Schwedens relativ lockerer Umgang mit der Coronapandemie sowie der Verzicht auf einen Lockdown und auf die Schliessung der Schulen stösst in der internationalen Fachwelt auf teils heftige Kritik. Dabei wird stets auf die relativ hohe Zahl der Todesfälle – insbesondere im Vergleich mit Schwedens Nachbarländern – hingewiesen. Doch ein Urteil kann man sich nur bilden, wenn man nicht bloss die absoluten Zahlen anschaut, sondern die Anzahl Todesfälle pro Einwohner und Einwohnerin: Pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner sind in Belgien bisher 83 Personen am Coronavirus verstorben, in Spanien 59, in Grossbritannien 58, in Italien 56. Erst an fünfter Stelle folgt Schweden zusammen mit Frankreich, je 44 Todesfälle. Weshalb ist das Land mit den meisten Todesfällen pro Kopf der Bevölkerung, nämlich Belgien, noch nie ins Fadenkreuz internationaler Kritik gelangt? Schiesst man sich lieber auf das lebenslustige Schweden ein, mit dem mahnenden Drohfinger auf die vermeintliche schwedische “Katastrophe” hinweisend, um der jeweils eigenen Bevölkerung drakonischere Massnahmen wie Lockdowns, Ausgangssperren und dergleichen schmackhaft zu machen? Höchst interessant ist ja auch, dass man zwar das Öffnen von Schulen, Läden und Restaurants jeweils höchst kontrovers diskutiert, während auf der anderen Seite Ausgangssperren nie auch nur ansatzweise kritisch hinterfragt werden, und dies, obwohl mit Belgien, Spanien, Grossbritannien und Italien ausgerechnet vier Länder die Spitzenplätze bei der Anzahl der Coronatodesfälle einnehmen, welche allesamt über kürzere oder längere Zeit Ausgangssperren verhängt haben. Dass Ausgangssperren so selten hinterfragt werden, ist umso erstaunlicher, als schon längst erwiesen ist, dass die Gefahr einer Ansteckung durch das Coronavirus im Inneren von Räumen ungleich viel grösser ist als im Freien. Wenn also weiterhin munter gegen das freimütige Schweden gewettert wird, während kein Mensch vom eigentlichen “Spitzenreiter” Belgien spricht und gleichzeitig Ausgangssperren von den betroffenen Bevölkerungen hingenommen werden, als handle es sich dabei um etwas Gottgegebenes, dann muss man sich nicht wundern, wenn sich der eine oder andere Bürger, die eine oder andere Bürgerin allzu einseitig informiert, um nicht zu sagen hintergangen und verschaukelt fühlt…