Buschauffeure in Genf und Basel: Ins Gebüsch oder in eine Flasche pinkeln

Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals schlägt Alarm. In Genf sei die Situation für Chauffeure von rund 15 Buslinien untragbar. So sei es diesen nicht möglich, während der Arbeitszeiten angemessene sanitäre Anlagen aufzusuchen. Rund 50 Mitarbeiter seien gezwungen, selbst zu sehen, wo sie ihre Notdurft verrichten können. Eric Marie ist selbst Chauffeur und bestätigt diesen Umstand. «Jeder tut, was er kann», sagt er. Das bedeutet, dass manche Kollegen sich im Gebüsch erleichtern oder in eine Flasche pinkeln, die sie dann in einem öffentlichen Abfalleimer entsorgen. Ein Beispiel für diese mangelnde Ausstattung ist die Endhaltestelle in Lancy, wo viele Bus- und Tramlinien enden. Früher waren hier mobile WC-Kabinen aufgestellt, diese wurden aber schon vor einiger Zeit entfernt. Die Mitarbeiter wurden daraufhin angewiesen, die Toiletten eines Einkaufszentrums zu benutzen. Diese sind aber weiter von der Station entfernt und nach Ladenschluss geschlossen. Marie berichtet: «Am anderen Ende einer dieser Linien müssen wir die Toilette einer Bar benutzen. Das ist aber peinlich und ich kaufe mir jedes Mal extra einen Kaffee. Das wird mit der Zeit teuer.» Andernorts wurden den Mitarbeitern Komposttoiletten zur Verfügung gestellt. «Diese waren aber nicht an den Strom angeschlossen und wir mussten dafür kämpfen, dass sie auch gereinigt wurden», erklärt Marie. Anfangs sei es gar nicht möglich gewesen, diese zu benutzen, da sie so verdreckt waren. Dieser Mangel an Toiletten wirkt sich laut der Gewerkschaft auch negativ auf die Sicherheit der Passagiere des öffentlichen Verkehrs aus. So vermeiden es Mitarbeiter wenn möglich, während der Arbeitszeit zu essen oder zu trinken. Dies könne zu Dehydrierung und Konzentrationsverlust führen. Ausserdem haben es Frauen so grundsätzlich schwerer in dem Beruf. Das Problem ist nicht nur in Genf bekannt. Im September 2018 reklamierten die Postauto-Chauffeure der Linie 50 von Basel zum Euro-Airport über unzulängliche Arbeitsbedingungen. Dort gäbe es zwar öffentliche Toiletten am Flughafen, diese seien für die Busfahrer aber zu weit entfernt und der Besuch würde zu Verspätungen im öffentlichen Verkehr führen. Daher werde am Flughafen oft ins Gebüsch gepinkelt. Auch dies hat verheerende Auswirkungen. Ein Bus-Chauffeur berichtet, dass er bereits Schwindelanfälle hatte und ihm im Feierabendverkehr die Augen zugefallen seien, weil er zu wenig gegessen und getrunken hatte.

(www.20minuten.ch)

Da wurde doch unlängst über unhaltbare Zustände in der US-Geflügelindustrie berichtet. Während des achtstündigen Arbeitstages gäbe es lediglich zwei Pausen, um ein WC aufzusuchen. Da nun aber alle Arbeiterinnen und Arbeiter gleichzeitig aufs WC gingen, müssten sie längere Zeit Schlange stehen. Immer wieder komme es daher vor, dass Arbeiterinnen und Arbeiter in die Hose pinkeln oder den Stuhlgang nicht mehr halten könnten. Deshalb trügen viele Angestellte während der Arbeit Windeln und würden zudem möglichst auf Essen und Trinken verzichten – was auch von den Vorgesetzten nahegelegt werde. Gravierend seien die gesundheitlichen Folgen: Das lange Zurückhalten von Urin könne besonders bei schwangeren und menstruierenden Frauen Blasenentzündungen hervorrufen. Und nun die Buschauffeure in Genf und Basel. Werden sie wohl auch schon bald während der Arbeit Windeln tragen? Was ist mit den über Jahrhunderte erkämpften Rechten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Wird scheibchenweise nun alles nach und nach wieder dem unersättlichen Schrei nach immer grösserer Leistung in immer kürzerer Zeit geopfert? Was für Auswüchse und wie viel Leid braucht es noch, bis wir erkennen, dass hier nicht nur ein paar «Ausreisser» im Argen liegen, sondern ein ganzes Wirtschaftssystem, das sich in seiner Gier endloser Selbstvermehrung immer mehr in seine eigenen Widersprüche verstrickt?