Wie die Rechtspopulisten die Wut der Menschen instrumentalisieren

«Wie überall in Europa, so wehrt sich auch in Frankreich das Volk gegen diese blinde Globalisierung, gegen ein System, das Menschen und Unternehmen dem Gesetz des Stärkeren unterwirft. Gegen die Diktatur der Finanzmärkte und die Herrschaft des Geldes.»

(Marine Le Pen, führende Politikerin des rechtsextremen Rassemblement National in Frankreich, in: «Wahlkampf der Wutbürger», arte, 21. Mai 2019)

Was Marine Le Pen sagt, könnte ebenso gut ein Linkssozialist und Antikapitalist gesagt haben. Politiker wie Marine Le Pen wissen nur zu gut, wo den Menschen der Schuh drückt: Während es denen «oben» immer besser geht, geht es denen «unten» immer schlechter. Aber es ist eben einfacher, gegen die EU oder gegen die Flüchtlinge Hass zu schüren und sich politisch zu profilieren, als das kapitalistische System grundsätzlich in Frage zu stellen und sich für den Aufbau einer gerechten, nichtkapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu engagieren. Das Gleiche gilt ebenso für alle anderen rechtspopulistischen Bewegungen Europas von der österreichischen FPÖ über die deutsche AfD bis zur italienischen Lega Nord: ein gefährliches und letztlich sinnloses Machtspiel zwischen den «Grosskapitalisten» – der herrschenden Machtelite – und den «Kleinkapitalisten» – den rechtspopulistischen Gruppen und Grüppchen -, bei dem es am Ende nur Verlierer gibt und alles beim Alten bleibt. Ein wirksames Gegenmittel wäre einzig und allein eine überzeugende Linke, die sich nicht mit den heutigen Machtstrukturen der EU identifiziert, sondern die «Wut» einer wachsenden Zahl von Bürgerinnen und Bürgern ernst nimmt und genau das umsetzt, was Marine Le Pen – angeblich – fordert, nämlich eine Gesellschaft ohne «blinde Globalisierung» und ohne «Diktat der Finanzmärkte und des Geldes.» Ganz so, wie es auch einer der Gelbwesten formulierte: «Das Schönste ist, dass die Menschen mitten im Winter wieder einen Begriff entdeckt haben: den Begriff der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.» Eine Lösung liegt nicht in lokalen, regionalen Machtkämpfen, nicht im Schüren von Hass, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus, nicht in gegenseitigen Schulzuweisungen – sondern nur in einer friedlichen, grenzüberschreitenden Überwindung des Kapitalismus.