Modebranche: mehr Emissionen als durch Fliegen und Schiffahrt zusammen

Das weltweite Modegeschäft boomt. Und wie. Seit 2000 hat sich der Absatz an neuer Kleidung mehr als verdoppelt, mehr als hundert Milliarden neue Teile werden jedes Jahr produziert. Fast wöchentlich werfen die grossen Anbieter neue Kollektionen auf den Markt. Sie produzieren immer billiger und immer schneller, mehr als man je tragen kann. Doch der Rausch hat seinen Preis. Für Klima,Wasser, Böden und Näherinnen ist Fast Fashion eine Katastrophe; die Produktion von Klamotten verschlingt Ressourcen, verschleisst Menschen, vergiftet Ökosysteme und damit die Lebensgrundlage von Millionen. Die Billigmentalität hat Folgen: Was heute Trend ist, wird morgen weggeschmissen. Nach einem Jahr sind sechzig Prozent aller Kleidungsstücke bereits im Abfall. Und vierzig Prozent der produzierten Kleidung werden nicht einmal verkauft. 1,2 Milliarden Tonnen CO2 bläst die Textilindustrie jedes Jahr in die Luft. Damit verursacht die Bekleidungs- und Textilindustrie mehr Emissionen als Fliegen und Schifffahrt zusammen.

(NZZ am Sonntag, 10. November 2019)

Das Beispiel der Bekleidungsindustrie zeigt, dass es, um der Klimaerwärmung Einhalt zu gebieten, nicht genügt, Abgaben auf Benzin und Flugtickets einzuführen und Gebäudesanierungen voranzutreiben, so wie das gegenwärtig in den europäischen Ländern diskutiert wird. Es würde auch nicht genügen, höhere Steuern oder Abgaben auf Billigkleidern zu erheben oder Produktionslimiten für die Textilindustrie einzuführen. Das alles wäre reine Symptombekämpfung, wie wenn man einem Monster seine gefährlichsten Zähne ausreissen wollte, worauf sogleich an unzähligen anderen Stellen neue, noch gefährlichere Zähne nachwachsen würden. Was es braucht, ist eine radikale Umgestaltung des bisherigen, auf Ausbeutung, endlose Profitsteigerung und Gewinnmaximierung ausgerichteten Wirtschaftssystems und die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen den Lebensbedürfnissen der Menschen über alle Grenzen hinweg, den Bedürfnissen der Natur und den Bedürfnissen zukünftiger Generationen.