Sozialdetektive ja oder nein? Die Geschichte von den Mücken und den Elefanten..

 

Am 7. März 2021 stimmen die Zürcherinnen und Zürcher darüber ab, ob Städte und Gemeinden zur Überwachung von Sozialhilfebeziehenden Sozialdetektive einsetzen dürfen. Ursprünglich hätten die bürgerlichen Parteien auch die Möglichkeit unangemeldeter Besuche sowie das Tracking mittels GPS in die Gesetzesvorlage aufnehmen wollen, dies wurde aber von einer knappen linksgrünen Mehrheit verhindert. Trotzdem ist die Vorlage nach wie vor umstritten, insbesondere die Alternative Liste lehnt die Überwachung von Sozialhilfebeziehenden durch Sozialdetektive grundsätzlich ab. Was wir bei der Diskussion über Sozialdetektive verfolgen können, ist die immer wiederkehrende Geschichte von der Mücke und vom Elefanten. Die Mücke, das sind Menschen, die sich oftmals ein ganzes Leben lang am untersten Rand der Gesellschaft immer und immer wieder hochrappeln mussten, immer wieder zurückgeworfen wurden und über Jahre Tag für Tag um jeden Franken kämpfen mussten. Der Elefant, das sind die Menschen am entgegengesetzten Ende der gesellschaftlichen Machtpyramide, Menschen, die infolge einer Erbschaft schon bei der Geburt reicher waren als unzählige andere, Menschen, die dank günstiger Umstände höhere berufliche und gesellschaftliche Positionen erreichen konnten oder dank Börsengewinnen, Spekulation oder Immobilienhandel Vermögen aufbauen konnten, von denen unzählige andere nicht einmal zu träumen wagen. Doch das ist noch lange nicht das Ende der Geschichte von der Mücke und dem Elefanten, diese geht noch viel weiter. Wenn wir uns nämlich im Einzelnen anschauen, wie die Elefanten zu ihrem Reichtum gelangen, dann stellen wir bald einmal fest, das dieser Reichtum in den seltensten Fällen die Frucht harter Arbeit ist, sondern vielmehr die möglichst geschickte Teilnahme an jenen zahllosen Geschäften und Finanzströmen, in denen sich laufend Arbeit in Geld verwandelt: Wer Aktien einer Rohstofffirma besitzt, wird deshalb reich, weil die Menschen, welche diese Rohstoffe zu Tage fördern, transportieren und bearbeiten, bitterarm sind, das Gleiche gilt für den Besitzer von Aktien einer Firma, die mit Tropenfrüchten handelt, oder einer Firma, die Tropenholz in Designermöbel verwandelt. Jeder Lohn, der an jedem beliebigen Punkt der Produktionskette erwirtschaftet wird, spaltet sich in zwei Teile: In einen, der dem Arbeiter und der Arbeiterin zukommt und so bemessen ist, dass sie gerade davon leben können, und in einen zweiten, der von den Besitzern der Firma abgerahmt wird und den diese einkassieren, ohne selber dafür arbeiten zu müssen – man könnte diesen zweiten Teil des Lohnes durchaus auch als “gestohlenes” Geld bezeichnen. Und dieses Muster wiederholt sich endlos, weltweit, Tag für Tag. Jeder Immobilienbesitzer, jeder Unternehmensberater, jeder Aktionär einer Fluggesellschaft oder eines Luxushotels wird jeden Tag bloss dadurch ein bisschen reicher, weil unzählige andere jeden Tag ein bisschen mehr arbeiten, als sie eigentlich müssten, und dennoch weniger verdienen. Zurück zu den Mücken und den Elefanten. Die eigentlichen “Bösewichte” sind nicht die Mücken, die sich mit ein paar liegengebliebenen Krümeln abfinden müssen. Die eigentlichen “Bösewichte” sind die Elefanten, die weltweit alles abgrasen, was ihnen unter die Füsse kommt. Gestohlenes Geld findet man nicht bei den Mücken, nicht bei den Sozialhilfebeziehenden. Gestohlenes Geld findet man bei den Elefanten, bei den Grossaktionären, Waffenhändlern, Immobilienbesitzern. Nur hat der Kapitalismus alles ins Gegenteil verdreht und wir zeigen mit unseren Fingern nicht auf die Diebe, sondern auf jene, die bestohlen wurden. Eigentlich müsste man die Sozialdetektive nicht zu den Sozialhilfebeziehenden schicken, sondern auf die Chefetagen der multinationalen Konzerne, an die Konferenztische der Grossbanken und in die Luxusvillen der Multimillionäre am Genfersee und am Zürichsee. Dann, endlich, würden wir der Geschichte von den Mücken und Elefanten nach und nach auf die Spur kommen…