Mattea Meyer und Cédric Wermuth: “Linker Aufbruch” oder Anpassung ans kapitalistische Macht- und Denksystem?

Einen “linken Aufbruch” versprechen Mattea Meyer und Cédric Wermuth, das Kandidatenduo für das SP-Parteipräsidium zur Nachfolge von Christian Levrat, in einem soeben publizierten Positionspapier. Die Ziele: die Verleihung des Schweizer Bürgerrechts für Ausländerinnen und Ausländer ab der Geburt, Abgaben auf Milliardenvermögen zur Finanzierung der Massnahmen gegen den Klimawandel, Begrenzung der Mieten durch einen Renditedeckel, einheitliche und höhere Besteuerung der Firmen, Lohnerhöhungen für Pflegeberufe, Lancierung einer neuen, linken Informationsplattform.

(Tages-Anzeiger, 18. Februar 2020)

Die von Mattea Meyer und Cédric Wermuth präsentierten Ziele sind zwar sehr begrüssenswert, offenbaren aber zugleich das Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Der Anspruch: die Überwindung des Kapitalismus – nicht nur eine Kernbotschaft der Juso, sondern auch offizieller Bestandteil des aktuellen SP-Parteiprogramms. Die Wirklichkeit: eben dieser Kapitalismus, der uns zwingt, in kleinen Schritten zu denken und Veränderungen nur so weit zu fordern, als sie sich innerhalb des kapitalistischen Denk- und Machtsystems verwirklichen lassen und dieses nicht in Frage stellen. Ich hoffe, dass sich Mattea Meyer und Cédric Wermuth nicht von ihrer Vision einer Überwindung des Kapitalismus verabschiedet haben. Kleine Schritte in der politischen Tagesrealität mögen hilfreich sein und den betroffenen Menschen viel Leid ersparen. Dennoch sollten die darüber hinaus weisenden Visionen und Träume von einer neuen, gerechteren und friedlicheren Welt jenseits des Kapitalismus nicht verloren gehen. “Im Jugendidealismus”, so der bekannte Urwaldarzt Albert Schweitzer, “erschaut der Mensch die Wahrheit. In ihm besitzt er einen Reichtum, den er gegen nichts in der Welt austauschen darf.”