Lithiumabbau in der spanischen Extremadura: Gross denken oder klein denken?

 

 

“Fälle nicht den Baum, der dir Schatten spendet” – so lautet ein
spanisches Sprichwort. Doch genau das ist, wie der “Tagesanzeiger”
vom 19. Juli 2021 berichtet, geplant, und zwar in der spanischen Extremadura,
nahe der Stadt Cáceres. Hier sollen Tausende von Steineichen gefällt werden, um
einer Lithiummine Platz zu machen, mit welcher der wachsende Hunger der
europäischen Autoindustrie nach dem unerlässlichen Rohstoff für die Herstellung
von Batterien für E-Mobile gestillt werden soll. Für zehn Millionen Autos würde
das hier vorhandene Lithium reichen, sagt der Ingenieur Cayetano Polo, der für
das australische Bergbauunternehmen Infinity Lithium arbeitet, welches die Mine
von Cáceres betreiben will. Und noch etwas sagt er: “Wer das Klima retten
will, muss gross denken.” Gross denken? Wäre es, um das Klima zu retten,
nicht viel gescheiter, kleiner zu denken? Können Cayetano Polo und seine
Gesinnungsgenossen vom Club der unbelehrbaren Wachstumsgläubigen nicht rechnen?
1,5 Milliarden Autos sind heute weltweit unterwegs. Das in der Extremadura
geförderte Lithium würde gerade knapp reichen, um etwa ein halbes
Prozent sämtlicher Autos weltweit durch E-Mobile zu ersetzen. Und die
anderen 99,5 Prozent? Selbst wenn noch weitere Lithiumvorkommen entdeckt werden
– das Ansinnen, weltweit sämtliche Autos durch E-Mobile zu ersetzen, erweist
sich als reines Hirngespinst. Vor allem auch deshalb, weil die Anzahl Autos in
den Schwellenländern von Jahr zu Jahr rasant zunimmt und man sich nicht wundern
muss, wenn selbst in den ärmsten Ländern viele Menschen vom Erwerb eines Autos
träumen, so lange wir, die “entwickelten” Bewohnerinnen und Bewohner
der reichen Länder, unbeirrt mit dem schlechten Beispiel vorangehen. Gross
denken heisst: Unverbesserlich bis zum letzten Tropfen und zum letzten
Staubkorn die Erde auspressen, bis sie endgültig nichts mehr hergibt. Wachstum
um jeden Preis, Profitmaximierung um jeden Preis. Klein denken würde heissen:
der Erde stets nur so viel abzuverlangen, wie auf natürliche Weise auch wieder
nachzuwachsen vermag. Eine “grüne Revolution”, die bloss mit
technischen Mitteln den verschwenderischen Lebensstil einer reichen Minderheit
der Weltbevölkerung weiterzuführen verspricht, muss sich früher oder später als
gigantische Illusion erweisen: Wenn hierzulande eine Tonne Stahl und Blech in
Bewegung gesetzt wird, um mit dem Auto zwei Kilometer weit bis zur nächsten
Bäckerei zu fahren und ein Croissant zu kaufen, während irgendwo in Afrika
ein siebenjähriges Mädchen barfuss in sengender Hitze zehn oder mehr
Kilometer weit laufen muss, um für seine Familie Wasser oder Brennholz
zu holen, dann ist das eine Welt, die aus allen Fugen geraten ist. Niemals
kann der westliche Luxus- und Konsummensch das Vorbild für den Rest der Welt
sein – ausser es wäre das Ziel der Menschheit, sich so schnell wie möglich
das eigene Grab zu schaufeln. Doch glücklicherweise gibt es da noch Menschen
wie Beatriz Martín Marín, Professorin für Pädagogik an der Universidad de
Extremadura. Wenn die Menschen kommen, um den Boden aufzureissen, wird sie sich
zusammen mit ihrem neunjährigen Sohn an einen Baum ketten. Damit schlicht und
einfach die Hoffnung nicht stirbt…