Hier unbeschreiblicher Reichtum – dort der Kampf ums nackte Überleben: Als gäbe es zwei verschiedene Welten im gleichen Land

 

Gastronomie und Hotellerie, Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende, Schausteller und Zirkusse, die ganze Eventbranche, Sportclubs, Reisebüros und Tourismusorganisationen – ihnen allen steht das Wasser bis zum Hals. Wenn ihnen nicht tatkräftig unter die Arme gegriffen wird, werden die meisten von ihnen die Coronazeit wirtschaftlich nicht überleben. Welche finanziellen Mittel wären nötig, um den drohenden finanziellen Kollaps zu verhindern? Eine Milliarde, zwei Milliarden, drei Milliarden? Die Auffassungen und Meinungen darüber, was möglich ist und was nicht, wer das bezahlen könnte und wer nicht, gehen quer durch Verbände, Parteien und politische Entscheidungsträger. Gleichzeitig, als gäbe es zwei verschiedene Welten, besitzen die 300 reichsten Schweizerinnen und Schweizer insgesamt über 700 Milliarden Franken. Ein Bruchteil dieses Geldes würde also genügen, um all jene Betriebe, die jetzt um ihr Überleben kämpfen, am Leben zu erhalten. Seltsam, dass niemand auf die Idee kommt, auf diesen schier unvorstellbar vollen Geldtopf privaten Besitztums zurückzugreifen. Es muss in unseren Köpfen so etwas wie eine heilige Mauer existieren, die uns daran hindert, öffentliches und privates Geld in einem gemeinsamen Zusammenhang zu sehen. Dabei besteht ein solcher Zusammenhang sehr wohl. Diese 700 Milliarden Franken im Besitz der 300 reichsten Schweizerinnen und Schweizer sind nämlich nicht zufällig zustande gekommen. Vieles von diesem Geld wurde über Jahrhunderte vererbt und weitervererbt und somit der Öffentlichkeit entzogen. Anderes Geld hat sich dadurch gebildet, dass man durch Firmenbesitz oder als Aktionär reich geworden ist, Geld, das nicht eigentlich erarbeitet wurde, sondern im Gegenteil entstanden ist aus der Arbeit anderer, aus tagtäglicher harter Arbeit, von deren Früchten jene, welche sie leisteten, selber aber ausgeschlossen blieben. Wieder anderes Geld ist entstanden einzig und allein durch gewinnbringendes Hin- und Herschieben von Geld oder Rohstoffen oder Gütern aller Art. Und wieder anderes Geld ist entstanden durch den Besitz von Immobilien, die wiederum gewinnbringend an Menschen, die sich selber kein Wohneigentum leisten können, vermietet wurden. So gesehen kann man privaten Reichtum und öffentliches Geld nicht voneinander trennen. Das wird noch deutlicher, wenn wir uns vor Augen führen, dass jedes Unternehmen, das privaten Gewinn anhäuft, auf Infrastrukturen von den Strassen über die Schulen bis zur Gesundheitsversorgung angewiesen ist, zu deren Kosten selbst die am wenigsten Bemittelten ihren hart erarbeiteten Teil beitragen. Es ist daher wohl nicht übertrieben zu behaupten, Geld in dem phänomenalen Umfang, wie es die Reichen und Reichsten hierzulande besitzen, sei nicht wirklich erarbeitetes, sondern vielmehr – auf was für verschlungenen Wegen auch immer – gestohlenes Geld. Und umso mehr es sich am einen Ort anhäuft, umso schmerzlicher fehlt es an einem anderen Ort. Es wäre daher – im Sinne gutschweizerischer Demokratie und Solidarität – wohl nicht vermessen, einen Beitrag der vermögendsten Schweizer und Schweizerinnen an all jene zu fordern, die hier und heute um ihr nacktes Überleben kämpfen. Denn, wie es schon der bekannte Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: “Was alle angeht, können nur alle lösen.”