Archiv des Autors: Peter Sutter

So tickt der Kapitalismus

Andy Rubin, der Entwickler von Android-Software, zwang eine Angestellte zu Sex und wurde in einer internen Untersuchung für schuldig befunden. Trotzdem willigte die Google-Führung in einen mit 90 Millionen Dollar versüssten Abgang ein. Die erzwungene Demission von Amit Singhal, Chef der Google-Suchmaschine, sollte mit 45 Millionen Dollar abgegolten werden, obwohl auch er Angestellte sexuell belästigt hatte. In beiden Fällen winkte der Verwaltungsrat die fürstliche Entschädigung widerspruchslos durch.

(Tages-Anzeiger, 13. März 2019)

Wenn der Mitarbeiter einer Kindertagesstätte Kinder sexuell belästigt, wird er gebüsst und verliert seine Stelle. Wenn Google-Kaderleute Untergebene sexuell belästigen, dann werden sie zwar auch entlassen, aber statt einer Busse erhalten sie eine Abgangsentschädigung von sage und schreibe 45 bzw. 90 Millionen Dollar. So tickt der Kapitalismus…

Verkehrsprobleme: Die Linke weiss nicht, was die Rechte tut

Alle reden vom Klimaschutz. Gleichzeitig präsentiert der Automobilsalon in Genf Autos, die an Zugkraft, technischen Raffinessen, Luxus und Bequemlichkeit alles Bisherige übertreffen. Und Autogaragen laden landauf landab zu attraktiven Shows mit Gratiswurst, Kinderspielparks und anderen Attraktionen ein. Hört man sich dagegen bei gewissen Autoherstellern und Technikern um, so scheint es, als ob schon in wenigen Jahren auf unseren Strassen nur noch Elektromobile verkehren. Andere wiederum träumen davon, dass schon bald selbstfahrende Autos unsere heutigen Benzinkutschen ersetzt haben werden. Und der Nationalrat, als wisse er von alledem nicht das Geringste, will über 13 Milliarden Franken in Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Nationalstrassennetzes investieren.

Das ist die zersplitterte kapitalistische Welt. Die Linke weiss nicht, was die Rechte tut, und umgekehrt. Dabei hängt doch alles mit allem aufs engste zusammen. Es bräuchte so etwas wie ein Gremium der intelligentesten, kreativsten und innovativsten Fachpersonen, die über zukunftsträchtige und ökologisch vernünftige Gesamtlösungen der Verkehrsprobleme nachdenken würden, ein Gremium, dem alle Leistungsträger von den Strassenbauern über die Elektromobilindustrie bis zum öffentlichen Verkehr untergeordnet würden. Vielleicht würde ein solches Gremium dann sogar herausfinden, dass es das Privatauto in der bisherigen Form gar nicht mehr braucht, sondern sich im Fernverkehr durch die Eisenbahn und im Nahverkehr durch Busse, Trams und ein fein verästeltes Taxinetz mit elektrisch angetriebenen Kleinfahrzeugen ersetzen lassen würde. Aber dieses Gremium würde noch vieles mehr herausfinden und die Schweiz könnte nachgerade eine internationale Vorreiterrolle in Sachen Mobilität einnehmen…

Wer hat, dem wird gegeben III

Die Cheflöhne in den 20 grössten Schweizer Konzernen sind zwischen 2008 und 2017 jährlich um zwei bis vier Prozent gestiegen. Der CEO von Adecco erhielt 2017 4,5 Millionen Franken, 62 Prozent mehr als 2008. Der CEO von Roche kassierte 2017 11,7 Millionen Franken, 46 Prozent mehr als 2008. Und der CEO von Richemont wurde mit 8,9 Millionen Franken entschädigt, 33 Prozent mehr als 2008. Bei SGS erhöhte sich das Gehalt des CEO zwischen 2008 und 2017 sogar um 69 Prozent, bei Sika um 90 Prozent und bei Givaudon um 99 Prozent! Dazu der Vergütungsexperte Urs Klingler: «Der Lohn korreliert in erster Linie mit der Branche, der Globalität, der Komplexität des Geschäftsmodells und der Grösse des Unternehmens.»

(Schweizer Fernsehen SRF1, «10vor10», 11. März 2019)

Bauarbeiter? Krankenpflegerin? Koch? Coiffeuse? Pech gehabt. Sie sind offensichtlich in der «falschen Branche», ihre Tätigkeiten sind zu wenig «komplex» und zu wenig «global» und ihre Firmen sind zu klein, als dass sie in den Genuss von Lohnerhöhungen von 46, 69 oder 99 Prozent gelangen könnten. Dabei sind es doch gerade sie, die mit ihrer täglichen Plackerei zu Hungerslöhnen die sündhaften «Löhne» der oberen Zehntausend erst möglich machen – denn irgendwoher müssen diese wohl kaum echt erarbeiteten, als vielmehr gestohlenen und unrechtmässig angeeigneten Millionen ja kommen. Was für eine verkehrte Welt…

Im goldenen Elend des Reichtums

Vor mehr als 15 Jahren verließ Charles Duhigg die Harvard Business School – die Kaderschmiede der Reichen und Erfolgreichen. Die ganze Welt stand den Absolventen offen, denn wie es Duhigg in der «New York Times» schildert: «Ein Harvard M.B.A. war wie ein Gewinnlos, eine vergoldete Autobahn hin zu Einfluss, der die Welt verändern kann, fantastischem Reichtum und einem Leben voller befriedigender Arbeit.» Doch im Sommer letzten Jahres besuchte Duhigg ein Ehemaligentreffen seines Jahrgangs und war geschockt, wie unglücklich seine Mitstudenten geworden waren. Mit der Super-Karriere hatte es durchaus geklappt, aber das Leben an der Spitze ist offenbar nicht einfach. Ein Ehemaliger leitete einen großen Hedgefonds, bis er von Investoren verklagt wurde. Jemand anderes stieg in einem der renommiertesten Unternehmen der Nation ganz nach oben auf, bevor er brutal vor die Tür gesetzt wurde. Eine Kommilitonin erfuhr auf der Entbindungsstation, dass ihre Firma ruiniert war, weil sie von einem Partner bestohlen wurde. Das waren die krassesten Fälle, hier platzte der Traum vom Top-Management. Doch auch die anderen waren in einer Art goldenem Elend gefangen. Ein Studienkamerad beschrieb den Druck, jeden Tag möglichst gewinnbringend fünf Millionen Dollar investieren zu müssen. Er verdient über eine Million Dollar pro Jahr und hasst es dafür, ins Büro zu gehen. Denn die Arbeit ist unglaublich stressig und vollkommen sinnbefreit. «Ich fühle mich, als würde ich mein Leben verschwenden», sagte er. «Wenn ich sterbe, wird es jemanden interessieren, dass ich einen zusätzlichen Prozentpunkt Rendite verdient habe? Meine Arbeit fühlt sich völlig bedeutungslos an.» Das Problem: Auch das beste Gehalt verwandelt einen sinnlosen Job nicht in eine erfüllende Tätigkeit. Der Ex-Student versuchte, sein Leben zu ändern, aber er war gefangen. Er wollte durchaus zu einer sinnvollen Tätigkeit wechseln, die aber nur 500’000 Dollar eingebracht hätte. Seine Frau lachte ihn aus, als er ihr mit dieser Idee kam…

(www.stern.de)

Die Beispiele zeigen, dass es in der kapitalistischen Welt nicht nur Schwarz und Weiss gibt. Nicht nur hier die reichen und glücklichen Ausbeuter, dort die armen und unglücklichen Ausgebeuteten. Genau so schädlich wie der Kapitalismus für die Armen und Ausgebeuteten ist, so schädlich ist er nämlich auch für die so genannten «Ausbeuter», denn auch sie sind im gleichen goldenen Käfig gefangen. Sie haben zwar viel Geld, müssen dafür aber Jobs erfüllen, die grenzenlos stressig und – in moralischer Hinsicht – sinnlos oder gar schädlich sind. Zudem sind sie einem immensen Druck ausgesetzt, ihre Stelle, wenn sie nicht knallhart nach der kapitalistischen Gewinnmaximierungsideologie funktionieren, von einem Tag auf den andern zu verlieren. So gesehen ist der Kapitalismus insgesamt ein krankmachendes System – während die einen am Hunger oder an verseuchtem Trinkwasser sterben, sterben die anderen an Stress, Überarbeitung oder Zukunftsangst…

3. Klasse im Zug: Ein Rückfall ins frühe 20. Jahrhundert

Die Schweizer Bahnen sollen im Kampf gegen Uber, Fernbusse und Elektromobile neue Wege gehen. Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Verkehr empfiehlt SBB & Co., für Kunden mit kleinem Budget eine neue 3. Klasse einzuführen. Dabei schwebt den Autoren eine Art Easy Jet auf der Schiene vor: Die Passagiere sollen in dieser 3. Klasse enger gestuhlt auf fünf Plätzen pro Reihe sitzen. So habe man ein maximales Sitzangebot zu günstigen Preisen…

(NZZ am Sonntag, 10. März 2019)

Ein Rückfall ins frühe 20. Jahrhundert – damit man schon von weitem sieht: Hier, zu dritt nebeneinander, sitzen die Reichen. Dort, zu viert nebeneinander, sitzt der Mittelstand. Und ganz hinten, zu fünft nebeneinander, sitzen die Armen. Und dies alles nur deshalb, um gegenüber den Dumpingpreisen der Fernbusse konkurrenzfähig zu bleiben. Dies zeigt, dass freier Markt und Konkurrenzprinzip im öffentlichen Verkehr nichts verloren haben. Der öffentliche Verkehr gehört vollumfänglich in die Hand des Staates – so wie das bis zur Zerschlagung der PTT im Jahre 1998 der Fall war.

«Es gibt keine grünen Autos»

Wir werden nicht darum herumkommen, vom privaten Motorfahrzeug wegzukommen. In der Euphorie um Elektromobile und selbstfahrende Autos vergisst man nur allzu schnell, dass auch diese Fahrzeuge immense Umweltprobleme produzieren – durch die graue Energie für die Herstellung der Fahrzeuge, durch die Entsorgung der Batterien und Akkus, für die es immer noch keine Lösung gibt, sowie durch die Verschrottung der bisherigen Benzin- und Dieselautos. «Es gibt keine grünen Autos», sagte ein bekannter Politiker und hatte damit vollkommen Recht. Vor allem, wenn man sich vorstellt, dass es weltweit eine solche Verkehrsdichte gäbe wie beispielsweise in der Schweiz. Nein, es geht nicht ohne die Abschaffung des Privatautos. Zweifellos braucht es weiterhin Ambulanzen und Feuerwehrautos. Auch der Berufsverkehr wird sich vermutlich nicht vollumfänglich auf die Schiene bringen lassen, ausser die grossen Überlandtransporte, die heute mit Lastwagen getätigt werden. Wie aber sollen Menschen, die in einem abgelegenen Bergdorf leben, ihre Einkäufe tätigen? Kein Problem. Sie bestellen ihre Einkäufe telefonisch in den Geschäften der nächsten grösseren Gemeinde. Einmal pro Tag holt ein Transportfahrzeug die bestellten Waren in den betreffenden Geschäften ab und bringt sie ins Bergdorf, wo sie von Haus zu Haus abgeliefert werden – so fährt statt 20 oder 30 Autos pro Tag nur ein einziges zwischen dem Bergdorf und der grösseren Gemeinde hin und her und es ist sogar für die Menschen im Bergdorf viel zeitsparender, bequemer und vermutlich sogar billiger. Und so liessen sich für jeden Zweck innovative, intelligente Lösungen finden. Dass es heute noch nicht in diese Richtung geht, sondern im Gegenteil von einer jährlich wachsenden Verkehrsmenge und von sechsspurigen Autobahnen gesprochen wird, kommt daher, dass wir nicht einer Welt der Intelligenz und einer zukunftsgerichteten Genügsamkeit leben, sondern in der Welt des Kapitalismus, der uns antreibt, alles bis zum Gehtnichtmehr immer weiter wachsen zu lassen.

Gesundheitssystem als Wettkampfarena

Das ist die allseits akzeptierte Strategie: Die Zürcher Stadtspitäler sollen durch Wachstum im Markt bestehen. Doch neben den Stadtspitälern setzen auch alle anderen Spitäler im Raum Zürich – und das sind viele – auf Wachstum. Das stationäre Geschäft, das Gewinn einbringt, wächst aber kaum noch, weil immer mehr Operationen ambulant möglich sind.

(Tages-Anzeiger, 8. März 2019)

Ist das Gesundheitssystem eine Wettkampfarena, in der jeder bestrebt ist, den anderen zu besiegen? Wer hat eigentlich je diese verrückte Idee in die Welt gesetzt, alles müsse beständig wachsen? Und wie soll das aufgehen, wenn alle wachsen wollen, aber niemand schrumpft? Würde es denn nicht genügen, wenn die Zahlen konstant blieben und man nicht mehr das Wachstum zum Ziel hätte, sondern ein möglichst ausgewogenes Gleichgewicht?

Kürzung der IV-Renten: Seltsame Logik

Die Invalidenversicherung (IV) ist weitgehend vom Radar der breiten Öffentlichkeit verschwunden. Dabei ist das immer noch hochverschuldete Sozialwerk nicht saniert. Das hat nun im Gegensatz zum Bundesrat auch der Nationalrat erkannt. Deutlich sprach er sich am Donnerstag für eine Kürzung der Zusatzleistungen für IV-Bezüger aus, die Kinder haben. Das entlastet die Versicherung pro Jahr um rund 112 Millionen Franken. Dies, weil die bestehende Regelung fragwürdige Anreize setzt. Familien mit mehreren Kindern erzielen mit der IV-Rente und diversen Zulagen ein höheres Einkommen als mit einer Erwerbstätigkeit.

(www.nzz.ch)

Eine seltsame Logik. Mit dem gleichen Argument könnte man sich dafür einsetzen, dass der Lohn eines Managers um die Hälfte zu kürzen sei, da es doch nicht fair sei, dass er 20 oder 30 mal so viel verdient wie die Arbeiterinnen und Arbeiter seines Unternehmens. Wo es, bei den IV-Bezügern und den Tiefstlohnabhängigen, um die Existenzsicherung geht, müsste man die Levels nicht nach unten angleichen, sondern nach oben. Sprich: Wenn IV-Renten höher sind als Tiefstlöhne, dann müsste man nicht die IV-Renten senken, sondern die Tiefstlöhne anheben. Sonst ist dem Schrauben nach unten kein Ende gesetzt und wir nähern uns immer mehr den Zuständen in einem Drittweltland. In letzter Konsequenz kann dieser Entwicklung nur ein Einheitslohn Abhilfe schaffen: Alle, ob Manager oder IV-Rentner oder Tiefstlohnbezüger, haben das gleiche Recht auf ein gutes Leben. Dann würde auch jegliches Vergleichen, Ausspielen und Sparen auf dem Buckel der Schwächsten ein Ende haben. Voraussetzung dafür wäre, dass alles Geld in einem einzigen Topf ist, nicht in voneinander getrennten Töpfen, in denen privater, egoistischer Reichtum angesammelt wird, der dann in allen anderen Töpfen fehlt.

Frauenbewegung greift zu kurz

Der Kommerz macht auch vor dem Frauentag nicht Halt. Angeboten werden zum Beispiel in Modeläden haufenweise T-Shirts mit feministischen Sprüchen, fabriziert von Näherinnen in Indien oder Bangladesh, die dafür einen Hungerlohn erhalten.

(Wochenzeitung, 7. März 2019)

Clara Zetkin, die Begründerin eines internationalen «Frauenkampftages», wusste schon, weshalb sie eine dezidierte Antikapitalistin war. Denn im Ausbeutungssystem des Kapitalismus hängt alles mit allem zusammen – und auch die Frauen können in der Rolle der Ausbeuterinnen sein und die Männer in der Rolle der Ausgebeuteten. Man denke etwa an die indische Millionärstochter und die Köche, welche ihr Essen zubereiten. Oder an die Frauen der saudiarabischen Oberschicht, welche von der Arbeit philippinischer Bauarbeiter profitieren. Oder an die schweizerische Unternehmerin, die ihr hohes Einkommen nicht zuletzt dem Umstand verdankt, dass sich die Arbeiter in ihrer Firma mit dermassen tiefen Löhnen zufriedengeben müssen. Deshalb greift die Frauenbewegung, so lange sie nur den Blick auf die Frauenrechte wirft, zu kurz. Die Frauenbewegung müsste Teil einer viel umfassenderen und tiefergreifenden Bewegung sein, welche nicht nur gegen die Benachteiligungen der Frauen, sondern gegen jegliche Form von Ausbeutung ankämpfen würde – eben eine antikapitalistische, geschlechterübergreifende Bewegung mit dem Ziel einer neuen, nichtkapitalistischen, ausbeutungsfreien Gesellschaft.

Mit offenen Augen in den Abgrund

Die Heuchelei in Sachen Klimaschutz ist wirklich bemerkenswert. Wir wissen, dass wir wegkommen müssen von fossilen Brennstoffen. Wir wissen, dass wir, um die Klimaziele zu erreichen, weniger auf Öl und Gas setzen müssen. Aber derzeit passiert weltweit genau das Gegenteil: In den nächsten Jahren wird so viel Öl und Gas produziert wie noch nie zuvor. Allein der Öl- und Gas-Multi Exxon Mobil, eine der drei führenden Ölgesellschaften, wird laut «Economist» 2025 rund ein Viertel mehr Öl und gas produzieren als noch 2017… Gemäss Exxon Mobil wird die globale Nachfrage nach Öl und Gas bis 2030 um 13 Prozent steigen. Das ist der Grund, weshalb praktisch alle Ölfirmen ihren Output massiv erhöhen und neue Ölfelder suchen und in Betrieb nehmen… Eigentlich müssten wir die Öl- und Gasproduktion bis 2030 um 20 Prozent reduzieren und bis 2055 sogar um 55 Prozent, damit wir die Klimaerwärmung auf plus 1,5 Grad limitieren könnten. Der Trend läuft in die Gegenrichtung.. Jetzt kann man natürlich diese Ölfirmen verteufeln, doch diese reagieren nur auf Anreize aus der Politik und der Wirtschaft. Und diese Anreize spielen immer noch für die fossilen Energieträger. Niemand will die grossen Ölgesellschaften stürzen sehen, zu viele Anlage- und Pensionskassengelder sind in diesen Firmen investiert… Und natürlich würde sich das Geschäft der Ölgesellschaften nur dann dramatisch verändern, wenn etwas bei unserem Konsumverhalten passieren würde. Tut es aber nicht… Das Einzige, was bleibt, ist die Hoffnung auf irgendeine mirakulöse technische Erfindung, die das Problem für uns aus der Welt schafft, ohne dass wir unseren bequemen Lebensstil ändern müssten. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

(Reto Lipp, Wirtschaftsjournalist SRF, in: Tages-Anzeiger, 6. März 2019)

Die Beispiele zeigen, dass im Kapitalismus eben alles mit allem zusammenhängt. Deshalb gibt es keine Lösung des Klimaproblems innerhalb des kapitalistischen Systems. Das haben all jene Klimastreikenden, die ein Transparent mit der Aufschrift «System Change, not Climate Change» mit sich trugen, nur zu gut erkannt. Wie lange geht es, bis es auch Wirtschaftsbosse, Unternehmer und Politiker erkennen? Dass wir eine «mirakulöse technische Erfindung» machen, die das Problem aus der Welt schafft, ohne dass wir unseren bequemen Lebensstil ändern müssten, ist eine trügerische Hoffnung. Wenn, in einer nichtkapitalistischen Wirtschaftsordnung, die Raffgier nicht mehr an oberster Stelle steht, dann werden wir unseren Lebensstil in dem Masse zurückbinden müssen, wie er sich in den armen und ärmsten Ländern der Welt steigern und alles grenzenlos gerecht und gleichmässig verteilt sein wird.