Vom Einfamilienhaus mit Swimmingpool bis zum fensterlosen Bretterverschlag in einem indischen Slum: In was für einer Welt leben wir eigentlich?

“Bleiben Sie zuhause!” – das war die Devise während des Lockdowns und könnte sie schon bald wieder sein, wenn die Fallzahlen weiter so ansteigen wie in den letzten Tagen. Doch was heisst eigentlich “Zuhause”? Für nicht wenige ist das ein grossräumiges Einfamilienhaus mit je einem Zimmer für jedes Kind, mit einem Garten, Spielgeräten, einer Werkstatt und vielleicht sogar einem eigenen Swimmingpool. Für nicht wenige andere ist es bloss eine enge Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, wo sich mehrere Kinder ein Zimmer teilen müssen, wo es keinen Garten gibt, keine Werkstatt und schon gar nicht einen Swimmingpool und vielleicht nicht einmal einen Balkon. Und für wieder Millionen andere in den Slums von Rio oder Mumbai ist es vielleicht bloss ein fensterloser Bretterverschlag, ohne Wasser, ohne Toilette, ohne Elektrizität. Selten sind die sozialen Unterschiede zwischen Arm und Reich so drastisch zutage getreten wie in der Coronazeit. Als glitte ein überstarker Scheinwerfer über eine Landschaft voller Gräben, die zuvor auch schon da gewesen waren, deren Tiefe man aber noch nie so deutlich gesehen hatte. Dieses Bild, diese Gräben, diese unsägliche Ungerechtigkeit dürfen wir nie mehr vergessen, auch dann nicht, wenn das Coronavirus eines Tages besiegt werden kann und wir wieder zur “Normalität” zurückkehren werden. Diese “Normalität” ist nämlich alles andere als normal. Normal wäre, wenn alle Güter, die Erfüllung aller Bedürfnisse, die Lebensqualität und damit auch die Art und Weise des Wohnens gerecht auf alle Menschen, egal ob hierzulande oder weltweit, gleichmässig, gleichberechtigt und gerecht verteilt wären. Um dies zu verwirklichen, brauchen wir einen weltweiten Einheitslohn, anders geht das nicht. Und dann würden sich nicht mehr die einen in ihren Swimmingpools vergnügen und die anderen in einem fensterlosen Brettervorschlag dahinvegetieren, sondern jeder Mensch, ob Schwede oder Pakistani, ob Arzt oder Lastenträger, ob Hochschuldozentin oder Krankenpflegerin, lebte mit ihrer Familie in einem kleinen, schmucken Reihenhäuschen mit keinem Luxus, aber mit allem Lebensnotwendigen und vielleicht, vielleicht sogar einem winzigen Garten. Denn so wie Wasser, Nahrung, Kleidung, medizinische Versorgung und Bildung gehört auch das Wohnen zu den Grundrechten des Menschen und es gibt keinen einzigen stichhaltigen Grund dafür, dass die einen mehr davon haben sollen als die anderen.