Kapitalismus schaffe Reichtum und Wohlstand? Schön wäre es…

 

Cheri Renfro berichtet im Podcast “Working People” von ihrer Arbeit bei Frito-Lay im US-Bundesstaat Kansas. Frito-Lay ist einer der grössten US-Hersteller von Kartoffel- und Maischips. Die bereits vor der Coronapandemie äusserst anstrengende Arbeit sei infolge Corona noch viel schlimmer geworden, da die Pandemie einen Boom im Chipsgeschäft ausgelöst hätte. In den Warenhäusern von Frito-Lay herrschen im Sommer Temperaturen von über 37 Grad, die Arbeit sei körperlich anstrengend, dazu komme die Maskenpflicht. Mit einer Maske auf Leitern zu steigen und Kisten zu stapeln, so Renfro, sei bei so hohen Temperaturen kaum in gewohntem Tempo machbar. Selbst ohne Masken sei es bei solchen Temperaturen schon zu Todesfällen gekommen. Und jetzt habe man, weil viele Angestellte krankheitshalber ausgefallen seien, die Schichten sogar noch von 8 auf 12 Stunden verlängert und die Sechstagewoche sei immer mehr zur Regel geworden. Zeitweise seien daraus über Monate sogar sieben Tage geworden. Am meisten gehasst werde die “Selbstmordschicht””, bei der an eine Achtstundenschicht vier Stunden Überzeit angehängt würden und die darauffolgende Schicht dann vier Stunden früher beginne. So schlimm die Arbeitsbedingungen für die Angestellten, so hoch der Profit des Unternehmens. Der Umsatz, so Renfro, habe im letzten Jahr mehr als eine Milliarde Dollar über den Prognosen gelegen. Die Löhne dagegen seien nach wie vor tief. Auch in den Amazon-Warenhäusern, so Gabriel Mac, seien die Arbeitsbedingungen haarsträubend: Die Angestellten sind gezwungen, im Laufschritt durch das Warenhaus zu hetzen, denn die Zeit, die man benötigen darf, um einen Artikel auszusortieren, sei von einem elektronischen Taktgeber auf die Sekunde vorgeschrieben. Hunderte Male hätte Mac wegen der elektronischen Aufladung der Regale Stromschläge bekommen, doch die Firmenleitung hätte nichts dagegen unternommen. Die Arbeitszeit sei so eng getaktet, dass die Angestellten nur in kurzen Worten miteinander reden könnten. Selbst ein Schluck Wasser koste wertvolle Sekunden. Jede Sekunde, die jemand zu spät käme oder die Pause überziehe, hätte Strafpunkte zur Folge. Doch trotz der unmenschlichen Arbeitsbedingungen könnten sich, so Mac, die Angestellten immer weniger leisten. Selbst eine Zweizimmerwohnung zu marktüblichen Preisen sei für Angestellte im Niedrigstlohnsektor nicht mehr bezahlbar. Und auch eine Einzimmerwohnung könnten sich nur die allerwenigsten leisten. Bei diesen Schilderungen, die ich dem Online-Magazin “Infosperber” vom 3. August 2021 entnommen habe, muss ich unwillkürlich an die Aussage eines allzu kapitalismusfreundlichen Zeitgenossen denken, der behauptete, kein Wirtschaftssystem hätte jemals so viel Reichtum und Wohlstand geschaffen wie der Kapitalismus. Ja, ganz Unrecht hatte er ja nicht, er vergass bloss hinzuzufügen, dass dieser Reichtum und dieser Wohlstand höchst ungleich verteilt sind. Fito-Lay und Amazon, zwei von Millionen und Abermillionen kapitalistischer Unternehmen weltweit, in denen sich Tag für Tag der Schweiss, das Blut und die Tränen der arbeitenden Menschen in den Luxus und den Reichtum der Reichen und Reichsten verwandeln. Wie viel Leid braucht es noch, bis das Märchen von der Menschenfreundlichkeit des Kapitalismus endgültig als Lüge entlarvt sein wird und die Zeit gekommen sein wird für ein von Grund auf neues Wirtschaftssystem, in dem nicht mehr Wachstum und Profitmaximierung, sondern die soziale Gerechtigkeit und das gute Leben für alle an oberster Stelle stehen werden…