Wissen und Information als Fundament der Demokratie

Eine ganze Seite ist sie lang, die Reportage über den 78jährigen israelischen Arzt Rafi Walden, der jeweils mindestens einmal pro Monat ins Westjordanland reist und dort eine mobile Klinik aufbaut, um kranke und verletzte Palästinenser und Palästinenserinnen kostenlos zu betreuen. Überaus aufschlussreich und informativ ist der Artikel, beleuchtet das schwierige Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern und Palästinenserinnen, geht auf die Auswirkungen der Caronaepidemie ein und zeigt auf eindrückliche Weise, wie viel der Mut und das Engagement eines einzelnen Menschen bewirken kann…

Wo anders als in meiner Tageszeitung wäre ich zu diesen Informationen gelangt? Wohl kaum auf irgendeiner Internettplattform. Auch nicht irgendwo in den Social Media. Und gewiss auch nicht in der Boulevardpresse oder einem der Gratisblätter. Wenn nun allenthalben vom Zeitungssterben die Rede ist, von den massiven Einbrüchen bei den Werbeeinnahmen, den veränderten Lesegewohnheiten, dem “Gesundschrumpfen” von Zeitungsredaktionen und dem Personalabbau bei Auslandkorrespondentinnen und Auslandkorrespondenten, dann wird vielleicht schon bald ein solcher Artikel wie der über den israelischen Arzt Rafi Walden auch in meiner Tageszeitung nicht mehr zu lesen sein.

Eine gefährliche Entwicklung. Denn wenn die Demokratie ein Haus ist, dann sind Wissen und Informationen das Fundament, auf dem dieses Haus steht. Die Beschleunigung, Verflachung und Boulevardisierung der Medienlandschaft ist Gift für die Demokratie. Man kann die Arbeit, die von gut ausgebildeten, seriös arbeitenden und eigenständig denkenden Journalisten und Journalistinnen tatgtäglich geleistet wird, gar nicht genug hoch einschätzen. Journalisten und Journalistinnen gehören, um es mit einem aktuellen Begriff zu bezeichnen, ebenso zu den “systemrelevanten” Berufen wie Ärzte, Krankenpflegerinnen, Lastwagenchauffeure, Landwirte und Kitamitarbeiterinnen. Das, was sie erschaffen, sind nicht Luxusprodukte, sondern, wie Nahrung, Wasser und Luft, Grundnahrungsmittel für die seelische und geistige Gesundheit des Menschen. Ob man dieser Entwicklung durch entsprechende Subventionen entgegenwirken oder gleich die gesamte Medienlandschaft verstaatlichen sollte, darüber muss diskutiert werden. Aber eines steht fest: Alles bloss dem “Freien Markt” zu überlassen, aus dem nur die Stärksten und Erfolgreichsten – was immer dies konkret bedeuten mag – als Sieger hervorgehen und alle anderen auf der Strecke bleiben, dies wäre zu verhängnisvoll und ein nicht mehr gut zu machender Stich mitten ins Herz der Demokratie.