System Change – Plädoyer für ein von Grund auf neues Wirtschaftsmodell

Weite Teile der Klimabewegung haben erkannt, dass wir, um die Klimaerwärmung zu stoppen und die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu sichern, nicht darum herum kommen, unser Wirtschaftssystem von Grund auf zu erneuern. Die Forderung nach einem neuen Wirtschaftssystem gipfelt im Slogan “System Change – Not Climate Change”. Ihm liegt die Einsicht zu Grunde, dass die Grundprinzipien des kapitalistischen Wirtschaftssystems unvereinbar sind mit der Notwendigkeit eines nachhaltigen Umgangs mit unseren natürlichen Ressourcen, mit der Natur, mit der Erde, mit dem Klima. Diese kapitalistischen Grundprinzipien sind erstens das Dogma eines immerwährenden und endlos steigenden Wirtschaftswachstums, das immer mehr jener Ressourcen verbraucht, die dann zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Zweitens die unaufhörliche Vermehrung von Reichtum und Luxus bei einer Minderheit der Weltbevölkerung, die sich dadurch nicht nur schrankenlose Mobilität – mit Flugzeug und Automobil – leisten kann, sondern auch den Konsum einer endlosen Menge an Luxusgütern, was wiederum zu einem stets wachsenden Verbrauch natürlicher Ressourcen führt und zu einer unabsehbaren Belastung der Natur mit Müll und Abfallprodukten aller Art. Drittens das Konkurrenzprinzip, dass jede Firma im Kampf ums eigene Überleben gezwungen ist, möglichst viel, möglichst schnell und möglichst billig zu produzieren – was wiederum dazu führt, dass viel mehr Güter hergestellt werden, als eigentlich notwendig sind, und erst noch zu katastrophalen sozialen und ökologischen Bedingungen. Eigentlich der Gründe genug, um uns so schnell wie möglich vom Kapitalismus zu verabschieden. Doch was im Moment gänzlich fehlt, ist eine glaubwürdige Alternative zum Kapitalismus, die Vision eines Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, das sich nicht nur in Nuancen, sondern von Grund auf vom Kapitalismus unterscheidet. Allzu oft wird das Nachdenken und Diskutieren über solche Visionen – ohne die wir früher oder später schlicht und einfach nicht herumkommen werden – schon im Keim erstickt. Wer den Kapitalismus überwinden will, dem wird nur allzu bald der Vorwurf entgegengeschleudert, er wolle den Sozialismus oder gar den Kommunismus wieder einführen oder aber, auch dieser Vorwurf ist immer wieder zu hören, er wolle die Menschheit in die Steinzeit oder in die Zeit der Neandertaler zurück katapultieren. Dabei geht es doch nicht um unsere Vergangenheit und um all die Wirtschaftsmodelle, die gescheitert sind. Es geht um unsere Zukunft. Wenn wir alles auf die Frage Kapitalismus oder Kommunismus bzw. Sozialismus reduzieren, dann versperren wir uns den Blick darauf, dass es jenseits aller Modelle, die bereits gescheitert sind, doch immer noch die Freiheit geben muss, etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu erfinden. Wie man dieses Neue bezeichnen möchte, ist beiläufig. Das Wesentliche liegt darin, dass dieses neue, zu erfindende Wirtschaftssystem ein gutes Leben für alle Menschen möglich machen muss, unabhängig davon, wo sie geboren wurden. Und dieses gute Leben sollen auch alle zukünftigen Generationen in Anspruch nehmen dürfen. Im Gegensatz zum Kapitalismus mit seinen unendlichen Verästelungen von Ausbeutung und Zerstörung wäre dies doch eigentlich ein sehr einfaches Programm. Was hält uns davon ab, es endlich, Schritt für Schritt, in die Tat umzusetzen.