Armenien und Aserbaidschan: In solchen Momenten beginne ich zu träumen…

 

Dank seiner gesteigerten militärischen Schlagkraft und mithilfe der Türkei hat es Aserbaidschan im jahrzehntelangen Zwist mit Armenien unlängst in wochenlangen schweren Kämpfen mit Hunderten von Toten geschafft, weite Teile der Region Karabach zurückzuerobern und Armenien eine vernichtende Niederlage beizubringen. Zwischen 75’000 und 100’000 Menschen, davon 90 Prozent Frauen und Kinder, mussten aus den umkämpften Gebieten Bergkarabachs fliehen und eine unbekannte Anzahl aserbaidschanischer Zivilisten mussten ebenfalls ihre frontnahen Dörfer verlassen. Verbrannte Dörfer, von Streubomben zerfetzte Männer, Frauen und Kinder, Hunger und Verzweiflung, und das alles mitten im nahenden Winter. Zwei Länder, Seite an Seite, sie könnten gute Nachbarn sein, aber nein, sie fügen sich gegenseitig jegliches Leid zu, das man sich nur vorstellen kann. In solchen Momenten beginne ich zu träumen. Ich träume von einer Welt, in der die Länder nicht von machtgierigen, ruhmsüchtigen und waffenstrotzenden Männern regiert werden, sondern von Frauen und Kindern. Ich träume von einer Welt, in der man Waffen und anderes militärisches Gerät nur noch in den Museen sehen kann. Ich träume von einer Welt, in der Nationalismus für immer der Vergangenheit angehört und das Grundprinzip der Beziehungen zwischen den einzelnen Staaten, wenn es diese denn überhaupt noch gibt, nicht auf gegenseitigem Raubbau und Kampf um Ressourcen beruht, sondern auf geschwisterlichem Tauschen und Teilen. Ich träume von einer Welt, in der es Siege und Niederlagen höchstens noch in Märchen vergangener Zeiten gibt, aber nicht mehr in der Realität. Ich träume von einer Welt, in der das gute Leben nicht einer kleinen Minderheit Privilegierter vorbehalten ist, sondern ausnahmslos jedem einzelnen Menschen, ganz unabhängig davon, wo er geboren wurde. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis mein Traum Wirklichkeit sein wird?