Überwindung des Patriarchats genügt nicht

Zweifellos sind die am Frauenstreiktag erhobenen Forderungen nach mehr Chancen und Gleichberechtigung der Frauen mehr als berechtigt. Dennoch wird damit die Tatsache verschleiert, dass Ausbeutung und Diskriminierung nicht nur etwas Frauenspezifisches sind, sondern vor allem auch etwas Klassenspezifisches. Auch die europäische Hausfrau, die im Supermarkt Tomaten kauft, wird zur Ausbeuterin von – weiblichen und männlichen – Plantagenarbeiterinnen und Plantagenarbeiter in Spanien oder Marokko. Auch die gutbetuchte Reisende auf dem Kreuzfahrtschiff beteiligt sich an der Ausbeutung aller – weiblichen und männlichen – Angestellten auf dem Schiff. Und die Aktionärin eines Grosskonzerns erhält auch nur deshalb eine so hohe Dividende, weil diese Firma so profitabel ist und die ihr tätigen – weiblichen und männlichen – Arbeitskräfte vergleichsweise so wenig verdienen. Je mehr Frauen in die oberen Etagen von Gesellschaft und Wirtschaft aufsteigen, umso mehr partizipieren sie – ob sie wollen oder nicht – an den kapitalistischen Macht- und Ausbeutungsstrukturen. Ausbeutung und Diskriminierung sind nicht schon überwunden, wenn das Patriarchat überwunden ist. Sie sind erst dann überwunden, wenn auch der Kapitalismus und die mit ihm verbundene Klassengesellschaft überwunden ist.