Aufstände von Frankreich bis Hongkong: Was treibt die Menschen auf die Strassen?

Wieder sind in Frankreich Abertausende «Gelbwesten» auf den Strassen, stecken Autos in Brand, zerstören Monumente und schlagen Schaufenster ein, die Polizei kontert mit Tränengas und mobilen Einsatztruppen. Gleichzeitig protestieren in Prag Hunderttausende gegen Regierungschef Andrej Babis, einen Multimilliardär, der ein Firmengeflecht begründete, das von der Agrarwirtschaft über die Chemieindustrie bis zur Medienbranche reicht. Während auch Hongkong nicht zur Ruhe kommt, ganz im Gegenteil: Die anfänglich friedlichen Proteste gegen ein Auslieferungsabkommen mit China entwickeln sich immer mehr zum Bürgerkrieg. Immer mehr Demonstrierende rüsten sich mit Pfeil und Bogen aus, die Zahl der Verwundeten nimmt auf beiden Seiten, bei den Aufständischen wie auch bei den Sicherheitskräften, immer mehr zu. Und damit nicht genug: Auch die Regierung des Iran steckt im Schussfeld einer wachsenden Anzahl unzufriedener Bürger und Bürgerinnen. Hauptgrund für die Proteste ist die drastische Verschlechterung der Lebensbedingungen infolge der US-Sanktionen.

Was treibt die Menschen von Frankreich bis Hongkong auf die Strassen? Das Schlüsselwort ist zweifellos die soziale Gerechtigkeit. Es gibt im Menschen wohl keine tieferliegende, ursprünglichere und stärkere Sehnsucht als die nach Gerechtigkeit. Wird diese mit Füssen getreten, entstehen Verzweiflung, Wut – bis hin zur Gewalt. Das zeigt sich auch darin, dass die Wut gegen die Herrschenden vor allem dort am grössten ist, wo diese, wie das Beispiel des tschechischen Regierungschefs Andrej Babis zeigt, unsäglichen Reichtum um sich herum angesammelt haben, während sich ein grosser Teil der Bevölkerung mehr schlecht als recht über Wasser zu halten vermag. Wer daher im Zusammenhang mit Volksaufständen behauptet, der Mensch sei von Natur aus gewalttätig, der irrt. Das Gegenteil ist der Fall. Denn die Sehnsucht nach Gerechtigkeit ist eine zutiefst positive Kraft, welche die Menschen in Fürsorge und Gemeinschaft miteinander verbindet und den Blick öffnet in eine Zukunft, in der sowohl Gewalt im Kleinen wie auch im Grossen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen eines Tages, wenn endlich weltweite soziale Gerechtigkeit herrscht, der Vergangenheit angehören werden.