Coronakrise: Was Schlagzeilen macht und was nicht…

“Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen. Aber die weltweiten Zerstörungen der Weltwirtschaft sorgen nach Einschätzung der UNO dafür, dass der daraus entstehende Armutsschock dieses Jahr einer Million Kinder zusätzlich das Leben kostet.”

(Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, Mitglied der Grünen)

Einen riesigen Schrei der Empörung hat diese Aussage Boris Palmers ausgelöst, quer durch alle Parteien, Medien und die Öffentlichkeit hindurch. Dass Menschen bloss aufgrund ihres Alters sozusagen zugunsten der Wirtschaft “geopfert” werden sollen, ist in der Tat ein verwerflicher Gedanke. Allerdings hat sich Palmer für diese Aussage auch bereits in aller Form entschuldigt. Bezeichnend ist aber, dass offensichtlich niemand vom zweiten Teil von Palmers Statement Notiz genommen hat, nämlich dem möglichen Tod einer Million von Kindern als Folge eines durch die Coronakrise ausgelösten Zusammenbruchs der Weltwirtschaft. Sind es diese Million Kinder nicht wert, auch darüber nur ein klein wenig nachzudenken? Das Beispiel zeigt, in was für einer zersplitterten Welt wir leben: Wenn ein tödliches Virus die reichen Länder des Nordens bedroht, werden alle zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung gesetzt und keine noch so grossen Mittel gescheut, um dieses zu bekämpfen. Wenn hingegen die UNO vor dem möglichen Tod einer Million von Kindern warnt, dann wird dies nicht einmal zur Kenntnis genommen. Ganz abgesehen davon, dass schon lange vor der Coronakrise jeden Tag weltweit rund 10’000 Kinder an Hunger, Armut, Mangel an Medikamenten und sauberem Trinkwasser gestorben sind. Kann sich jemand daran erinnern, dass dies auch nur annähernd so grosse Schlagzeilen machte wie die heutige Coronapandemie?