Arena: Totschlagargumente gegen neue Gesellschaftsvisionen

Als Ronja Jansen, Präsidentin der Juso, klimaschädliche Praktiken von Schweizer Firmen und Banken anprangert und strengere staatliche Eingriffe und Vorschriften fordert, wird ihr von Benjamin Fischer, Präsident der Jungen SVP, sogleich vorgeworfen, sie strebe die Zerschlagung des Kapitalismus an und sympathisiere ganz offensichtlich mit sozialistischen Ideen, die sich, wie man allgemein wisse, in der Vergangenheit als höchst untauglich erwiesen hätten. Und im späteren Verlauf der Diskussion plädiert Andri Silberschmid, Präsident der Jungen FDP, für eine Diskussionskultur, die weniger stark von «ideologischen Scheuklappen» geprägt sei – womit auch er auf die Ausführungen der Juso-Präsidentin anspielte…

(Schweizer Fernsehen SRF1, 27. September 2019, Politsendung «Arena» mit den Präsidenten und Präsidentinnen der Schweizer Jungparteien zu den Themen Klimawandel und Rentenalter)

Dass all jenen, die das kapitalistische Wirtschaftssystem in Frage zu stellen wagen, sogleich vorgehalten wird, sie strebten einen Rückfall in das Zeitalter der Sowjetunion oder der DDR an, erstickt auch nur schon den kleinsten Anfang einer Diskussion, die von grösster Bedeutung wäre. Denn der Kapitalismus hat sich nicht nur hierzulande, sondern auch weltweit, dermassen verheerend in seine eigenen Widersprüche verstrickt, dass es höchste Zeit ist, über mögliche Alternativen nachzudenken. Dass man dabei das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen und vergangene Staatsmodelle wie die Sowjetunion, die DDR oder Kuba wieder aufleben lassen möchte, ist wohl auch den schärften Kritikern des Kapitalismus sonnenklar. Nein, wir brauchen nicht die Kopie von etwas Vergangenem. Wir brauchen etwas von Grund auf Neues, etwas Drittes, jenseits des alten Kommunismus und des heutigen Kapitalismus. Und es wird die ganze Phantasie und Kreativität von uns heutigen Menschen brauchen, um dieses Neue zu schaffen. Die Totschlagargumente derer, die am liebsten gar nichts verändern möchten, haben auch in dieser Arena-Diskussion einmal mehr dazu geführt, dass die «Systemfrage», obwohl doch eigentlich das Wichtigste wäre, unter den Tisch gewischt wurde und man sich lieber mit einzelnen Sachfragen beschäftigte, die allesamt keinen Millimeter über den kapitalistischen Mainstream hinausgingen. Und wenn dann zum Schluss der Sendung Andri Silberschmid noch den Wunsch äusserte, zukünftige politische Diskussionen seien «ohne ideologische Scheuklappen» zu führen, dann ist das schon fast grotesk, ist doch der Kapitalismus, an dem Silberschmid und seine Mitstreiter nicht rütteln mögen, nichts anderes als eine Ideologie, nur dass wir alle – im Gegensatz zu einer neuen, noch nicht realisierten Gesellschaftsordnung – mittendrin leben, sozusagen in einer so grossen Zahl von Bäumen, dass wir den Wald gar nicht mehr zu sehen vermögen. Ideologisch sind heute nicht jene Politiker und Politikerinnen, die sich auf den Weg zu einer neuen, an den Bedürfnissen von Mensch und Natur orientierten Gesellschaftsordnung begeben. Ideologisch sind jene, die sich verzweifelt am Bisherigen festklammern und jedes auch nur ansatzweise Nachdenken über etwas Neues, Besseres grossspurig in den Wind schlagen.