Archiv des Autors: Peter Sutter

Eine verrückte Welt

Amazon vernichtet massenhaft Rücksendungen und neuwertige Produkte. Eine Mitarbeiterin des Onlinehändlers berichtete, dass sie jeden Tag Waren im Wert von mehreren zehntausend Euro vernichtet habe. Dazu gehörten Kühlschränke, Wasch- und Spülmaschinen, Handys, Tablets, Matratzen und Möbel. Amazon zerstöre dabei nicht nur unbrauchbare Produkte, sondern auch funktionstüchtige und teilweise neue Artikel.

(Der Standard, 23. November 2018)

In was für einer Welt leben wir eigentlich? Eine Milliarde Menschen haben nicht einmal genug zu essen, geschweige denn eine Spülmaschine oder einen Kühlschrank. Während sich auf der anderen Seite der Welt eine andere Milliarde Menschen den Luxus leisten kann, einen Drittel der gekauften Lebensmittel wieder fortzuwerfen und voll funktionsfähige Hausgeräte, Tablets und Handys zu verschrotten, bloss weil das offensichtlich billiger ist, als diese Geräte zu kontrollieren, umzulagern, neu einzupacken und wieder zu versenden…

Ich will nicht wissen, was in den Geschichtsbüchern des 22. Jahrhunderts über unsere heutige Zeit geschrieben sein wird…

Eine neue Form der Demokratie

Regierungsräte im Hipster- oder Snowboarder-Look – mit solchen Photoshop-Bildern wird für die Bündner Jugendsession am kommenden Wochenende geworben. 120 Plätze waren dafür zu vergeben, doch angemeldet sind gerade mal 35 Jugendliche. Nicola Stocker, Präsident der Jugendsession und Mitglied der Jungen SVP, ist enttäuscht: «Wir haben denjenigen, die auf die Strasse gehen, Hand geboten und das Thema Klima ganz oben auf die Traktandenliste gesetzt.» Darüber, weshalb sich die Jugendlichen offenbar kaum dafür begeistern lassen, Parlamentsluft zu schnuppern, rätselt auch Juso-Mitglied Sina Menn: «Vielleicht gehen Jugendliche lieber auf die Strasse, weil sie das Gefühl haben, damit mehr erreichen zu können».

(www.srf.ch, 4. April 2019)

Seit vielen Jahren gibt es Jugendparlamente und Jugendsessionen. Erreicht haben sie bis heute praktisch nichts. Das liegt in der Natur der Sache: Erfolg haben stets nur jene Anliegen, die auf möglichst wenig Widerstand stossen. Wirklich neue, kreative Ideen werden als utopisch abgetan und fallen aus dem Rahmen. Und schliesslich sind es zuletzt immer die Erwachsenen, die darüber entscheiden, welche der von den Jugendlichen eingebrachten Themen Zugang in die «hohe» Politik finden und welche nicht. Anders die Strassenkundgebungen der «Klimajugend». Die Strasse gehört allen, nicht nur den Erwachsenen. Und jedes Votum, und sei es noch so radikal, findet auf den Transparenten ungefiltert den Zugang an die Öffentlichkeit. Schliesslich gibt der Erfolg den streikenden Jugendlichen Recht: Ohne ihr Engagement wären die jüngsten Kantonsrats- und Regierungsratswahlen in Zürich, Luzern und Baselland wohl ganz anders ausgefallen. Hätte Greta Thunberg ihre Anliegen in einem schwedischen Jugendparlament eingebracht, wüsste vermutlich heute kein Mensch etwas von ihr und ihre Ideen wären in der Mühle der traditionellen «Demokratie» fein säuberlich zermahlen worden….

Alles andere ist kollektiver Selbstmord

1,9 Billionen US-Dollar haben 33 der grössten Banken der Welt seit dem Pariser Klimaabkommen vor der Jahren der fossilen Industrie zur Verfügung gestellt, wie grosse internationale Umweltorganisationen kürzlich festgestellt haben. Das Geld wurde etwa für den Bau neuer Raffinerien, Pipelines und fossiler Kraftwerke verwendet. Mit diesen Investitionen wird eine globale Maschinerie am Laufen gehalten, die die Erderhitzung auf lange Sicht weiter vorantreibt. Vielleicht wird dereinst ein internationaler Strafgerichtshof aufarbeiten, was da gerade passiert.

(Wochenzeitung, 4. April 2019)

Alles ist aus dem Ruder gelaufen, seitdem die Politik das Primat an die Wirtschaft abgegeben hat. Seither fallen die wirklich entscheidenden, das Überleben der Menschheit betreffenden Entscheide nicht mehr in Parlamenten und Regierungen, sondern an den grünen Tischen global agierender Finanz- und Wirtschaftskonzerne. Das kapitalistische Raubtier, das sich, je dicker es wird, umso gefrässiger gebärdet. Wir werden, wenn wir die Zukunft der Menschheit retten wollen, nicht darum herumkommen, der Politik das Primat über die Wirtschaft zurückzugeben. Alles andere ist kollektiver Selbstmord.

«Fortnite» – Spiel mit dem Feuer

Im Computerspiel «Fortnite», das weltweit von 200 Millionen Jugendlichen gespielt wird, geht es darum, eine Insel zu erobern und dort möglichst alle Bewohnerinnen und Bewohner zu töten und als Einziger zu überleben. Das, so ein jugendlicher Fan des Spiels, löse unbeschreibliche Glücksgefühle aus. «Fortnite» ist offiziell ab zwölf Jahren freigegeben, wird aber schon von Neunjährigen bis zu mehreren Stunden pro Tag gespielt. Besonders faszinierend sind die Tänze, mit denen jeweils der Augenblick gefeiert wird, in dem alle «Feinde» erledigt sind. Wie schädlich «Fortnite» ist,

darüber sind sich die Experten nicht einig. Allerdings haben die Kritiker seit dem 15. März 2019 ein starkes Argument: An diesem Tag erschoss ein Fanatiker im neuseeländischen Christchurch 50 Muslime in zwei Moscheen. Der Attentäter soll ein eifriger «Fortnite»-Spieler gewesen sein.

(Rundschau, Schweizer Fernsehen SRF1, 3. April 2019)

Sind solche Spiele schädlich? Ab welchem Alter sollen sie zugelassen werden? Wie viele Stunden pro Tag sind zumutbar? Eltern, Lehrkräfte, schulische Sozialarbeiter, Medienpädagogen und Jugendpsychologen sind gefordert, stehen mehr oder weniger hilflos einem Massenphänomen gegenüber, das sie kaum mehr in den Griff zu bekommen scheinen, so sehr zieht es, über alle Grenzen hinweg, die Jugendlichen in ihren Bann. Aber weshalb stellt niemand die Frage, ob es denn überhaupt verantwortbar sei, solche Spiele wie «Fortnite» herzustellen? Sind wir im Glauben an den «freien Markt» schon so blind geworden, dass die Verantwortung der Produzenten für uns gar kein Thema mehr ist? Der gesunde Menschenverstand müsste uns doch sagen, dass die Herstellung eines Computerspiels, in dem es einzig und allein darum geht, möglichst viele Menschen zu töten, ohne Wenn und Aber verboten sein müsste, und zwar nicht für Kinder unter zwölf Jahren, sondern ganz generell.

In der landwirtschaftlichen Tretmühle

Gemäss einer neuen Studie der Seco kommen hohe Lebensmittelpreise in der Schweiz nur zu einem geringen Teil den Bauern zugute. Die Studie zeigt vielmehr auf, dass diese hohen Preise in der Schweiz wenig mit der Landwirtschaft und viel mit dem Schweizer Handel zu tun haben. Der Anteil der Landwirtschaft an der inländischen Wertschöpfung beträgt zwischen 10 und 15 Prozent, während der Anteil des Handels bei 50 Prozent liegt. Im internationalen Vergleich kommen die Schweizer Bauern damit speziell schlecht und der Handel speziell gut weg. Die Bauern müssen die von den Nachfragern gesetzten, niedrigen Preise akzeptieren, ohne dass sie eine Ausweichmöglichkeit haben. Dies hat dazu geführt, dass Bauern heute für ihre Produkte rund 30 Prozent weniger bekommen als noch 1990, aber die Konsumenten andererseits höhere Preise bezahlen als 1990. Auf diese Weise hat sich die Wertschöpfung immer mehr weg vom Bauernhof hin in die Verarbeitung vor allem in den Handel verschoben. Wie sollen die Bauern auf diese Entwicklung reagieren? Die seit Jahrzehnten stereotype Antwort auf diese Frage lautet: Sie müssen innovativer und produktiver werden. Doch Innovation stösst in der Landwirtschaft schnell an Grenzen, wenn es um Produktinnovationen geht. Denn Verarbeiter und Handel wollen von den Bauern keine differenzierten Produkte, sondern homogene Rohstoffe wie Rohmilch oder eine bestimmte Weizensorte, wo es keine Rolle spielt, ob das Produkt vom Bauer A, B oder C kommt. Also konzentrieren sich Innovationen vorwiegend auf Produktivitätssteigerungen. Und tatsächlich sind die Landwirte in der Schweiz immer produktiver geworden. Doch leider hat ihnen dieser Fortschritt nicht geholfen. Stattdessen gerieten sie in die sogenannte landwirtschaftliche Tretmühle, wo Produktivitätsfortschritte vor allem zu Preissenkungen führen, da die Mehrproduktion auf keine erhöhte Nachfrage trifft. Auf diese Weise profitieren letztlich die Verarbeiter und der Handel von den Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft, da sie deren Erzeugnisse aufgrund höherer Produktivität zu geringen Preisen bekommen. Immer weniger Bauern produzieren so immer grössere Mengen, aber bekommen immer weniger Geld dafür. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus diesen Beobachtungen? Die Zahlen zeigen, dass nicht geringe Produktivität oder hohe Produzentenpreise, sondern die geringe Wertschöpfung auf dem Bauernhof das Problem der heutigen Landwirtschaft ist. Hier muss die Agrarpolitik in Zukunft ansetzen. Solange Bauern gezwungen sind, in erster Linie homogene Rohstoffe an einen marktmächtigen Handel zu verkaufen, ist eine Verbesserung der Einkommenssituation illusorisch.

(NZZ, 3. April 2019)

Was die Schweizer Bauern und Bäuerinnen erfahren – viel Arbeit, wenig Lohn -, das erfahren die Bauern und Bäuerinnen in den armen Ländern des Südens in noch viel drastischerem Ausmass. Ob Kaffee aus Costa Rica, Kakao aus Nigeria, Palmöl aus Indonesien, Bananen aus Honduras: Das grosse Geschäft mit allen diesen Produkten machen nicht die Produzenten und Produzentinnen, sondern die Unternehmen, die mit diesen Produkten Handel treiben und sie in den reichen Ländern des Nordens und des Westens verkaufen. Den Produzenten und Produzentinnen bleibt vom insgesamten Endpreis des Produkts ein kümmerlicher Rest, obwohl sie den wichtigsten und anstrengendsten Teil der Arbeit hierfür leisten. Selbst wenn wir im Supermarkt «faire» Produkte kaufen, kommt dem Produzenten und der Produzentin immer noch ein so kleiner Teil des Gewinns zugute, dass wir fernab sind von allem, was auch nur einigermassen als fair und gerecht bezeichnen werden könnte. Es handelt sich bei der «landwirtschaftlichen Tretmühle» also um ein globales Problem, das sich demzufolge auch nur global lösen lässt. Diese Lösung würde unter anderem beinhalten, dass mindestens die Hälfte des Verkaufserlöses eines Produkts den Produzenten und Produzentinnen zugute kommen müsste. Dass Produktion, Handel und Verkauf von Nahrungsmitteln nicht dem gegenseitigen Konkurrenzkampf, dem Preisdruck und der Spekulation ausgesetzt werden dürften. Und dass ein Land nur dann Nahrungsmittel exportieren dürfte, wenn die Ernährung der dortigen Bevölkerung sichergestellt wäre.

Raubzug der Besitzenden gegen die Arbeitenden

In diesen Tagen und Wochen ist Zahltag für die Aktionäre der Schweiz: Die 30 wertvollsten Publikumsgesellschaften an der Schweizer Börse zahlen 41 Milliarden Franken an Dividenden aus. Rund ein Dutzend namentlich bekannter Familien oder Privatpersonen streicht Jahr für Jahr etwa 15 Prozent der Ausschüttungen ein, allen voran die Nachfahren der Roche-Gründer, die Familien Hoffmann und Oehri.

(Tages-Anzeiger, 1. April 2019)

41 Milliarden Franken – überschüssiges Geld, ein Geschenk der Firmen an ihre Aktionäre, welche dafür keine andere Leistung erbringen müssen, als Aktien dieser Firmen zu besitzen. Doch woher kommt dieses Geld? Da Geld bekanntlich weder auf den Bäumen wächst noch in den Muscheln auf dem Meeresgrund zu finden ist, bedeutet dies, dass die überschüssigen und verschenkten Milliarden von irgendwem irgendwann hart erarbeitet werden mussten. Zum Beispiel von den Minenarbeitern in Südafrika oder Brasilien, welche die Fabriken mit den für ihre Produktion notwendigen Rohstoffen versorgen. Von den Arbeitern und Arbeiterinnen in den Montagehallen und an den Fliessbändern. Von den Bauarbeitern, den Technikern und den Maschinenzeichnern, welche die Fabriken planen, aufbauen und einrichten. Von den Lastwagenfahrern und dem Schiffspersonal, welches die Rohstoffe wie auch die Fertigprodukte an ihren Bestimmungsort bringen. Von den Strassenarbeitern, welche die für die Transporte unerlässliche Infrastruktur bereitstellen. Von den Angestellten in der Administration, der Logistik und den Werbeabteilungen. Von den Köchinnen und Köchen in den Betriebskantinen. Vom Putzpersonal, welches Werkhallen, Büros und Sitzungszimmer der Firma stets sauber halten. Sie alle haben durch ihre Arbeit jenen Mehrwert erschaffen, der zuletzt an die Aktionäre ausgeschüttet wird – und zwar schlicht und einfach deshalb, weil sie für ihre Arbeit weniger verdienten, als ihre Arbeit eigentlich wert gewesen wäre. So gesehen sind die Aktionärsgewinne nichts anderes als legalisierter Diebstahl, ein verbrecherischer Raubzug der Besitzenden gegen die Arbeitenden, eine permanente Umverteilung von unten nach oben…

Eine Welt ohne Kinder ist eine Welt ohne Zukunft

Die Gymnasiallehrerin Verena Brunschweiger rät in ihrem Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ihren Geschlechtsgenossinnen dringend davon ab, sich fortzupflanzen – weil der Umwelt nichts so sehr schade, als Kinder in die Welt zu setzen, die mit ihrer Konsumsucht die gute alte Erde immer stärker auslaugen. Brunschweiger bezieht sich auf eine Studie, wonach eine Person 58,6 Tonnen Kohlendioxid einsparen könne, wenn sie keine Kinder habe. Das sei weit mehr als die 2,4 Tonnen bei einem Verzicht auf das Auto.

(NZZ am Sonntag, 31. März 2019)

Eine Bankrotterklärung für den Menschen. Er soll also – folgt man Brunschweiger – so schnell wie möglich von diesem Planeten verschwinden. Das Prinzip Hoffnung wäre damit gestorben. Die Hoffnung nämlich, dass es der Mensch unter Aufbietung aller seiner Kreativität schaffen wird, im Einklang mit der Natur und den natürlichen Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zu leben und aus ihm jenes Paradies zu machen, von dem wir schon immer träumten. Wir haben es in der Hand. Aber nicht, indem wir keine Kinder mehr zur Welt bringen und die restlichen Tage in Saus und Braus all das verprassen, was noch übrig geblieben ist. Sondern ganz im Gegenteil: Indem wir weiterhin Kinder zur Welt bringen und diesen alle nur erdenkliche Liebe und Aufmerksamkeit entgegen bringen, ihnen zuhören und sie ernst nehmen – denn sie wissen am besten, wie dieses Paradies, das in vielleicht schon naher Zukunft auf uns wartet, aussehen könnte und auf welchen Wegen wir dorthin gelangen können. Denn, wie ein bekannter Politiker unlängst sagte: «Ein Land mit Kindern ist ein Land mit Zukunft.» Oder, anders gesagt: Eine Welt ohne Kinder ist eine Welt ohne Zukunft…

Etwas Drittes an Stelle von Kapitalismus und Kommunismus

«Zum Scheitern verdammt ist ein grün verbrämter Antikapitalismus, der einen mehr oder minder umfassenden Verzicht auf die marktwirtschaftliche Produktionsweise herbeizwingen will. Der Ostblock mit Planwirtschaft und Fünfjahrplänen ist nicht zufällig untergegangen. Auch die Erderwärmung wird sich nur mit den Mitteln des Markts bremsen lassen.» 

(Eric Guyer, NZZ 30. März 2019)

Ein «grün verbrämter Antikapitalismus», der einen «Verzicht auf die marktwirtschaftliche Produktionsweise» herbeizwingen wolle, sei «zum Scheitern verurteilt» und die Erderwärmung lasse sich nur mit den «Mitteln des Marktes» bremsen? Das Gegenteil ist der Fall! Ohne eine grundlegende Änderung der marktwirtschaftlichen Produktionsweise, die sich am endlosen Wachstumswahn festklammert, ist eine Lösung des Klimaproblems gar nicht möglich. Weshalb ziehen die Apologeten des Kapitalismus immer wieder das Scheitern des Ostblocks als Argument ins Feld? Können sie sich nicht vorstellen, dass es neben Kommunismus und Kapitalismus noch etwas Drittes, Besseres geben könnte? Weshalb schauen sie so gerne in die Vergangenheit und so selten in die Zukunft? Sind sie wirklich restlos davon überzeugt, dass der Kapitalismus die einzige mögliche und sinnvolle Art des menschlichen Zusammenlebens auf diesem Planeten ist? Rasen sie lieber blindlings ins Verderben, als sich vom Dogma des Kapitalismus zu verabschieden?

Keine Angst vor neuen Ideen

«Ich verstehe nicht, warum Menschen Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten.»

Der das sagte, war nicht Che Guevara. Auch nicht Albert Einstein. Nein, es ist Simon Tribelhorn, Geschäftsführer des Liechtensteiner Bankenverbands (zitiert aus: «Wirtschaftregional», 30. März 2019). Ein kleiner, aber umso wichtigerer Hinweis darauf, dass wir am Beginn eines neuen Zeitalters stehen. Dass Minderheiten neue gesellschaftliche Verhältnisse heraufbeschwören, das war schon immer so. Dass es nun aber auch in den Köpfen der Mehrheiten zu rumoren beginnt, ist neu und eröffnet den Blick auf vielleicht schon baldige Veränderungen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Ein vorbildliches Bildungssystem?

«Es ist nicht Aufgabe von uns Politikern und Politikerinnen, die hohen Managerlöhne zu erklären. Wir sind zuständig für die Rahmenbedingungen, und dazu gehört vor allem das Bildungssystem. Sergio Ermotti, CEO der UBS, hat mit einer KV-Lehre angefangen und er bringt es dank der Chance, die unser Land mit seinem Bildungssystem bietet, jetzt auf ein Jahresgehalt von 14 Millionen Franken. Und dafür müssten wir auch einmal dankbar sein.»

(Christa Markwalder, Nationalrätin FDP, in der Diskussionssendung «Arena» des Schweizer Fernsehens vom 29. März 2019 zum Thema Managerlöhne)

Unser «vorbildliches» Bildungssystem, welches die Kinder im Alter von sechs oder sieben Jahren empfängt, allesamt voller Träume von einem schönen und reichen Leben. Und das sie dann, sauber sortiert, neun Jahre später ins Arbeitsleben entlässt, wo sich die einen als Coiffeuse oder Koch für nicht einmal 4000 Franken pro Monat zeitlebens abrackern müssen, während die anderen eines Tages im Chefsessel eines Grosskonzerns landen und 13 oder 14 Millionen Franken pro Jahr einkassieren. Und für ein solches Bildungssystem sollen wir dankbar sein? Zynischer geht es wohl kaum…