Klimaplan der Grünen: Nicht Wolkenkuckucksheim, sondern Zeichen einer neuen Zeit

 

Francesco Benini, Verfasser eines Kommentars im “St. Galler Tagblatt” vom 13. Januar 2021, hat offensichtlich keine Freude am neuen Klimaplan der Schweizer Grünen, der dieser Tage der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Despektierlich bezeichnet Benini das neue Positionspapier der Grünen als “Wolkenkuckucksheim” – was immer damit gemeint sein mag. Die Grünen, so Benini, planten eine “Umerziehung der Gesellschaft”, die künftig weniger konsumieren solle. Auch sei den Grünen “die Freiheit der Menschen offensichtlich gleichgültig”, sollte die Bevölkerung doch “mit Werbeverboten vom Kauf nicht erforderlicher Güter abgehalten werden.” Dem “Monstrum” dieses Klimaplans, der die Menschen “bevormunden” wolle, könne er, Benini, mit dem besten Willen nichts Positives abgewinnen. Nun, schauen wir uns doch die zentralen Begriffe in Beninis Argumentation etwas genauer an. Es sind die typischen Begriffe, wie sie in Diskussionen zu den Themen Klima- und Umweltschutz und Klimawandel immer und immer wieder ins Feld geführt werden. Erstens: Die Grünen strebten eine “Umerziehung” der Bevölkerung an. Dazu ist zu sagen, dass auch die heutige Warenwelt und die Konsumgesellschaft, in die wir alle von klein auf hineinwachsen, alles andere als frei ist von Beeinflussung, Manipulation und, im weitesten Sinne, “Erziehung”. Fast täglich werden neue Produkte auf den Markt geworfen, der Kundschaft mit allen Mitteln der Verführung angepriesen und gleichzeitig immer neue Bedürfnisse geweckt, so dass nicht nur der täglich produzierte Warenberg, sondern gleichzeitig auch die nicht mehr benötigten und fortgeworfenen Dinge immer weiter in den Himmel wachsen. Wenn nun die Grünen dazu auffordern, unsere täglichen Konsumgewohnheiten zu hinterfragen, so hat dies nichts mit einer “Umerziehung” zu tun, sondern, im Gegenteil, mit einem Aufdecken und Hinterfragen jener subtilen und allgegenwärtigen Form von “Erziehung”, der wir in einer unaufhörlich wachsenden Warenwelt von klein auf ausgesetzt sind. Und damit sind wir beim zweiten Begriff, dem Begriff der “Freiheit”. Ein Werbeverbot für “überflüssige” Dinge, wird behauptet, bedeute eine Einschränkung der persönlichen Freiheit. Doch ist es wirklich “Freiheit”, wenn ich unter möglichst vielen verschiedenen Turnschuhen, Fahrrädern und Feriendestinationen “frei” auswählen kann? Geht es da nicht viel eher um die Freiheit der Wirtschaft, wann und wo und wie auch immer die Bedürfnisse der Konsumenten und Konsumentinnen anzustacheln und in die gewünschten Bahnen zu lenken? Alles, was auf den ersten Blick als “Bevormundung” und “Einschränkung” erscheinen mag, ist auf den zweiten Blick in Tat und Wahrheit das Gegenteil: Wir müssen wohl auf einen Teil unseres bisherigen Luxuskonsums verzichten. Dafür aber gewinnen wir eine Zukunft, in der die Menschen auch in 50 oder 100 Jahren auf diesem Planeten immer noch ein gutes Leben haben können. Und zwar nicht nur auf einzelnen Wohlstandsinseln, sondern weltweit. Was heute noch als “Monster” und “Wolkenkuckucksheim” bezeichnet wird, das wird dannzumal, rückblickend, als eines von vielen Zeichen einer neuen Zeit gefeiert werden.