Absurde Argumente gegen die Einführung eines Mindestlohns von 4000 Franken

Morgen lanciert eine Allianz aus Gewerkschaften, Grünen, SP, AL und mehreren Hilfswerken eine Volksinitiative für die Einführung eines Mindestlohns von 4000 Franken in den Städten Zürich, Winterthur und Kloten. Aus Sicht der Allianz sind 4000 Franken im Monat das absolute Minimum, um in Zürcher Städten finanziell durchzukommen. Vertreter der betroffenen Branchen – Gastronomie, Reinigung und Detailhandel – halten davon wenig. Dank Gesamtarbeitsverträgen würden die meisten bereits heute genug verdienen. Zudem gebe es unkomplizierte Weiterbildungen.

(Tages-Anzeiger, 16. Juni 2020)

Im Klartext: Du kannst dich ja weiterbilden, um mehr zu verdienen. Und wenn du das nicht tust, dann bist du halt selber Schuld, wenn du zu wenig verdienst, um davon zu leben zu können. – Was für eine Botschaft! Erstens kann man sich nur schwer vorstellen, dass eine Detailhandelsangestellte oder eine Servicefachangestellte, bloss weil sie einen Weiterbildungskurs besucht hat, dann von einem Tag auf den anderen so viel mehr verdienen wird als bisher. Zweitens hat nicht jede und jeder, der weniger als 4000 Franken verdient, die Möglichkeit, einen Weiterbildungskurs zu besuchen, sei es, dass es die finanziellen Verhältnisse nicht zulassen, sei es, dass im betreffenden Kurs zu hohe Anforderungen gestellt werden, sei es, dass die zeitliche Belastung durch Familie, Haushalt und Arbeit – insbesondere bei Alleinerziehenden – dies gar nicht erst zulässt. Drittens ist es nachgerade zynisch, einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerinnen den Besuch eines Weiterbildungskurses zu empfehlen, um auf einen existenzsichernden Lohn zu kommen. Das heisst ja, anders gesagt, dass jemand, der “nur” eine ganz gewöhnliche Verkäuferin, “nur” eine ganz gewöhnliche Coiffeuse oder “nur” ein ganz gewöhnlicher Koch ist, kein Anrecht auf einen Lohn haben soll, von dem er oder sie anständig leben können. Unglaublich, mit was für absurden Argumenten Arbeitgeber und Arbeitgeber etwas zu bekämpfen versuchen, was eigentlich die logischste und selbstverständlichste Sache der Welt sein müsste, nämlich, dass jemand, der einer vollen Erwerbsarbeit nachgeht, auch genug verdienen müsste, um für sich und seine Familie den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wenn man bedenkt, dass der schweizerische Durchschnittslohn gegenwärtig bei rund 6500 Franken liegt, dann ist ja die Forderung nach einem Mindestlohn von 4000 Franken mehr als bescheiden…