Bloss Launen der Natur?

Der Triftbach in Zermatt führt enorm hohes Wasser. Grund ist ein geplatzter unterirdischer Gletschersee. Dabei handle es sich, so die Gemeindepräsidentin von Zermatt, um eine «nicht kalkulierbare Laune der Natur». Und fast am gleichen Tag, nämlich am 24. Juli, ereignete sich um 9 Uhr am Zermatter Matterhorn ein tödlicher Bergunfall. Zwei Personen verloren dabei ihr Leben. Ein Felsausbruch riss die beiden in die Tiefe. Der Felsausbruch habe sich, so schreibt die Polizei, «aus unbekannten Gründen» ereignet.

(www.tages-anzeiger.ch & www.20minuten.ch)

Einen Tag später dann ergänzende Kommentare in den Medien: Ja, die beiden Ereignisse könnten sehr wohl eine Folge der Klimaerwärmung sein: Wasser schmelzender Gletscher staut sich unterirdisch auf und kann dann plötzlich «platzen». Und ja, die hohen Temperaturen bis auf 5000 Meter über Meer können dazu führen, dass der Permafrost aufgetaut wird, sich Felsformationen lösen und in die Tiefe stürzen. Die ersten Reaktionen zeigen genau das, was uns allen wohl am liebsten wäre: dass es unerklärbare Einzelfälle seien, Launen der Natur – aber nichts mit uns unserem Verhalten zu tun haben. Die Wahrheit, dass es eben doch der Klimawandel und damit der Mensch ist, der hinter allem steckt, diese Wahrheit ist bitter und nur schwer auszuhalten, logisch, dass man ihr ausweicht, sie negiert, sie nicht wahrhaben will – so, wie das die SVP in grossem Stil hartnäckigst tut. Doch früher oder später werden wir nicht darum herumkommen, uns einzugestehen, dass es sich bei alledem um nichts anderes als eine weltweite, «hausgemachte» Krise handelt. Doch damit sind wir noch immer nicht am Ende. Denn wenn wir es schon mit einer weltweiten, hausgemachten Krise zu tun haben, dann werden wir uns auch eines Tages die Frage stellen müssen, welches denn die tieferen Ursachen dieser Krise sind. Und dann kommen wir unweigerlich zum kapitalistischen Wirtschaftssystem mit seinem unersättlichen Profitmaximierungswahn und seiner endlosen Wachstumssucht, die uns dazu zwingt, immer schneller und härter zu arbeiten, immer mehr zu produzieren, immer mehr Waren über immer weitere Distanzen zu transportieren und in immer kürzerer Zeit immer mehr zu konsumieren. Ohne Kapitalismus keine Klimakrise, denn der Kapitalismus ist jenes Wirtschaftssystem, das sich selber zum Massstab nimmt und sich über die Gesetze des Gleichgewichts zwischen Mensch und Natur hinausschwingt. Diese Erkenntnisse werden uns alles ganz anders sehen lassen als heute. Und wahrscheinlich, wenn die Zeit reif ist, werden dann sowohl die Zermatter Gemeindepräsidentin wie auch die Walliser Kantonspolizei, sollten dereinst wieder ähnliche Ereignisse auftreten, in ihren Kommentaren vermelden, dass die Ursache der Ereignisse einmal mehr und immer wieder der Kapitalismus sei.