Steigende Armut trotz florierender Wirtschaft und niedriger Arbeitslosenquote: ein Rätsel?

2017 war jeder zwölfte Einwohner der Schweiz arm und es gibt Anzeichen, dass die Armut seither noch zugenommen hat. Dies ist der Sozialstatistik des Bundes zu entnehmen. Tatsächlich steigt die Armut in der Schweiz – immerhin einem der reichsten Länder der Welt – seit Jahren kontinuierlich an. Einen Grund dafür gibt es auf den ersten Blick nicht. Denn der Wirtschaft geht es besser denn je und auch die Arbeitslosenzahlen sind niedriger als in sämtlichen übrigen europäischen Ländern.

(Daniela Gschweng, www.infosperber.ch, 26. Januar 2020)

Wer sich das Phänomen steigender Armut trotz florierender Wirtschaft und niedriger Arbeitslosenquote nicht erklären kann, dem sei dringendst die Lektüre des “Kapitals” von Karl Marx empfohlen. Es liegt nämlich ganz und gar in der Natur des Kapitalismus, dass er die Reichen kontinuierlich reicher und die Armen gleichzeitig immer ärmer macht, ganz unabhängig davon, ob die Wirtschaft gerade “floriert” oder nicht, und auch ganz unabhängig davon, wie hoch die Arbeitslosenrate ist. Der Grund ist die Akkumulation des Reichtums in den Händen der Reichen. Und da dieser Reichtum nicht künstlich geschaffen werden kann, muss er von irgend jemand anderem erwirtschaftet werden – von all jenen nämlich, die weniger verdienen, als ihre Arbeit eigentlich wert wäre, oder, wie Marx es formulierte: die “nicht über die gesellschaftliche Macht verfügen, den echten Wert ihrer Arbeit zu ertrotzen.” Fatal, dass dieses Grundwissen, dieses ABC des Kapitalismus in unseren Schulen nicht ebenso vermittelt wird wie das Einmaleins, das Schreiben und das Lesen – und dies, obwohl wir mitten im Kapitalismus leben und unser Alltag von früh bis spät von den Prinzipien und Gesetzmässigkeiten des Kapitalismus geprägt und durchdrungen ist. Doch freilich ist es kein Zufall, dass dieses Wissen an unseren Schulen nicht vermittelt wird, würde dies doch zweifellos dazu führen, dass die herrschenden kapitalistischen Machtverhältnisse wohl nur noch von kurzer Dauer wären…