Naturwissenschaften und Politik: Als lebten wir in zwei verschiedenen Welten

 

Seltsam. Während Naturwissenschaften, Medizin, Technologie und Digitalisierung schon längst im 21. Jahrhundert angekommen sind und weiterhin jeden Tag neue Fortschritte erzielen, scheint die Welt der Politik buchstäblich im 19. Jahrhundert stecken geblieben zu sein. Gilt in der naturwissenschaftlichen Entwicklung die Regel, dass ein einmal erzielter Fortschritt nicht mehr rückgängig gemacht wird und alle weiteren Entwicklungsschritte darauf aufbauen, so ist in der Welt der parlamentarischen Demokratie von einem vergleichbaren Konsens keine Spur davon zu finden: Immer noch, wie eh und je, liefert man sich in den Parlamenten gegenseitige Redeschlachten, versucht den politischen Gegner kleinzureden, buhlt mit möglichst bunten und attraktiven Plakaten, Flugblättern und Internetauftritten um eine möglichst grosse Anhängerschaft für die kommenden Wahlen und verspricht das Blaue vom Himmel, um es, kaum ist man wieder gewählt, möglichst schnell zu vergessen. Würden Chirurgen, Weltraumforscherinnen und Brückenbauer ähnlich fahrlässig arbeiten, stünden wir schon längst vor einem Chaos unvorstellbaren Ausmasses. Dabei wäre nichts so dringend, als dass Politiker und Politikerinnen ebenso seriös arbeiten sollten wie die Forscherinnen und die Fachleute der naturwissenschaftlichen Welt. Würde man für die Bewältigung der Klimakrise, für die Überwindung von Armut, Hunger, Ausbeutung und Rassismus und für eine friedliche Lösung zwischenstaatlicher Konflikte nur einen Bruchteil jener Sorgfalt und Energie aufwenden, mit der fahrerlose Automobile entwickelt, ausgeklügeltste Sonden zu fernen Planeten geschickt und auch noch die anspruchsvollsten medizinischen Operationen mitten in unserem Gehirn durchgeführt werden, dann sähe die Welt wohl schon in Bälde ganz anders aus. Liegt das Problem darin, dass die Forscherinnen und Fachleute der naturwissenschaftlichen Welt schon längst über alle Grenzen hinweg zusammenarbeiten, während sich die Politik immer noch hauptsächlich im engen Rahmen der einzelnen Nationalstaaten bewegt? Wäre es nicht endlich Zeit, das Politische weltweit so zu vernetzen wie das Naturwissenschaftliche? Angesichts der drohenden Klimakrise müsste das eigentlich keine Frage mehr sein. Denn, wie schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: “Was alle angeht, können nur alle lösen.”