Die SBB und die neuen Hochgeschwindigkeitszüge: «Schon fast auf einem Nullniveau»

Defekte Kabelverbindungen. Mangelhafter Zustand von Treppen. Teile, die ungeschützt herumliegen. Fehlender Abstand zwischen Kabeln. Verbleichte Sitze. Fehlende Lüftungskanäle. Lose Schrauben. Fehlende Abdeckungen. Nicht funktionierende Türen. Gebrochenes Glas. Kaputte Elektronik durch Wasserschäden. Eine Tür, die bei einer Hochgeschwindigkeitstestfahrt in Osteuropa weggerissen und 700 Meter weit fortgeschleudert wurde. Und das ist noch längst nicht die ganze Mängelliste bei den von Bombardier für die SBB hergestellten FV-Dosto-Doppelstockzüge. Das komme eben nicht zuletzt daher, so der deutsche Bahnexperte Hans Leister, dass anstelle einer ausreichenden Stammbelegschaft bei Bombardier viele Leiharbeiter angestellt seien. «Und wie man das auch von Baustellen kennt: Die einen machen das kaputt, was die anderen gebaut haben.» Das bestätigt auch ein Mitarbeiter: «Die Qualität lässt zu wünschen übrig, die Fehler wiederholen sich. Die Arbeiter mit Fachkenntnissen verlassen mehr und mehr das Unternehmen oder werden entlassen. Wir, die noch verbleiben, führen uns zunehmend in unserem Berufsstolz verletzt, möchten wir doch nur beste Arbeit leisten, was aber unter diesen Bedingungen gar nicht mehr möglich ist.» Andere Mitarbeiter berichten, dass beispielsweise die unsachgemässe Materialbehandlung dazu führen könne, dass die Fahrzeuge schon nach kurzer Zeit rosteten. Schrauben würden von Hand angezogen, was zur Folge haben könne, dass sie sich später zu lösen drohten. Nicht einmal das notwendige Werkzeug werde zur Verfügung gestellt, die Arbeiter müssten zum Beispiel Bohrer, Schraubenzieher und Drehmomentschlüssel von zuhause mitbringen. «Wie», fragt sich ein Mitarbeiter, «kannst du motiviert bleiben, wenn du nicht weisst, ob du nächste Woche noch hier arbeitest oder nicht. Das Wissen nimmt immer weiter ab, sodass wir uns heute fast auf einem Nullniveau befinden. Auf lange Sicht wird es zu Sicherheitsproblemen kommen.»

(Rundschau, Schweizer Fernsehen SRF1, 15. Mai 2019)

Irgendwann musste es ja soweit kommen: Oben werden die Ansprüche immer mehr in die Höhe geschraubt – die neuen Hochgeschwindigkeitszüge sollen an technischer Leistung und an Komfort alles Bisherige übertreffen – und unten windet man die Arbeiter bis zum Geht-nicht-mehr aus, ersetzt langjährige Fachkräfte durch temporär Arbeitende und setzt vorhandenes Fachwissen leichtfertig aufs Spiel. Die Folge: Das grösste Debakel, das die SBB in ihrer 117jährigen Geschichte wohl je erleiden mussten. Doch das scheint die feinen Herren oben an der Spitze nicht aus der Ruhe zu bringen. Die Chefs von Bombardier finden immer wieder neue Erklärungen für die Mängel der Züge und für die Lieferverzögerungen über mehrere Jahre. Und auch der SBB-Chef Andreas Meyer ist zuversichtlich, dass am Ende alles gut herauskommt, er hat ja auch, mit einem Jahresgehalt von über einer Million Franken, gut lachen…