«Gleichwertige» Arbeit – was heisst das?

Anknüpfend an den Vormarsch der Frauen bei den Schweizer Parlamentswahlen vom 20. Oktober diskutierte die gestrige «Arena» des Schweizer Fernsehens über Frauenlöhne, Gleichstellung, Frauenquoten und ganz allgemein Diskriminierung von Frauen gegenüber Männern. Angeprangert wurde insbesondere der Umstand, dass ein erheblicher Prozentsatz der Frauen auch für «gleichwertige» Arbeit immer noch deutlich weniger verdienen als Männer. Was in solchen Diskussionen immer wieder auffällt: Der Begriff «gleichwertig» wird nie hinterfragt. Täte man dies, so müsste man sich nämlich mal ganz grundsätzlich – unabhängig von der Frauenfrage – mit dem gesellschaftlichen Wert von Arbeit auseinandersetzen. Ist die Arbeit eines Bauarbeiters weniger wert als die Arbeit eines Bankbeamten? Ist die Arbeit einer Krankenpflegerin weniger wert als die Arbeit einer Gymnasiallehrerin? Ist die Arbeit einer Köchin weniger wert als die Arbeit einer Innenarchitektin? Die wirklich grosse, himmelschreiende Ungerechtigkeit ist nicht jene zwischen der Frau und dem Mann, die in der gleichen Firma den gleichen Job verrichten – dieser Unterschied beträgt bis zu 20 Prozent des Lohnes. Die wirklich grosse, himmelschreiende Ungerechtigkeit ist jene zwischen so genannt «minderwertigen» und «höherwertigen» Jobs, egal ob diese von Frauen oder Männern ausgeübt werden – dieser Unterschied beträgt bis zum 300fachen zwischen den schweizweit höchsten und tiefsten Löhnen! Das zutiefst Ungerechte daran ist, dass ausgerechnet die am schlechtesten Verdienenden meist auch die härteste und anstrengendste Arbeit verrichten und dennoch die geringste gesellschaftliche Wertschätzung erfahren. Man würde staunen, was passieren würde, wenn sämtliche Bäcker, Putzfrauen, Zeitungsausträger, Kehrichtmänner, Krankenpflegerinnen, Zimmermädchen, Köche und Dachdecker von heute auf morgen ihre Arbeit aufgäben: Das ganze schöne Gebäude, auf dessen oberen Rängen sich Hunderttausende Gutverdienende alle möglichen Luxusvergnügen leisten können, würde augenblicklich in sich zusammenbrechen. Es ist gut und wichtig, über die Unterschiede zwischen Frauenlöhnen und Männerlöhnen zu diskutieren. Mindestens so wichtig aber wäre es, darüber zu diskutieren, ob nicht die vielgeforderte «Lohngleichheit» in letzter Konsequenz bedeuten würde, dass eben nicht nur Männer und Frauen im selben Job, sondern auch Bankangestellte, Kellnerinnen, Lehrer, Krankenpflegerinnen, Rechtsanwälte, Bauarbeiter und Fabrikarbeiter – im Sinne eines «Einheitslohns» – logischerweise gleich viel verdienen müssten. Wäre das vielleicht ein Thema für eine nächste «Arena»-Sendung?