Archiv des Autors: Peter Sutter

Medizinische Grundversorgung: Vertrauen statt Misstrauen

Die Franchisen steigen künftig parallel zu den Gesundheitskosten an: Mit 26 zu 13 Stimmen hat der Ständerat einer Änderung des Krankenversicherungsgesetzes zugestimmt. Das neue Gesetz sieht einen Automatismus vor, der die Franchise alle drei bis vier Jahre um 50 Franken anhebt. Gut möglich, dass die Minimalfranchise 2020 bereits 500 Franken beträgt. Und geht es nach dem Willen der nationalrätlichen Gesundheitskommission, wird sie gleich jetzt auf 500 Franken erhöht – noch bevor der Automatismus einsetzt… Zur erhöhten Franchise kommt hinzu, dass sich die Prämien seit 1996 mehr als verdoppelt haben, die Löhne bei weitem nicht. Deshalb hat die Belastung für einen erheblichen Teil der Versicherten die Grenze des Zumutbaren erreicht. Zu den hohen Prämien kommen noch ein jährlicher Selbstbehalt von bis zu 700 Franken, Spitaltaxen, Pflegebeiträge, nicht gedeckte Medikamente und Zahnarztkosten… Bereits heute wählen Zehntausende die Maximalfranchise von 2500 Franken. Nicht weil sie kosten- oder gesundheitsbewusst sind, sondern weil sie die Prämien sonst nicht tragen könnten. Das Fatale ist, dass sie im Krankheitsfall auch die Franchise nicht mehr bezahlen können und deshalb, auch wenn sie ernsthaft erkrankt sind, den Arzt gar nicht mehr aufsuchen.

(Tages-Anzeiger, 6. März 2019)

Wie Nahrung, Wasser, Luft, Energie und Bildung gehört auch die medizinische Grundversorgung zu den elementaren Menschenrechten. Doch längst tut sich auch in diesem Bereich eine immer grössere soziale Schere auf: Hier die Gutbetuchten, die sich alle Angebote einer zunehmend spezialisierten Medizin bis hin zu Schönheitsoperationen und dem Aufenthalt in luxuriösen Rehakliniken leisten können – dort die Minderbemittelten, die ihre Krankenkassenprämie kaum mehr bezahlen können oder, um die Prämie zu reduzieren, eine so hohe Franchise wählen, dass ein Arztbesuch für die nachgerade unerschwinglich ist. Das Problem liesse sich einfach lösen, indem man das Gesundheitssystem über die Steuern – sozial abgestuft – finanzieren würde und sämtliche medizinischen Angebote sodann kostenlos wären. Die Befürchtung, ein solches System würde «ausgenützt» oder «missbrauch», ist wohl unbegründet. Kein Mensch geht aus Vergnügen zum Arzt bzw. um der Gesellschaft einen Schaden zuzufügen. Es wäre dringend an der Zeit, nicht nur im Gesundheitswesen, sondern ganz generell das Prinzip «Misstrauen» durch das Prinzip «Vertrauen» zu ersetzen. Das würde Wunder bewirken und so viele Diskussionen, so viele Streitigkeiten, soviel bürokratischer und finanzieller Aufwand würden dadurch überflüssig werden.

Pensionskassen: Wie viel die Broker absahnen

Um neue Versicherte zu gewinnen, engagieren die Pensionskassen Broker, welche den Versicherten eine bestimmte Pensionskasse empfehlen. Fürs Vermitteln kassieren due Broker saftige Provisionen, und zwar nicht bloss einmalig, sondern pro Versicherten, den sie vermitteln konnten, Jahr für Jahr. Dieses System – so Urban Hodel vom PK-Netz, das sich für die Rechte der Versicherten in der 2. Säule einsetzt – schaffe falsche Anreize, es verleite die Broker dazu, jene Pensionskasse anzubieten, die am meisten Provisionen zahlt, und nicht die, welche für die Versicherten die beste wäre. Damit werde das System der beruflichen Vorsorge ausgehöhlt. «Jährlich werden über 300 Millionen an Broker- und Makler gezahlt», sagt Roger Baumann, Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen. Diese hohen Provisionen treiben die Verwaltungskosten der Pensionskassen in die Höhe und schmälern empfindlich die Altersrenten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

(«Kassensturz», Schweizer Fernsehen SRF1, 5. März 2019)

Wer ist eigentlich auf die verrückte Idee gekommen, die Altersvorsorge in eine erste, zweite und dritte Säule aufzuspalten? Und auf die noch viel verrücktere Idee, dies alles – zumindest bei der zweiten und dritten Säule – dem freien Wettbewerb und der gegenseitigen Konkurrenzierung verschiedener Anbieter zu überlassen? Dabei wäre es doch so einfach: Man führt zunächst einen Einheitslohn ein. Für die Altersvorsorge ist sodann eine einzige staatliche Säule – entsprechend der heutigen AHV – zuständig. Die Rente entspricht dem Einheitslohn. Was an Verwaltungs-, Lohn- und Werbekosten Dutzender privater Anbieter heute noch verschwendet wird, käme vollumfänglich den Rentenbezügern und -bezügerinnen zugute.

Kein Platz für das private Motorfahrzeug

«Ich halte Verbote älterer Dieselfahrzeuge für falsch. Vielmehr muss es das Ziel sein, ältere Fahrzeuge durch neueste Technologien zu ersetzen. Die sozialpolitischen Aspekte müssen dabei auch berücksichtigt werden, um allen Schichten die individuelle Mobilität zu sichern.»

(Marcel Guerry, Emil Frey AG, in: Tages-Anzeiger, 5. März 2019)

Aha. Der Vertreter der Automobilbranche kümmert sich um «sozialpolitische Aspekte» und setzt sich dafür ein, dass für «alle Schichten» die «individuelle Mobilität» gesichert sein müsse. Tönt ja gut. Aber würde dies, weitergedacht, nicht bedeuten, dass sämtliche Bewohner und Bewohnerinnen der Erde ein Anrecht auf ein privates Auto haben müssten? Denn es gibt keinen Grund, einer Familie aus Malawi dieses Recht, das eine Schweizer Familie ganz selbstverständlich in Anspruch nimmt, nur deshalb zu verweigern, weil sie im «falschen» Kontinent geboren wurde. Und wie ist es mit dem Fliegen? Auch da könnte man «sozialpolitisch» genau gleich argumentieren und daraus die Forderung ableiten, jeder Mensch – weltweit – müsste ein Recht aufs Fliegen haben. Wir sehen: Die «sozialpolitische» Argumentation ist, angesichts des drohenden Klimawandels und aller weiterer Folgen des Individualverkehrs, nicht zielführend. Die Argumentation müsste genau in die entgegengesetzte Richtung gehen: Die Frage wäre, welche Transportmittel und in welchem Ausmass allen Menschen zugänglich sein müssten, ohne dass es dadurch zu unverantwortbaren ökologischen Folgen kommen dürfte. Würde man eine solche Bestandesaufnahme vornehmen, hätte vermutlich das private Motorfahrzeug auf dieser Erde keinen Platz mehr. Dafür hätte jeder Erdenbewohner und jede Erdbewohnerin ein Fahrrad sowie kostengünstigen oder sogar kostenlosen Zugang zu einem äusserst fein verästelten öffentlichen Verkehrssystem, das jeden noch so abgelegenen Ort zuverlässig bedienen würde.

Noch nicht geboren, aber bereits 115’000 Follower

Auf Instagram hat Halston Blake Fisher über 115’000 Follower. Die Kleine ist eine sogenannte Kidfluencerin, nur weiss sie es noch gar nicht. Denn Halston ist noch nicht einmal geboren. Sie soll noch in der ersten März-Woche zur Welt kommen, doch ihre Eltern sorgen schon im Voraus dafür, dass ihr Baby ein Medienstar wird. Vater Kyler und Mutter Madison Fisher haben Erfahrung mit Social Media. Ihre zwei Jahre alten Zwillingstöchter Taytum und Oakley haben 2,5 Millionen Insta-Follower  und verdienen mit gesponserten Posts zwischen 10’000 und 20’000 Dollar. Taytum und Oakley posieren regelmässig für Kinderkleider, Spielzeug oder Autositze. Den Youtube-Kanal der Familie haben über drei Millionen Personen abonniert. «Meine Kinder machen das Paket perfekt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so weit gekommen wären, wenn wir die Mädchen nicht hätten», sagt Papa Kyler. Die Eltern sorgen für die Likes, die Marken für das Geld: Die Spielzeugfirma Melissa & Doug hat vor einiger Zeit zahlreiche Familien mit Insta-Accounts per E-Mail angeschrieben. Sie bot Geld und kostenloses Spielzeug für die Posts ihrer Kinder, auf denen zu sehen ist, «wie sie Spass mit den Spielsachen haben». Für einen Post bot das Unternehmen 10 Dollar pro 1000 Follower…. Vorbild aller Kidfluencer ist der siebenjährige Youtuber Ryan, der mit seiner Show «Ryan Toys Review» laut der Wirtschaftszeitschrift «Forbes» 22 Millionen Dollar pro Jahr verdient.

(www.20minuten.ch)

Die schrankenlose Ausdehnung des Kapitalismus, die nicht einmal mehr vor den unvorstellbarsten Absurditäten Halt macht…

Überwachungskapitalismus: Wie Frösche, die im kochenden Wasser sitzen

Die Monster im Pokémon-Spiel verlocken Spieler dazu, private Daten zu verraten. Wann gehen sie wohin? Und sie steuern die Spieler, denn die gehen gezielt an Orte, wo es Monster gibt. Niantic, die Firma hinter Pokémon Go, verdient so ihr Geld. Sie verkauft sogenannte Pokéstops an Geschäfte, an einen McDonald’s oder an eine Pizzeria – und die bekommen Laufkundschaft. Das Spiel ist Teil eines ökonomischen Systems, das ich Überwachungskapitalismus nenne. Die Überwachungskapitalisten öffnen die Tür zu unserem Leben, kommen herein und saugen unsere privaten Erlebnisse aus uns heraus. Diesen Rohstoff übersetzen sie in Nullen und Einsen, ohne uns zu fragen, um dann mit ausgefeilten Computertechnologien Vorhersagen über unser Verhalten daraus zu gewinnen… Die Unternehmensberater von McKinsey glauben, dass die Kombination aus großen Datenmengen und künstlicher Intelligenz die Wirtschaft bis 2030 weltweit um 16 Prozent zusätzlich wachsen lässt. Wenn McKinsey oder andere so etwas behaupten, dann ist das entweder ideologisch naiv, oder sie lassen absichtlich außer Acht, was hier gesellschaftlich auf dem Spiel steht. Wir zahlen mit Informationen über unser Leben. Überwachungskapitalisten erklären unser ganzes Menschsein einseitig zu ihrem frei verfügbaren Rohstoff… Klar kann man große Datenmengen – Big Data – auch nutzen, um der Gesellschaft zu helfen, den Krebs zu bekämpfen oder die Klimakrise. Aber dazu brauchen wir keinen Überwachungskapitalismus. Die Überwachungskapitalisten nutzen ihre geheimen Datenwelten ja gerade nicht, um solche Probleme zu lösen. Sie nutzen sie, um Geld zu verdienen… Genau so funktioniert Überwachungskapitalismus: wie ein Einwegspiegel. Die sehen uns, aber wir sehen sie nicht. Die wissen alles über uns, aber wir wissen wenig über sie und ihre Methoden, ihre Maschinen, ihre Algorithmen… Das alles führt zu einer extremen Elitenbildung. Denn so eine ungleiche Verteilung von Wissen hat es in der Geschichte der Menschheit noch nicht gegeben. Das schafft eine neue Dimension der sozialen Ungleichheit – und ein gewaltiges Machtgefälle. Nur einige wenige profitieren vom Wachstum. Wir werden zurückkatapultiert in ein feudales Zeitalter. Ähnlich ist es beim Überwachungskapitalismus. Er kontrolliert Wissen und Macht so, wie wir es von vormodernen Gesellschaften kennen. Es gibt viele Gründe, warum die Überwachungskapitalisten in den vergangenen zwei Jahrzehnten ziemlich ungehindert tun und lassen konnten, was sie wollten. Einer davon ist die Geheimhaltung. Sie haben alles getan, um uns ahnungslos zu halten, um dann im rhetorischen Nebel von Beschönigungen und Verschleierungen gedeihen zu können. Google und Facebook haben so getan, als seien sie unsere Freunde und nicht profitorientierte Firmen, als würden sie uns stark machen, uns befreien. Ich habe eine Zeit lang Lehrbücher von großen Zauberern gelesen. Irreführung ist der Kern eines jeden Zaubertricks. Das Publikum merkt nicht, was wirklich geschieht, weil der Zauberer die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenkt… Was sich Überwachungskapitalisten wünschen: eine total transparente Menschheit.  Leider haben zu viele Menschen die Sicht der Überwachungskapitalisten hingenommen. Sie sind wie der Frosch, der im Wasser sitzen bleibt, das langsam zu kochen beginnt.

(Shoshana Zuboff, Professorin an der Harvard Universität, in: www.stern.de)

Und immer wieder, wenn wir den Kapitalismus des 19. Jahrhunderts mit dem heutigen vergleichen, stellen wir fest: Der Kapitalismus ist nicht weniger bedrohlich und weniger gefährlicher geworden, er ist nur viel raffinierter geworden…

 

Schnelligkeit um jeden Preis

Die neue Mobilfunkgeneration 5G bietet deutlich schnellere Datenübertragungen. Bei 5G kann man pro Hertz Bandbreite rund 172 Bit pro Sekunde übertragen, während es bei 3G noch magere 1,44 Bit pro Sekunde waren.

(www.it-markt.ch)

Auch eines dieser kapitalistischen Dogmen, das niemand in Frage stellt: Es muss, ob wir es wollen oder nicht, alles immer schneller werden. Auch wenn der Effekt im Vergleich zum Aufwand, der dafür betrieben werden muss, immer geringer wird. So zum Beispiel können Filme mit der neuen 5G-Technologie innerhalb von wenigen Sekunden heruntergeladen werden, während man vorher mehrere Minuten brauchte. Oder ein neuer Eisenbahntunnel: Wenn man damit zehn Minuten schneller von A nach B gelangt, dann wird er gebaut, es mag noch so viele Millionen kosten. Oder die Anzüge der Skirennfahrer und Skirennfahrerinnen: Unsummen werden investiert, damit sich die Laufzeit der betreffenden Fahrerinnen und Fahrer um ein paar Tausendstelsekunden verkürzt. Schnelligkeit um jeden Preis. So schafft sich der Kapitalismus laufend neue Profitfelder, denn es gibt immer noch etwas, was sich beschleunigen lässt. Bleibt die Hoffnung, dass die damit gewonnene Zeit dafür gebraucht wird, um über Alternativen zum Kapitalismus nachzudenken. Denn sonst könnte sehr wohl schon bald alles im Chaos enden…

Gestohlene Fische – was ist «legal» und was ist «illegal»?

Wenn Abdou Karim Sall über den Tag der Revolte spricht, spürt er wieder die Wut. Zwei ausländische Schiffe hatten damals illegal in einer maritimen Schutzzone gefischt. Er und ein paar andere Kleinfischer aus dem Ort Joal riefen die Bevölkerung im Radio zu Protesten auf. Dann fuhren sie raus aufs Meer und kidnappten zwei Kapitäne. Für die Aktion kamen sie kurzzeitig in Haft, abgeführt vom Militär. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen versuchten Mord vor… «Uns nannte man Piraten», sagt Sall vier Jahre danach. «Doch ihr Ausländer seid die Piraten, denn ihr fischt unsere Meere leer.»

(Tages-Anzeiger, 2. März 2013)

Was ist «legal», was ist «illegal»? Der Kapitalismus stellt alles auf den Kopf. «Legal» ist das Leerfischen der Weltmeere durch europäische, russische und chinesische Hightechschiffe sowie die Zerstörung der Lebensgrundlagen der dortigen Bevölkerung. «Illegal» ist das Kidnappen zweier Kapitäne eines solchen «Raubschiffs». «Illegal» ist es auch, wenn ein Fischer, der von seiner Arbeit nicht mehr leben kann, aufbricht, um sein Glück in jenem fernen Europa, wo die ihm gestohlenen Fische gegessen werden, zu suchen. Der grösste Hohn ist, dass sich die reichen Länder Europas zusätzliche Fangrechte durch «Hilfsleistungen» und «Entwicklungshilfegelder» erkaufen. Denn auch das Geld, das hier «grosszügigerweise» zur Verfügung gestellt wird, ist nichts anderes als gestohlenes Geld – gestohlen im weltumspannenden Machtsystem des Kapitalismus, in dem die Reichen immer reicher werden dadurch, dass die Armen immer ärmer werden. Ja, der Kapitalismus hat nicht Fehler, er ist der Fehler.

Leben im Kapitalismus ist wie Leben in einer Sekte

Weiss jemand, der in einer Sekte ist, dass er in einer Sekte ist? Woher weiss ich denn, ob ich autonom handle? Was bedeutet es konkret, frei zu sein? Wie viele unserer Überzeugungen sind eigentlich unsere eigenen? Wie viel haben wir wirklich selber entschieden?

(Tristan Harris, ehemaliger Google-Mitarbeiter, in: TAM, 2. März 2019)

Das Gleiche kann man vom Kapitalismus sagen: Weiss jemand, der im Kapitalismus lebt, dass er im Kapitalismus lebt? Wohl kaum, denn er kennt nichts anderes. Wenn wir in einem Tannenwald geboren wurden und uns zeitlebens durch diesen Tannenwald bewegen, dann wissen wir nichts von den Wiesen, von den Bergen und von den Meeren, die jenseits dieses Tannenwalds liegen. Und würde einer mitten im Tannenwald von jenen Wiesen, Bergen und Meeren erzählen, würden wir ihn für verrückt erklären. Dass wir im Kapitalismus so leben wie wenn wir in einer Sekte leben würden – daran ändert auch der Umstand nichts, dass wir heute weitere Reisen unternehmen denn je. Denn der Kapitalismus ist überall, die Flugzeuge, die Badestrände, die Einkaufszentren und die Hotels gleichen sich wie ein Ei dem andern. Und überall herrscht das Geld, das Blut des Kapitalismus. Den Ausstieg aus der Sekte schaffen wir nicht, wenn wir möglichst viel und weit reisen. Wenn dem so wäre, dann wäre, in Anbetracht der Millionen Flugreisenden, auch in der Schweiz schon längst die Revolution ausgebrochen. Den Ausstieg aus der Sekte schaffen wir nur, wenn wir in unserem Allerinnersten einen Schalter umlegen und uns auf Schritt und Tritt zu fragen beginnen, ob alles nicht auch ganz anders sein könnte, als es ist.

Zurück zur guten alten PTT

Ein traditionsreiches Unternehmen der Schweizer Telecombranche ist Geschichte: Der Kabelnetzbetreiber UPC Schweiz, der aus der früheren Cablecom entstanden ist, wird im Verlauf des Jahres mit Sunrise fusioniert. «Wir können so den grössten Herausforderer der Swisscom im Schweizer Markt schaffen», sagt Sunrise-Chef Olaf Swantee… Der Preis für UPC beträgt 6,5 Milliarden Franken… Die Fusion solle dem Kunden zugute kommen, so Swantee. Da sich der Wettbewerb verschärfe, werden die Preise fallen. Es werde aber auch Entlassungen geben, vor allem im Administrationsbereich.

(Tages-Anzeiger, 1. März 2019)

Woher kommen die 6,3 Milliarden Franken, die Sunrise für UPC zu berappen hat? Kommen sie aus den Taschen der Kundinnen und Kunden? Oder werden sie durch Entlassungen der eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen herausgepresst? Wäre es nicht an der Zeit, den ganzen Unfug sich gegenseitig konkurrenzierender, gewinnorientierter Unternehmen abzubrechen und wieder zur guten alten PTT mit ihrem gesellschaftlichen Auftrag der flächendeckenden Grundversorgung in der Telekommunikation und dem Transportwesen zurückzukehren? Wer an so etwas denkt, dem wird meist vorgehalten, man könne doch das Rad der Geschichte nicht einfach zurückdrehen. Aber weshalb eigentlich nicht? Die britischen Eisenbahnen wurden schliesslich, als die Privatisierung in einem totalen Desaster endete, auch wieder verstaatlicht.

2,5 Millionen Küken bei lebendigem Leib geschreddert

Pro Jahr werden in der Schweiz 2,5 Millionen Küken bei lebendigem Leib geschreddert, weil sie das «falsche» Geschlecht haben. Dabei kommt es oft vor, dass Tiere überleben – beispielsweise mit abgeschnittenen Füssen. Nun soll das Schreddern lebender Küken in der Schweiz verboten werden. Der Bundesrat stimmt einer entsprechenden Forderung der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK) zu.

(www.blick.ch)

So etwas Verrücktes wie das Schreddern lebendiger Küken kann nur dem Kapitalismus in den Sinn kommen. Wenn nun auch das Schreddern lebendiger Küken künftig nicht mehr erlaubt sein soll, dann hat der Kapitalismus immer noch genug Schlupflöcher, wo er sich austoben kann – man denke nur etwa an die Tierversuche, denen ebenfalls jedes Jahr eine halbe Million Tiere geopfert werden. Es liessen sich zahllose weitere Beispiele aufzählen. Dies zeigt: Der Kapitalismus ist ein Raubtier, das sich nicht zähmen lässt, wenn man ihm die schlimmsten Zähne ausreisst – die Zähne wachsen nach und suchen sich neue Beute. Es braucht eine von Grund auf neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der ein Tierleben und ein Pflanzenleben ebenso viel wert sind wie ein Menschenleben.