39’000 statt 24’000 Franken: Der Zürcher Kantonsrat meint es gut mit sich

Im Durchschnitt erhält ein Zürcher Kantonsratsmitglied brutto und inklusive Spesen 24’000 Franken im Jahr für den 30-Prozent-Job. Dieser Betrag soll nun nach dem Willen der Mehrheit des Kantonsrats auf 39’000 Franken angehoben werden: 12’000 Franken Grundentschädigung statt wie bisher 4000 Franken, 220 Franken pro Sitzung statt 200 sowie 8100 Franken für Spesen statt 2800. Gleich bleibt einzig das ZVV-Abo 1. Klasse im Wert von aktuell 3671 Franken. Durch alle diese Massnahmen würden die Kosten für das Kantonsparlament von 5,3 auf 8,8 Millionen steigen. Nicht alle Kantonsräte und Kantonsrätinnen sind darüber erfreut. So spricht Hans-Peter Amrein von der SVP von der Abzockermentalität einer «entrückten Politikerkaste».

(Tages-Anzeiger, 26. November 2019)

Sind 24’000 Franken für einen 30-Prozent-Job als Kantonsrat bzw. Kantonsrätin zu wenig? Oder sind 39’000 Franken zu viel? Eine schwierige Frage, da es ja keine objektiven Kriterien für die Festlegung einer solchen Entschädigung gibt und auch keinen freien Markt von Angebot und Nachfrage wie in der Privatwirtschaft. Das Einzige, was als Richtschnur dienen könnte, wäre der Durchschnittslohn der Bevölkerung. Man könnte sehr gut dahingehend argumentieren, dass ein Kantonsrat bzw. eine Kantonsrätin nicht mehr und nicht weniger verdienen wollte als der durchschnittlich verdienende Lohnbezüger bzw. die durchschnittlich verdienende Lohnbezügerin. Schliesslich sind sie «Diener» und «Dienerinnen» des Volkes und würde es ihnen schlecht anstehen, vom insgesamt zur Verfügung stehenden Kuchen ein grösseres Stück abzuschneiden, als insgesamt, auf alle gleichmässig verteilt, zur Verfügung stehen würde. Geht man nun von einem monatlichen Durchschnittslohn von 6500 Franken aus, so käme man mit einem 30-Prozent-Job ziemlich genau auf 24’000 Franken. Mit der geplanten Erhöhung auf 39’000 Franken springt der Kantonsrat also ziemlich hoch in die obere Hälfte des gesamtschweizerischen Lohnspektrums. Die Kritik seitens der SVP, die von der Abzockermentalität einer «entrückten Politikerkaste» spricht, ist daher nicht ganz von der Hand zu weisen. Dies umso mehr, als eine Lohnerhöhung in diesem Ausmass – von 24’000 auf 39’000 Franken – wohl weit und breit nicht einmal in der Privatwirtschaft gang und gäbe ist. Die vielbeklagte Kluft zwischen politischen und staatlichen Institutionen auf der einen Seite und einem wachsenden Teil der Bevölkerung, die sich von allem Politischen schon längst verabschiedet haben mit der Begründung, dass «die da oben», sowieso nur das machen, «was sie wollen», diese Kluft wird durch die geplanten Lohnerhöhung des Zürcher Kantonsrats wohl kaum vermindert. Hätte man die 3,5 Millionen Mehrkosten nicht auch für alleinerziehende Mütter und Väter, für Wohnheime für Behinderte, für Kindertagesstätten, für Frauenhäuser oder für eine Erhöhung der Sozialhilfe ausgeben können?