Abstimmung über den Rosengartentunnel: Chance für einen radikalen Systemwechsel

“Mit einem Schlag verpuffen fast zehn Jahre Verhandlungs- und Planungsarbeit” – so kommentiert der Tages-Anzeiger am 10. Februar 2020 das Abstimmungsresultat über den Milliardenkredit für die Untertunnelung der Zürcher Rosengartenstrasse, durch welche sich heute täglich rund 56’000 Autos wälzen. Der Kredit wurde mit 63,7 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. “Die Rosengartenabstimmung”, so der Tages-Anzeiger, “ist damit zu einem symbolischen Stopp für eine als gestrig empfundene Verkehrspolitik geworden.”

In der Tat. Die Zürcher Rosengartenstrasse steht für eine jahrzehntelange verfehlte Verkehrspolitik. Aber nicht nur in Zürich, sondern weltweit. Und diese verfehlte Verkehrspolitik besteht nicht bloss darin, dass die Strassen zu wenig breit wären, dass die Autos zu schnell fahren würden oder dass der öffentliche Verkehr zu wenig ausgebaut wäre. Sie besteht schlicht und einfach darin, dass sich eine völlig unrealistische Illusion allen gegenläufigen Erfahrungen zum Trotz immer noch hartnäckigst am Leben erhält, die Illusion nämlich, dass jeder Mensch das Recht darauf haben soll, sich mittels eines eigenen, privaten Verkehrsmittels jederzeit frei von A nach B bewegen zu können. Dass es sich dabei tatsächlich um nichts Realistisches handelt, sondern eben um eine reine Illusion, zeigt auch die Tatsache, dass heute bereits 1,4 Milliarden Autos weltweit unterwegs sind. Wäre in sämtlichen Ländern der Anteil an Autos pro Kopf der Bevölkerung so hoch wie heute in der Schweiz, dann wären es weltweit vier Milliarden Autos! Mit einem intelligenten Verkehrssystem hat das nicht mehr das Geringste zu tun, nicht nur aus ökologischen und sozialen, sondern auch aus finanziellen Gründen, ist dieses Verkehrssystem doch längst zu einem Ungeheuer herangewachsen, das, je mehr man es füttert, nur stets noch gefrässiger wird. “Vielleicht”, schreibt der Tages-Anzeiger, “kommt man nach dieser Abstimmung nun vielleicht auf flexiblere Ideen, die vielleicht auch weniger kosten.” Es wäre so einfach. Rund die Hälfte der städtischen Bevölkerung der Schweiz leben es vor: Sie besitzen kein eigenes Auto. Was um alles in der Welt hält den Rest der Bevölkerung davon ab, es ihnen gleich zu tun?