1. Mai in Zürich: Demokratie mit Füssen getreten

1. Mai in Zürich: Als sich um 11 Uhr auf dem Helvetiaplatz rund 30 Personen mit Fahnen und Transparenten versammeln, um gegen die Zustände im syrischen Rojava zu demonstrieren, werden sie von der Polizei weggewiesen, und dies, obwohl gemäss Augenzeugen der Sicherheitsabstand eingehalten wurde. Eine Stunde später wiederholt sich die Szene beim Rathaus. Diesmal verhaftet die Polizei einen Mann und eine Frau, weil diese sich den Anordnungen widersetzen. “Wir weisen darauf hin”, verkündet die Polizei über Lautsprecher, “dass wir aufgrund der ausserordentlichen Lage und des allgemeinen Versammlungsverbots keine solchen Aktionen tolerieren können.” Die grösste Menschenansammlung bildet sich etwa um halb drei beim Bellevue, wo rund 100 Personen demonstrieren. Auch dort wollen sich nicht alle Demonstrantinnen und Demonstranten nach Hause schicken lassen. Es werden 40 Personen kontrolliert und eine von ihnen verhaftet, sie alle werden wegen Verstosses gegen die Covid-Verordnung angezeigt. Schliesslich halten unter strenger Einhaltung der Abstandsregeln Vertreterinnen und Vertreter der gewerkschaftlichen Basisgruppe “Zürich bleibt öffentlich” vor dem Rathaus mehrere Reden, auch diese Gruppe wird von einem Grossaufgebot der Polizei aufgelöst. “Ein Armutszeugnis, was sich die Stadtpolizei da erlaubt hat”, sagt Luca Maggi, Sprecher des 1. Mai-Komitees, “Plakate sind abgehängt und die freie Meinungsäusserung ist unterbunden worden. Sogar Personen, welche Distanz- und Hygienevorschriften einhielten, sind weggewiesen worden.”

(www.watson.ch)

 

Die Lockerungsmassnahmen, die vom Bundesrat bereits bekanntgegeben wurden und denen in den folgenden Wochen noch weitere folgen sollen, gelten offensichtlich nicht fürs Politische und für die demokratischen Grundrechte, sondern nur für all jene Bereiche, wo es ums Geldverdienen geht. Sonst würde man nicht zulassen, dass in einem Restaurant vier Personen am gleichen Tisch sitzen dürfen, während man gleichzeitig vier Personen, die in einem Demonstrationszug nebeneinander gehen, auseinandertreibt. Man würde nicht Menschenansammlungen in Supermärkten und Eisenbahnzügen zulassen, während man gleichzeitig Menschenansammlungen zu politischen Zwecken polizeilich verfolgt und kriminalisiert. Und man würde nicht Plakate, mit denen für Fruchtsäfte oder Staubsauger geworben wird, hängen lassen, während man Plakate, die auf das Schicksal der Menschen in Rojava hinweisen, zu Boden reisst. Es heisst immer, besondere Umstände würden besondere Massnahmen erfordern. Das würde aber auch bedeuten, gerade in einer so schwierigen Zeit wie der heutigen der Demokratie und den Menschenrechten ganz besonders viel Sorge zu tragen…