Bündner Baufirmen an den Pranger gestellt: Als wäre es eine neue Art von Religion

Wiederholte Preisabsprachen zwischen Bündner Baufirmen rufen die Verfechter der “reinen” Lehre der freien Marktwirtschaft auf den Plan: Die betroffenen Firmen werden gebrandmarkt und es werden ihnen hohe Bussen aufgebrummt. Der Konsens, dass Preisabsprachen zwischen Firmen des Teufels sind, das Prinzip des freien Wettbewerbs über allem stehen müsse und Verstösse dagegen mit aller Härte zu ahnden seien, ist frappant. Man bekommt fast den Eindruck, als handle es sich dabei um eine neue Art von Religion. Auch in Online-Kommentaren zum Thema findet sich keine einzige Stimme, die den betroffenen Baufirmen Verständnis entgegen bringt. Im Gegenteil: Es werden noch viel härtere Strafen verlangt oder, dass man die betreffenden Firmen öffentlich an den Pranger stellen müsse. Ich frage mich: Haben wir uns mit dem uneingeschränkten Prinzip des freien Wettbewerbs nicht ebenso einem Zwangssystem unterworfen, wie das im früheren Sozialismus der Fall war, nur mit umgekehrten Vorzeichen? Ist es denn wirklich erstrebenswert, dass immer nur der Schnellste und Billigste einen Auftrag bekommt, während alle anderen auf der Strecke bleiben? Was ist denn so schlecht daran, wenn sich Firmen gegenseitig absprechen, damit die Aufträge auf möglichst viele und nicht auf möglichst wenige verteilt werden und somit alle eine Überlebenschance haben? Das Prinzip des uneingeschränkten freien Wettbewerbs und des Kampf aller gegen alle hat schon so viele Opfer gefordert, dass es höchste Zeit wäre, es grundsätzlich zu hinterfragen. Dann wären die Bündner Baufirmen nicht mehr Sündenböcke oder gar Kriminelle, sondern Vorboten einer neuen, besseren Zeit, in der nicht mehr jeder gegen jeden kämpft, sondern alle miteinander und füreinander Sorge tragen…