beschleunigen und immer stärker von den Missständen zu profitieren, die sie selber verursacht haben. Die linken Politiker auf der anderen Seite, die an den Missständen weit weniger Schuld tragen, sind gezwungen, die von ihnen nicht verursachten Probleme auszubaden und, wenn sie gegen restriktive Gesetze opponieren, sich als «Gesetzesbrecher» oder «Gutmenschen» beschimpfen zu lassen. Verkehrte kapitalistische Welt…

Preiskampf bei der Unterhaltungselektronik

Nirgends ist der Preiskampf bei der Unterhaltungselektronik härter als in der Schweiz: Seit Jahren unterbieten sich Anbieter mit Abschlägen. Während der Kunde von der Preisschlacht profitiert, kämpfen die Händler mit immer kleineren Margen. Das hat dazu geführt, dass Unterhaltungselektronik in der Schweiz sogar günstiger ist als etwa in Deutschland. Zudem ist die Nachfrage nach Fotokameras, Navigationsgeräten oder Radioweckern eingebrochen. Smartphones und Tablets haben Kameras und Co. ersetzt. So werden in Zukunft Waschmaschinen und TV-Geräte die Konsumenten in die Geschäfte locken müssen, ergänzt von Produkten mit Potenzial wie Kopfhörer, Minispeakern oder Drohnen. Das veränderte Konsumverhalten zeigt sich auch am miesen Jahresresultat, das der deutsche Media-Markt-Mutterkonzern Ceconomy im Dezember präsentierte. Aus diesem geht hervor, wie stark die Zentrale in Dietikon ZH unter Druck ist: Der Jahresumsatz von Media Markt Schweiz brach um 10,4 Prozent auf 643 Millionen Franken ein. Damit hat sich der Umsatzrückgang des Vorjahres von 5,8 Prozent fast verdoppelt. Auch die Migros-Tochter Melectronics kämpft mit den rückläufigen Frequenzen und der Preiserosion, zudem mit dem Einkaufstourismus. Daran wird sich auch dieses Jahr nichts ändern. 

(www.blick.ch)

Dass der kapitalistische Markt ein Schlachtfeld ist, in dem jeder den anderen zu unterbieten versucht, wussten wir schon lange. Weil aber die Produktion trotz abnehmender Nachfrage weiter vorangetrieben wird, müssen die Preise ins Bodenlose sausen. Irgendwann wird man das eine oder andere Gerät wohl schon gratis bekommen. Und irgendwann wird man vielleicht sogar Geld dafür bekommen, dass man ein neues Gerät mitnimmt – damit es wieder Platz gibt für ein neues. Schöne neue kapitalistische Welt. Und von der Klimaerwärmung und der Rohstoffausbeutung und -verschleuderung spricht schon längst niemand mehr, es wird ja alles Fortgeworfene sauber und für unsere Augen unsichtbar wieder entsorgt. Natürlich in Afrika, von bettelarmen Kindern, wo denn sonst…

Moderne Maschinenstürmer

Sie sollen die Sicherheit für Passagiere erhöhen, für mehr Effizienz im Verkehr sorgen und den Fahrausweis obsolet machen: So werden die Vorteile von autonomen Autos propagiert… In Chandler, einem Vorort von Phoenix, testet die Google-Schwester Waymo selbstfahrende Fahrzeuge. Und bekommt es mit dem Hass der Anwohner zu tun. Rund zwei Dutzend dieser Fahrzeuge wurden bereits Ziel von Vandalismus: Ein Mann schlitzte die Reifen auf, als das Auto an einer Kreuzung hielt. Andere bewarfen die Wagen mit Steinen oder bedrohten die Fahrer, die für den Notfall in den Autos sitzen, mit Rohren und in einem Fall sogar mit einer Pistole… In der Bevölkerung, so eine Waymo-Sprecherin, gebe es Sicherheitsbedenken und Ängste, dass Jobs durch neue Technologien verloren gehen könnten. «Die Menschen schlagen zu Recht um sich», sagt Douglas Rushkoff, Medientheoretiker an der City University in New York. Die Befürchtung wachse, dass riesige Unternehmen, die an fahrerlosen Technologien tüftelten, «nicht unser Bestes wollen». Man müsse nur an die Menschen denken, die in den Fahrzeugen die künstliche Intelligenz trainierten, von der sie am Ende ersetzt würden.

(Tages-Anzeiger, 4. Januar 2019)

Man mag die Methoden der modernen «Maschinenstürmer» verurteilen. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass ihre Wut ganz reale Ursachen hat, genau so wie bei den Arbeitern des 19. Jahrhunderts, die, aus Angst ihre Arbeit zu verlieren, die Maschinen in den Fabriken mutwillig zerstörten. Das zutiefst Tragische ist, dass es zur gegenwärtigen technologischen Entwicklung keine Alternativen gibt. Niemand wird gefragt, ob künstliche Intelligenz, kassenlose Supermärkte oder selbstfahrende Autos überhaupt erwünscht sind. Die Demokratie ist in den wesentlichen Fragen  unseres täglichen Lebens vollständig ausgehebelt worden. Selbst in der Schweiz, dem Musterland der Demokratie, kann man zwar darüber abstimmen, ob mehr Geld in die AHV-Kasse fliessen soll, man kann aber nicht darüber abstimmen, ob personengesteuerte Autos nach und nach durch selbstfahrende Autos ersetzt werden sollen oder nicht. Es bleibt daher, wie das Beispiel von Chandler zeigt, nur die blanke Wut. Diese blanke Wut ist es auch, die zur Wahl von Donald Trump als US-Präsident geführt hat, die Wut über schlechte Lebensverhältnisse und düstere Zukunftsaussichten, die sich dann eben völlig unkontrolliert auf die eine oder andere Weise, bis hin zu Rassismus und Gewalt, äussert. Dies wird so lange der Fall sein, als es nicht eine breite politische Bewegung gegen die Weiterführung des kapitalistischen Wirtschaftssystems gibt, welche all die Wut und Frustration der Enttäuschten, Verarmten, Gedemüdigten in konstruktive Bahnen lenken kann zum Aufbau einer neuen, nicht mehr am kurzfristigen Profit, sondern am langfristigen Wohl der Menschen orientierten Wirtschaftsordnung.

Was treibt im Kapitalismus den «Fortschritt» voran?

«Mit der 5-G-Technologie, dem nächsten Entwicklungsschritt, wird ein Smartphone ca. 100 Mal schneller sein und 1000 Mal mehr Kapazität aufweisen als ein Gerät mit der heutigen 4-G-Technologie, zum Beispiel kann dann eine DVD in etwa zwei Sekunden heruntergeladen werden. Neueste Smartphones sind mit 5-6 Kameras ausgestattet, damit können nicht nur bessere und mehr Fotos aufgenommen werden, die Mehrfachkameras sind zudem so ausgerüstet, dass sie Bilder zerlegen und analysieren können: was für Essen kommt darin vor, was für Leute und wie viele sind anwesend, ist es Tag oder Nacht, usw. Der neueste Trend sind faltbare Smartphones. Und möglicherweise wird es schon in naher Zukunft Linsen geben, die man sich ins Auge stecken kann, um das Display des Smartphones bequemer lesen zu können.»

(SRF-Digitalredaktor Reto Widmer in der Sendung «10vor10» auf SRF1 am 3. Januar 2019)

Allen Ernstes: Man kann wohl kaum behaupten, dass diese und mögliche weitere, heute noch undenkbare Entwicklungsschritte des Smartphones besonders sinnvoll sind. Das meiste sind «Spielereien» oder Neuheiten, die von den meisten Nutzerinnen und Nutzern ohnehin nicht gebraucht werden. Doch wenn sie keinen Sinn macht, weshalb schreitet die Weiterentwicklung ungehindert und immer schneller voran? Die Antwort ist einfach: Es ist das kapitalistische Konkurrenzprinzip, das diesen «Fortschritt» antreibt. Wenn Firma X 5 Kameras in ihre Smartphones einbaut, dann muss Firma Y 6 Kameras einbauen. Wenn man mit einem Smartphone der Firma X eine DVD in zwei Sekunden herunterladen kann, dann muss Firma Y ein Smartphone entwickeln, das eine DVD in einer Sekunde herunterladen kann. Es ist das gleiche Konkurrenzprinzip, das auf allen Gebieten den «Fortschritt» vorantreibt: Wenn das Auto der Firma A einen adaptiven Geschwindigkeitsbegrenzer, eine aktive Einparkhilfe, einen Fahrspurassistenten, einen selektiven Fahrmodusschalter, eine Verkehrsschilderkennung, einen Notruf-Assistenten, eine Abstandskontrolle mit Distanzanzeige und einen Müdigkeitswarner hat, dann muss das Auto der Firma B dies alles auch haben und möglichst noch einiges dazu. Wenn Firma C einen Stoffhund auf den Markt bringt, der bellen, knurren und furzen kann, dann muss Firma D einen Stoffhund auf den Markt bringen, der zusätzlich noch fressen und kacken kann. Längst treibt das Konkurrenzprinzip, in dem jeder gezwungen ist, den anderen zu übertrumpfen und zu überholen, nicht mehr echten Fortschritt voran, sondern nur noch immer sinnlosere Spielerei, gepaart mit einer verheerenden Verschwendung an Rohstoffen und menschlichen Ressourcen. So gesehen hat der «Fortschritt» ein einigermassen vernünftiges Stadium längst überschritten und droht einer massvollen Kontrolle je länger je schneller zu entgleiten. «Fortschritt» wird so, im wörtlichen Sinne, zum «Fortschreiten» von einem Zustand, den man schon einmal erreicht hatte und der gar nicht so schlecht war.

Werden wir immer dümmer?

Der Grossteil von 5000 befragten Internetnutzern will, dass das Smartphone den Besitzer künftig vor Krankheit oder Stress warnt – bevor der Konsument selbst etwas davon spürt. Die Künstliche Intelligenz soll den Besitzer auch gleich zum Arzt, Zahnarzt oder Coiffeur schicken, egal, ob die betroffene Person weiss, dass es nötig ist. Viele Konsumenten glauben, dass das dazu führen wird, dass wir vergessen, wie wir unsere eigenen Entscheidungen treffen. Darum werde es künftig «Fitnessstudios fürs Hirn» brauchen, um das Denken zu üben.

(www.20minuten.ch)

Entpuppt sich die Künstliche Intelligenz nicht je länger je mehr als Irrläufer der Geschichte? Ist alles, was technisch machbar ist, zwingend auch sinnvoll? Haben wir Menschen schon das Heft aus der Hand gegeben und es einer neuen fremden Macht überlassen? Wie weit haben wir es gebracht, wenn wir zukünftig, um unseren Verstand nicht noch ganz zu verlieren, ins Denktraining-Fitnessstudio gehen müssen? Autofahrer, die, ihrem Navigationsgerät folgend, in einem Flussbett landen. Ein Gast im Restaurant, der, statt den Kellner nach den Zutaten der angebotenen Gerichte zu fragen, nach diesen Zutaten googelt. Ein Teenager, der, um sich über das aktuelle Wetter zu informieren, nicht mehr beim Fenster hinausschaut, sondern auf sein Smartphone starrt. Sind das nicht alles Vorboten eines Menschen, der seine Intelligenz immer mehr auslagert und dabei selber immer dümmer wird? Schöne neue Welt…

Am Ende bleibt ein einziger lebendiger Mensch…

Es gibt keine Kassen im Amazon-Go-Laden in San Francisco. Stattdessen stehen Schranken im Eingangsbereich, die sich erst öffnen, wenn man einen QR-Code aus der Smartphone-App auf einen Scanner hält. Unzählige Videokameras an der Decke folgen einem fortan auf Schritt und Tritt. Gewichtssensoren in den Regalfächern erfassen, was man herausnimmt: ein Sandwich aus der Kühltheke, Nudeln aus dem Regal oder eine Tiefkühlpizza aus der Gefriertruhe – das typische Sortiment eines Kleinladens im Finanzdistrikt. Im Hintergrund trällert Pop-Musik. Der Amazon-Go-Laden in San Francisco ist einer von sieben kassenlosen Supermärkten, die der Online-Händler seit Januar 2018 in den USA eröffnet hat. Weitere Niederlassungen sollen in den kommenden Wochen in San Francisco und New York entstehen; laut der Agentur Bloomberg plant Amazon insgesamt 3000 Filialen bis zum Jahr 2021. Wie die Technologie funktioniert, erklärt das Unternehmen auf Nachfrage nicht im Detail. Bekannt ist nur, dass Kameras ein dreidimensionales Bild jedes Kunden schaffen und ihm mithilfe von künstlich intelligenten Kameras («computer vision») und Sensoren durch den Laden folgen. Die Go-Läden sind ein wichtiger Baustein in Amazons Wachstumsstrategie, sagt die Analytikerin Sucharita Kodali von Forrester Research. Der Konzern macht derzeit den Löwenanteil seines Umsatzes von jährlich 178 Mrd. $ mit Cloud-Lösungen und ist im Online-Handel während zwanzig Jahren zum Riesen gewachsen – doch in der physischen Welt ist Amazon ein Zwerg, und dort geschieht nach wie vor das Gros aller Verkäufe. Mit Buchhandlungen, den Whole-Foods-Supermärkten und nun den Go-Läden sammelt der Konzern Erfahrung in der realen Welt. «Amazon experimentiert gerne drauflos und schaut, was passiert», sagt Kodali. Auf diese Weise könne Amazon schrittweise seine Marktstellung in der realen Welt ausbauen. Aus Kundensicht sind kassenlose Supermärkte attraktiv, weil sie die Einkaufszeit verkürzen. Doch die grössten Vorteile gebe es für die Händler, sagt die Analytikerin Joliet: «In den Daten liegt das Gold versteckt», sagt sie. Wenn jeder Schritt des Kunden erfasst würde, könnten die Händler viel schneller verstehen, was in ihrem Laden geschehe – und Produkte entsprechend anders aufstellen, nachbestellen oder die Preise anpassen. Auch Diebstahl lasse sich so vermeiden. Und die Echtzeitinventur werde einfacher, sagt Joliet – für viele Unternehmen sei das allein ein riesiger Vorteil, weil ihnen durch fehlerhafte Inventarlisten Umsätze entgingen. Die Masse an Kundendaten gilt bis anhin als ein Vorteil, den der digitale Handel gegenüber physischen Geschäften hat. Der Online-Händler Amazon weiss genau, welche Produkte ein Kunde sucht, wie lange er beim Einkaufen zögert und auf welchen anderen Internetseiten er danach schaut. Die kassenlose Technologie macht diesen Nachteil für physische Läden wett, indem der Händler erfährt, wie sich der Kunde im Laden bewegt, welche Produkte er kauft – und welche doch nicht. Hersteller könnten den Kunden bald in Echtzeit Rabatte vorschlagen, um sie noch im Supermarkt umzustimmen. Der Analytiker Sorrell sieht den grössten Vorteil in den eingesparten Personalkosten. Die initialen Fixkosten würden sich schnell amortisieren, glaubt er, schliesslich würde Technologie erfahrungsgemäss rasant billiger. Zudem könnten Händler den Platz, den sie früher für Kassen verwendeten, dazu nutzen, ein grösseres Produktesortiment anzubieten. Durch die eingesparte Fläche im Kassenbereich könnten manche Händler womöglich auch in kleine Geschäfte ziehen. Der grosse Verlierer der jüngsten Revolution werden niedrig qualifizierte Angestellte sein – schon wieder. Verkäufer und Kassierer zählen zu den gängigsten Berufen in Amerika. In den kassenlosen Supermärkten in San Francisco braucht es jedoch nur noch Personal, um die Regale aufzufüllen – und auch das dürften wohl eines Tages Roboter übernehmen. Eine im Frühjahr 2017 veröffentlichte Studie von Cornerstone Capital Group hat gezeigt, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 7,5 Mio. Stellen im Einzelhandel der Automatisierung zum Opfer fallen könnten. Kassierer zähle dabei zu den am einfachsten zu ersetzenden Berufen, schreiben die Autoren. Dies dürfte vor allem Frauen treffen – 73% des Verkaufspersonals sind laut der Studie weiblich.

(Marie-Astrid Lenger in: www.nzz.ch)

So wird der Mensch nach und nach überflüssig. Und immer mehr wird alles zu einer Riesenmaschine, an deren Steuerknüppel irgendwann am Tage X nur noch ein einziger lebendiger Mensch sitzen wird, der alles steuert. Schöne neue Welt…

McDonalds’ und die Künstliche Intelligenz

Mit etwa 50’000 Mitarbeitern ist McDonalds’ einer der grössten Arbeitgeber in Russland. Die Mehrheit der Angestellten sind Studenten, die auf flexible Arbeitszeiten angewiesen sind. Ist das Studium beendet, verlassen viele Arbeitskräfte den Konzern wieder. Jedes Jahr müssen daher 20’000 Stellen neu besetzt werden. Um eine Vakanz zu füllen, müssten etwa 10 Bewerbungen geprüft werden, erklärt die Personalchefin für Russland, Tatjana Jasinowskaja. Das macht 200’000 Dossiers.

Um diese Masse bewältigen zu können, arbeite die Personalabteilung mit einer speziellen digitalen Plattform, die mit künstlicher Intelligenz wie beispielsweise einem «smarten Chat-Roboter» ausgestattet sei, erklärt der Fachmann für digitale Rekrutierung bei McDonald’s, Dmitri Treskunow. Der Roboter löse gleich mehrere Probleme auf einmal: Zum einen sorge die Interaktion mit der intelligenten Maschine dafür, dass der Rekrutierungsprozess nicht nur effizienter, sondern auch benutzerfreundlicher werde. Einfach einen Fragebogen auszufüllen, sei für viele junge Leute langweilig. Zum anderen profitiere McDonald’s von der Möglichkeit, die Fragen während des Bewerbungsprozesses anzupassen und so ein besseres Resultat zu erzielen. Das Programm lerne selbständig und führe die Kandidaten allein durch die erste Stufe der Bewerbung. Ist der Chat beendet, entscheidet die Software autonom, ob der Bewerber etwas taugt, und informiert alle infrage kommenden Restaurants, die eine solche Person suchen und in der Nähe des Wohnortes liegen. Das Urteil des Programms sei hart. Dabei lernt die Software auch von den Antworten, die bereits angestellte Mitarbeiter gegeben haben. Kündige einer von ihnen beispielsweise nach kurzer Zeit wieder, so werde der Algorithmus Personen, die ähnlich antworteten, in Zukunft ausschliessen. Das Programm kann so die Eignung für den Job und den Austrittszeitpunkt vorhersagen. Doch nicht nur die Bewerber werden gesiebt. Das System stellt auch fest, über welche Kanäle die «guten» Mitarbeiter gekommen sind. Es bestünden nämlich grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Jobportalen, erklärt Treskunow. Durch das Programm können sodann Werbegelder besser investiert werden. In der zweiten Runde erhalten die Chefs die Kontaktdaten der Bewerber für offene Stellen. Erreicht das Restaurant den Kandidaten beim ersten Anruf nicht, dann schreibt das Programm automatisch eine Nachricht und fordert den Bewerber auf, das Restaurant anzurufen. Dasselbe passiert vor dem Bewerbungsgespräch. Der Aspirant bekommt eine automatische Benachrichtigung darüber, dass sein Gespräch am folgenden Tag stattfindet. Das System begleitet die Mitarbeiter auch nach der Anstellung weiter. So können über die Plattform Fortbildungen gebucht werden, und die Bewertungen der Mitarbeiter werden gespeichert. In Zukunft soll sogar das zweite Interview online durchgeführt werden. Die Fragen sollen ebenfalls von einer Maschine kommen und auf dem ersten Teil basieren. Dann kann sich der Restaurantchef das betreffende Video anschauen und sich für oder gegen den Kandidaten entscheiden. An ihren Arbeitsplatz müssen die neuen Angestellten dann aber schon selber kommen. Auch McDonald’s kann keinen Hamburger über das Internet braten.

(www.nzz.ch)

 

Ein Wunder, dass man bei so viel Künstlicher Intelligenz nicht längst schon eine Maschine erfunden hat, die das gewünschte Fertiggericht automatisch produziert und serviert. Dann könnte man sich das lästige und aufwendige Bewerbungsprozedere nämlich gänzlich ersparen und alles käme noch viel, viel billiger. Aber wer weiss, vielleicht überholt ja die Realität schon bald unsere kühnsten Visionen…

Alarmstufe Rot für unsere Welt

«Ich schlage Alarm. Ich rufe die Alarmstufe Rot für unsere Welt aus.»

(UN-Generalsekretär António Gutteres in seiner Neujahrsbotschaft 2018)

Die Diskussion über den Klimawandel lenkt von der mindestens so grossen Gefahr eines Dritten – atomaren – Weltkriegs ab. Das Gefährliche ist, dass sich heute im Wesentlichen vier mächtige kapitalistische Players – neben zahlreichen weiteren, kleineren – gegenüberstehen: die USA, die EU, Russland und China. Die Gefährlichkeit dieser Konstellation liegt nicht darin, dass diese vier Players so verschieden wären, sondern im Gegenteil darin, dass sie so ähnlich – eben grundsätzlich kapitalistisch – sind. Sie alle streben endloses Wirtschaftswachstum, endlose Konsumsteigerung, endlose Produktivitätssteigerung und endlose Profitmaximierung an. Und jede dieser vier Mächte wäre am liebsten erfolgreicher und mächtiger als die anderen drei. Das muss früher oder später zu einem Zusammenprall führen, im schlimmsten Fall einem militärischen. Das Gefährliche ist, dass es zu diesen kapitalistischen Mächten keine echt erkennbare und vernünftige Alternative gibt in Form breiten, globalen, grenzüberschreitenden Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Mehr Reformen, mehr Kapitalismus

In der im Juni 2016 beschlossenen «Globalen Strategie für die Aussen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union» kommt der Begriff «Resilienz» 34 Mal vor. «Resilienz» wird – vor allem in Bezug auf die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den Ländern südlich und östlich der EU – definiert als «Fähigkeit von Staaten und Gesellschaften, Reformen durchzuführen und so internen und externen Krisen zu widerstehen und sich von ihnen erholen zu können.»

(Gernot Erler, «Weltordnung ohne den Westen»)

Was bedeuten «Reformen» in den Ländern südlich und östlich der EU? Gehen wir davon aus – und alles andere wäre wohl ein gewaltiger Trugschluss -, dass die EU insgesamt ein kapitalistisches Projekt ist, dann bedeuten «Reformen» nichts anderes, als dass die Prinzipien der freien Marktwirtschaft (sprich des Kapitalismus) so effizient wie möglich vorangetrieben werden sollen in jenen Ländern, die früher oder später den Anschluss an die EU suchen. Das heisst: mehr Wettbewerb, mehr Wirtschaftswachstum, mehr Konsum, Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe, Sparmassnahmen im öffentlichen Bereich, Erhöhung des Rentenalters, Reduktion von Reichtums-, Erbschafts- und Vermögenssteuern, usw. Dass mit solchen Massnahmen künftigen «internen und externen Krisen» vorgebeugt werden soll, das können wohl nicht einmal die Verfasser dieses Dokuments wirklich allen Ernstes glauben.

Staatlich bewilligter und begünstigter Raubzug

An der Schweiz haftet schon lange der Ruf, ein teures Pflaster zu sein. Da erstaunt es kaum, dass ein Silvesteraufenthalt in den Bergen im Normalfall eine ziemlich teure Angelegenheit wird. Doch wer ein paar hundert Franken für eine Hotelübernachtung bereits für teuer hält, hat sich noch nie mit den richtig exquisiten und luxuriösen Angeboten auseinandergesetzt, welche die Schweizer Hotellerie anbietet… Die britische Tageszeitung «The Telegraph» kürte die «Panorama Suite» vom Hotel The Alpina in Gstaad vor einem Jahr zur schönsten Suite der ganzen Schweiz sowie zu den 50 besten Hotel-Suiten weltweit. «Unprätentiös und geschmackvoll – für erstklassige Unterkünfte in den Elite-Skigebieten Europas keine Selbstverständlichkeit – ist die Panorama-Suite, die, wie vieles andere am Hotel, mit Altholz ausgestattet ist und der Schweizer Heimat sowie Landschaft subtilen Tribut zollt», schwärmt The Telegraph. Konkret handelt es sich um eine 400 Quadratmeter grosse Maisonette-Wohnung mit drei Schlafzimmern und zwei Etagen. Richtung Norden und Süden bietet die Suite einen schönen Panoramablick auf die Alpen. Neben einer Kaminlounge findet der Gast in der oberen Etage ein privates Spa mit Whirlpool, Fitness- und Massageraum….  Eine 308 Quadratmeter grosse Suite des Bürgenstock-Hotels verfügt über eine Dachterrasse mit Panoramablick auf den See und die Berge, einen Kamin, einen privaten Massageraum, eine Bibliothek, eine Sauna und ein Badezimmer mit einer Doppelwanne und einer Regendusche. Auf dem Buchungsportal booking.com wurde die Suite zuletzt zum Preis von 20’040 Franken inklusive «fabelhaftem Frühstück» angepriesen. Mitte November kostete die gleiche Suite für Silvester noch 75 Prozent mehr, nämlich satte 35’100 Franken…. 2013 eröffnete das Edelhotel Chedi vom Ägypter Samih Sawiris in Andermatt seine Pforten. Aus dem beschaulichen Bergdorf im Kanton Uri soll ein führendes Luxusresort werden, lautete damals das ambitionierte Ziel. Nach Jahren roter Zahlen läuft es dem Chedi gemäss Angaben von Sawiris inzwischen besser. Am 22. Dezember wurde nun die Skigebietsverbindung Andermatt-Sedrun fertiggestellt, was die Gegend zum grössten Skigebiet der Zentralschweiz macht. Preislich steht das Chedi den anderen Luxusresorts in der Schweiz in nichts nach: Eine Nacht in der Furka-Suite kostet im Durchschnitt 15’000 Franken pro Nacht, an Silvester dürften es noch etwas mehr sein. Die Suite ist 330 Quadratmeter gross und bietet maximal 8 Gästen Platz. Die Ausstattung beinhaltet unter anderem einen privaten Weinschrank sowie ein privates Spa mit Sauna, Dampfbad und Whirlpool… Richtig geräumig ist die Penthouse Suite des Grand Resort Bad Ragaz, die auf bis zu 600 Quadratmeter erweitert werden kann. Kostenpunkt: 15’000 Franken pro Nacht. In der günstigeren Variante gibt es 440 Quadratmeter zum Preis von 11’000 Franken. Das Luxuszimmer wird beworben mit einem exklusiven Interieur im Cavalli-Design mit edlen Materialien wie Palisanderholz, Rochenleder oder Nussbaumparkett. Die Suite befindet sich am höchsten Punkt des Resorts und bietet einen schönen Blick auf die umliegende Berglandschaft. In der erweiterten Version gibt es eine umlaufende Terrasse mit einem Outdoor-Jacuzzi. Hinzu kommen Whirlwanne, Glass-Sauna, Dampfbad und ein privater Butler-Service… Geht es um luxuriöse Hotelübernachtungen, dann darf natürlich auch der Nobel-Skiort St. Moritz nicht fehlen. Besonders edel ist hier die Hans-Badrutt-Suite des Hotel Palace, für welche jedoch mindestens 13’000 Franken hingeblättert werden müssen. Der Eingangsbereich ist marmoriert, auch das Bad ist aus italienischem Marmor. Es stehen ausserdem eine Bibliothek, ein Piano, eine geräumige Terrasse sowie ein Jacuzzi zur Verfügung. Im Preis inkludiert sind etwa ein Rolls-Royce-Transfer, ein Butler-Service und die Kinderbetreuung… Und gleich nochmal eine Nobel-Suite in St. Moritz, welche jedoch mit ihrem Preis von 7’490 Franken im Vergleich fast schon wie ein Schnäppchen wirkt. Ausgestattet ist sie mit zwei Schlafzimmern, einem grosszügigen Wohn- und Essbereich mit Kamin, Balkonen, zwei Bädern und einem Gäste-WC mit See- und Bergblick. Die Grösse beträgt insgesamt 218 Quadratmeter.

(www.watson.ch)
Jetzt wissen wir, weshalb in der Schweiz 300’000 Menschen von Sozialhilfe abhängig sind und weshalb 150’000 Menschen trotz einem Vollzeitjob von ihrem Lohn nicht leben können. Die beiden Kehrseiten der kapitalistischen Medaille: Reichtum und Armut. Was unten fehlt, wird oben in sinnloser Fülle angehäuft. Beraubung der arbeitenden Bevölkerung durch die Oberschicht der Reichen und Mächtigen, staatlich und wirtschaftspolitisch legitimiert und begünstigt. Wie lange kann das noch gut gehen?