Gastrobranche: Bevor das Kartenhaus zusammenbricht…

Nach der Lehre nichts wie weg. Das sagen sich offenbar viele junge Berufsleute in der Gastro-Branche. Denn rund jeder zweite Lehrabgänger schmeisst seinen Beruf hin und ist vier Jahre nach der Lehre nicht mehr in der Branche tätig, wie das aktuelle Lehrlingsbarometer der Hotel & Gastro Union (HGU) zeigt. Schuld an den vielen Abgängen sind laut HGU Arbeitszeiten, Überstunden, Dienstplan und Ferienregelung. Gemäss einer früheren Umfrage sind rund ein Drittel der Berufsabgänger damit unzufrieden. Im Bereich Restaurants und Service sind es gar mehr als die Hälfte. Ein anderes Problem sei der Ruf der Branche. «Wir müssen schauen, dass der Beruf in der Gesellschaft besser akzeptiert ist», sagt HGU-Marketingchef Roger Lütolf. So würden etwa viele Eltern ihren Kindern abraten, in die Branche einzusteigen. «Doch der Beruf ist ein Handwerk, das viel Leidenschaft erfordert, – und nicht einfach ein Job, um neben dem Studium ein bisschen Geld zu verdienen.»

(www.20minuten.ch)

 

Eigentlich müssten die Gastroberufe das erdenklich höchste gesellschaftliche Ansehen geniessen, das man sich nur vorstellen kann. Ist nicht die professionell organisierte Hochzeitsfeier mit einem wunderbaren Menu ein absolutes Highlight im Leben eines jeden frischvermählten Ehepaars? Freuen wir uns nicht schon Wochen oder Monate im Voraus auf unsere Hotelferien, wo wir uns rund um die Uhr von freundlichen Rezeptionistinnen, zuvorkommenden Kellnerinnen, fleissigen Zimmermädchen und exzellenten Köchen werden verwöhnen lassen? Treffen wir uns nicht mit aller grösstem Vergnügen wöchentlich in unserer «Stammbeiz», um in gemütlicher Atmosphäre zu plaudern und zu lachen? Was für ein Widerspruch: Auf der einen Seite nehmen wir alle diese Dienstleistungen noch so dankbar entgegen, auf der anderen Seite bestrafen wir jene, die sie verrichten, mit gesellschaftlicher Geringschätzung, schlechten Löhnen und katastrophalen Arbeitsbedingungen. Ein gesellschaftliches Pulverfass, denn eines Tages werden uns nicht mehr nur die Köche und Servierinnen davonlaufen, sondern auch die Verkäuferinnen, die Krankenpflegerinnen, die Kanal- und Kehrichtmänner, die Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter. Spätestens dann, wenn alles wie ein Kartenhaus in sich zusammenbricht, werden wir wohl erkennen, dass wir ihnen allen viel mehr Sorge hätten tragen müssen – durch entsprechende gesellschaftliche Anerkennung, durch faire Arbeitsbedingungen und durch einen Lohn, der weit über dem liegen müsste, was heute üblich ist und ganz und gar nicht den extrem hohen Anforderungen entspricht, die in diesen Berufen an der Tagesordnung sind.